Samstag, 30. November 2013

Die wichtigsten Alben 2013 #44: Biffy Clyro - Opposites

"Mach doch mal das Radio lauter" sagt man als Musikauskenner doch eher selten. Aber als ich damals in der WG-Küche stand und irgendwelches Gemüse für so eine Asia-Pampe zurechtschnippelte, da dröhnte es auf einmal wie nichts gutes per Gitarrenwand aus dem akkustisch doch sehr fragwürdigen Gerät ebenjener WG-Küche, und es waren wirklich Biffy Clyro mit "Stingin' Belle", und ich dachte "Hey, guck mal wer da wieder das Laut-Leise-Spektrum beherrscht wie keine zweite Band, naja, abgesehen vielleicht von Mogwai und Brand New damals, aber heyhey, das geht doch mal wieder klar", und ich habe mich bestimmt böse geschnitten bei der ganzen Ablenkung vom Gemüse. Denn was soll ich sagen? Damals, also wirklich damals, da hat uns Biffy Clyro doch alle wirklich umgeblasen mit der ganze Heftigkeit auf den ersten drei Platten, also zwischen "Blackened Sky" und "Infinity Land", und mit ihrem bis dato besten Album "Vertigo of Bliss", das wirklich hinter jeder Ecke auf dich gelauert hat um zu kratzen oder zu streicheln oder einfach nur irre oder herzlich zu lachen. Und sowas in Musik zu packen, dabei so zugänglich und bratzig gleichzeitig zu klingen, das haben echt nicht viele geschafft, und das ging doch irgendwie etwas kaputt seit, ja, nun mal wirklich seit dem Majordeal und der besten Foo-Fighters-Platte aller Zeiten, nämlich "Puzzles". Richtig böse war ich ja nur auf "Only Revolutions", das ich bis heute nicht mal mit dem Hintern angucken oder (wie auch immer das gehen sollte) anhören mag. Nee, also wirklich, das leingweilt doch zu Tode und jeder, der alles bis meinetwegen ebenjenem "Puzzle" gehört hat weiß doch, dass Biffy Clyro alles immer waren, nur nicht langweilig.
Und jetzt halt, autsch, ein Doppelalbum namens, originell, "Opposites", und das riecht nach Fehlschlag, riecht nach unnötig aufgeblasenem Zeug und ödem Konzept, das kann ja wirklich nur schiefgehen. Und, ist es schiefgegangen? Jein, muss man da ehrlich sagen. Die erste CD von "Opposites" ist wirklich, wirklich toll, für Fußball- und Kneipenfans ebenso wie Leute, die Kuschelrock echt noch für Rock halten. Und Biffy Clyro schmuggeln eben doch alte Gepflogenheiten wie Gitarrenwände und Doublebass ins sogenannte Formatradio rein, und allein dafür muss man ja schon dankbar sein, wenn es wieder biestig wird inmitten dieser trunkenen Seligkeit, die aus vielen Songs herauspfeift. Aber wenn sie so toll klingt, wie auf "Black Chandelier" oder auf "Different People", "Sounds like Balloons" oder "Modern Magic Formula", dann können wir uns dazu gerne im Pub in den Armen liegen, während Celtic gegen die Rangers spielt, dann können wir das Radio wieder lauter aufdrehen und dieser Band alle Fehler vergeben, zum Beispiel auch den, ein Doppelalbum gemacht zu haben, das nun wirklich keins sein muss, den sie ja mit einer quasi "Best-of Opposites" gegen Jahresende schon ausgeglichen haben. Immer noch fehlt die Stringenz von "Puzzle", weiterhin vermisse ich das Überraschungsmoment und die fast schon mad science mäßigen Einfälle aus dem Rocklabor, aber hey, dafür haben die nun wirklich schon drei Alben abgeliefert, die das in Perfektion ausgelebt haben, warum nicht jetzt also die Poprockformel perfektionieren? "Opposites" hat einiges zu bieten, das dafür spricht, dass dies demnächst passieren wird, aber wer weiß, vielleicht macht die Biffykatze auch mal wieder den Buckel, faucht und kratzt und wir prügeln uns dazu alle durch den Pub, um am Ende wieder zusammen eine Pint zu heben. Auch bei einem faden Unentschieden.

Freitag, 29. November 2013

Die wichtigsten Alben 2013 #45: Julia Holter - Loud City Song

Julia Holter gehört sicher zu den Musikerinnen mit Klischeegefahr: Das mädchenhaft Verspielte und intellektuell befrachtet Geheimnisvolle von Musik und Haltung, Person und Auftreten, Albentitel mit Anspielungen an die griechischen Tragödien und eklektisch verjazzte Soundentwürfe im new wavigen Gewand tun da ihr Übriges. Einige Kritiker haben sich daher schon fast gefreut, als es dieses Mal nicht um Orpheus, Elektra oder Ekstase ging, sondern ganz schlicht um Los Angeles und den ganzen Krach, den man in so einer Stadt ertragen muss und der einen dann doch so komisch inspiriert.
Allerdings war es das dann auch schon an Veränderungen im Holterverse, denn immernoch ergehen sich ihre Songs eher als Kompositionen denn als Knallbonbons, was ja immer erst etwas unterkühlt und prätentiös wirkt, aber doch mehr Groove wagt, als zu erwarten gewesen wäre. Deshalb ist eine Holter-Platte zu besprechen auch musikjournalistisch so langweilig, denn natürlich ist das bis in die letzte Faser tolle Musik und natürlich ist die Holter herzerliebst in allem, was sie da so macht, und niemand kann sagen, das sei nicht ansprechend, es sei denn, man kann mit sowas eh nix anfangen, als Konzept, als Prinzip. "Horns surrounding me" ist beispielsweise so ein Hirnbiest von Song, nicht so fies wie "Marienbad" auf "Ekstasis", aber doch durchdacht und tricky, und wenn der sich zu einem Ohrwurmbastard steigert, wie so vieles auf "Loud City Song", dann weiß man doch, da wurde irgendwas richtig gemacht, und wenn auch gegen meinen Willen.
Ich wünsche mir manchmal halt, dass Holter demnächst was mit Katy Perry oder Pharell Williams oder so machen würde, damit sie nicht in Esoterik versinkt und es eben auch mal knallen lässt. Wie ihr Studiokollege John Maus, der ja auch so sein Ding fährt, der aber Konzerte wie tollwütige Karaokeperformances anstellen kann. Denn so ein ausuferndes, explodierendes Moment fehlt ihren Alben, und ganz besonders diesem hier, in dem es doch so oft anschwelend brodelt, um wirklich richtig zu begeistern. Aber wer weiß, es ist schon komischeres passiert in der Musikwelt...

Donnerstag, 28. November 2013

Die wichtigsten Alben 2013 #46: Lady Gaga - Artpop

Da hat ja nun wirklich keiner mehr darauf gewartet, so ermüdet egal diskursiv war die Berichterstattung zu Lady Gagas drittem Album mit dem nun auch wirklich diskursiv egalem Titel "Artpop", da konnte man ja schon sehen, wie durch die ganze Sache mit dem Gender und dem Pop, dem angeklebten Schnurrbart und den wechselnden Perrücken ist. Und als Lady Gaga dann auch noch bei den MTVVMAs (gähn!) mit einem Meddley ihrer bisherigen Hits retrospektiv (und das heißt ja auch immer exzerpiert katalogisch) auftrat, da ging schon wieder die Verwunderung durch das Publikum, ob denn hiermit eine der letzten innovativen Figuren des Pop ihren Glanz und Motor an die selbstzentrierte Retromanie verschenkt hat.
Und das ist doch auch nur wieder diese ganze Oberfläche der Gaga-Figur gewesen, die vielleicht mit Koons oder Abramovic gut kann, aber auch die kratzen an Oberflächlichkeiten, bis dass alle erschaudern, und am Ende ist doch nicht viel da außer Pop Art und nicht vice versa. Denn seien wir mal ehrlich: So catchy die Musik der Gaga ist, so selbst- und traditionsbewusst die Madonna der 80er/90er da geplündert wird, ohne Hülle wäre doch das Interesse nie so groß. Rihanna zum Beispiel, wenngleich kein Typ wie Gaga, sondern eine Projektionsfläche, liefert doch genau deshalb immer den zeitgemäßeren Kram ab, was im Pop ja nunmal wirklich eine veritable Währungsgröße ist. Und so war auch das "Born this way"-Album eher ein Langweiler als ein Aufreger, was sehr schade war, denn die "Monster" EP war derart überraschend und toll geschrieben und performed, dass man mit mehr hätte rechnen können dürfen - war aber nicht.
Nun also "Artpop" und schon die Vorabsingle "Applause" war wieder bollerig auf Disco getrimmt, dass es zumindest wieder Spaß machte. Dann kam der komische SNL-Auftritt zu "Do what you want" mit dem merkwürdig rehabilitierten R.Kelly, der zugegebenrmaßen immernoch eine tolle Stimme hat die wie Butter in der Pfanne schmilzt, und als ich die Nummer das erste Mal im Radio hörte, dachte ich gleich "Hä? Ist wieder 2007? ist wieder Ed Banger?", so bekannt kam mir der Beat mit der Busy P-Schmiede vor, und ich muss ja sagen, ich finde das super, diese Knallelectro Bassmassage, aber zeitgemäß ist das doch nun wirklich nicht. Und die Ed Banger Beats, bzw. der 80er Einschlag von Record Makers Acts wie Kavinsky oder Danger ist auch das produktionstechnische Leitmotiv von "Artpop", und das ist doch nun wirklich Geschmackssache, ob man das auch 2013 noch mag oder nicht. Die zweite Konstante ist das Popthema schlechthin: Sex. Ob das heute noch so viele schockt oder erfreut, ob Gaga dazu einen tatsächlich relevanten, interessanten oder amüsanten Beitrag liefern konnte, das bezweifle ich schon eher grundsätzlich, aber das sollte man Popmusik evtl. auch nicht allzusehr zum Vorwurf machen, unpassend ist es jedenfalls nicht, so sehr wie hier alles geradeheraus wummert und wie tiefergelegt alles ist, wie aufgepumpt und hyperaktiv, und irgendwie, ja, wie auch immer: Es macht einen riesen Spaß. ich weiß auch nicht, wie sie es dieses Mal geschafft hat und was beim letzten Mal so quer schoss, aber "Artpop" ist auf jeden Fall keine "Art" und "pop" wird hier wieder groß geschrieben mit allem, was er in den letzten 10 Jahren zu bieten hatte. Das ist kein Zukunftsmodell und zeitgemäß ist es auch nicht. Aber genauso, wie man heute noch mit großem Vergnügen "True Blue" hören kann, so macht "Artpop", im Moment zumindest, ebensoviel Spaß - wenn einem der Diskurs wirklich mal scheißegal ist.

Mittwoch, 27. November 2013

Die wichtigsten Alben 2013 #47: Haim - Days are gone

"I want do be a Haim-Sister!" ist einer der häufigsten Kommentare unter einem Video der besagten Haim-Schwestern, die als Band, natürlich (?) "Haim" heißen und irgendwie als die nächste coole Sau durch das Dorf getrieben werden, und das aber auch nicht seit gestern, ist immernoch Internet hier. Und das dann auch mit recht: Allein die Übersingle "Falling" mit ihren absolut zeitgemäßen Referenzen an den weißen Proto-R&B-Pop der Achtziger, gepaart mit dem absolut zeitgemäßen Hippietum der Familienband mit den langen Haaren, den Mittelscheitelfrisuren und der "We don't give a Fuck"-Attitüde, was du so meinst zu ihrer Musik oder was für Gesichter sie beim Bassspielen so machen, und das klappt, ja klar, wenn das nicht saucool ist, was ist es dann? Und wer zur Hölle freut sich da nicht auf das Album? Niemand!
Und genau das ist das Problem mit Alben wie "Days are gone": Die Erwartungen. Immer wieder verschoben, immer wieder vertröstet, dann die erschreckend einfallslos humpelnde Egalnummer "The Wire" kurz vorher veröffentlicht und schon ging ein großes "Meh" durch die Menge, andere unsägliche Instanzen des Geschmacks wie die "Abgehört"-Kolumne müssen da natürlich trotzdem am Ball bleiben gegen die Nörgler. Und womit? Ja was weiß ich denn!
Das Problem mit "Days are gone" ist dann aber auch genau das, dass es eben die Erwartungen nicht erfüllt, die man berechtigterweise an Haims ersten Langspieler hätte haben können, den die Schwestern wohl selbst hätten haben müssen (warum sonst verschiebt man ein fertiges Album so oft?). Un es bestätigt sich, was "The Wire" hat befürchten lassen: Nach dem Opener "Falling", dieser Übersingle, kommt nur noch Füllmaterial. Zwar wird die Formel "Fleetwood Mac plus Beyoncé plus Bananarama" weiter ausgespielt, aber oft genug kommt am Ende nichts überrschandes oder auch nur ansatzweise gewagtes heraus. Und das zieht erstmal alles runter bis auf den Grabbeltisch in zwei Jahren bei der Karstadt-Insolvenz.
Aber wenn man sich erstmal beruhigt hat, dass nicht ein Knaller nach dem anderen das Album schmückt, sondern durchaus solider, gefälliger, erstaunlich routinierter und knackig abgezirkelter Pop, dann kann man auch wieder warm werden mit "Days are gone", auch mal mitsingen, wo man vorher mit den Schultern zuckte, und zum Beispiel in "Honey and I", "Running if you call my name" oder "Go slow" richtige Perlen erkennen, die schon vor 30 Jahren als "zeitlos" hätten durchgehen können, und die über das Füllmaterial doch wieder hinaús die Strahlkraft entwickeln, die man sich von der Band gewünscht hatte. Und wie lässig die drei dann auf dem Cover in der Sonne sitzen, das ist dann doch wohl ein Coolnes-Versprechen, das die nächste Platte doch bitte etwas souveräner einlösen sollte. Bis dahin nochmal "Falling" auf Repeat stellen und bitte ausflippen. Und überhaupt, liebe Haim-Sisters: Never look back. Never give up. Thanks.

Donnerstag, 21. November 2013

Die wichtigsten Alben 2013 #48: Boysetsfire - While a nation sleeps

Steffen schenkte mir damals im Studium ein ihm und mir viel zu großes Boysetsfire T-Shirt, das noch aus der "After the Eulogy"-Zeit stammte. Das Beste daran war auf jeden Fall der ebenfalls viel zu große Schriftzug "TEAR IT DOWN!" auf der Rückseite. Ich trug das Shirt forthin vor allem zum Schlafen und beim Sport oder eben auf Festivals, wo das Motto der Rückseite sozusagen das raison d'être war. Jetzt in 2013 komme ich irgendwie nicht umhin, dieses Riesenshirt als Metapher für die Band und deren nun nach Reunion erschienenen Album "While a nation sleeps" zu lesen. Und das muss ich jetzt natürlich begründen.
Boysetsfire sind ja im, ja wie soll man sagen, im Hardcore/Emo (sagt man eigentlich nicht mehr, noch weniger als Screamo, oder?)/Punk eine ziemliche Nummer. Besonders eben das bereits erwähnte zweite Album "After the Eulogy" ist sowas wie ein Szene-Monument (von welcher Szene auch immer). Danach kam erst der Majorvertragausverkaufsvorwurf mit dem doch ziemlich tollen Album "Tomorrow come today" und die Platte namens "The Misery Index: Notes from the Plague Years", die alles wieder hinbog und einen genreangemessenen merkwürdig langen titel trug. Das half ja nichts, denn die Band löste sich weniger später auf und das Comeback verpuffte mehr oder weniger. "After the Eulogy", so könnte ich jetzt rüberschwenken, wurde für die Band auch ein paar nummern zu groß, wie eben das dazugehörige Shirt.
Umso größer die Erwartungen, als zum Recordstore Day 2013 eine neue Single namens "Bled dry" veröffentlicht wurde, die wieder ordentlich wummerte und, wie das für Boysetsfire immer am besten war, ziemlich sauer war, besonders auf Politik, Politiker, die USA, die Menschen und Arrrrgh! So sauer, dass Obama im Video dazu lässig die Hüften schwingen muss (ein Video, das in seinem Pessimismus eine schöne Mischung aus Al Gore Powerpoint-Präse und Pearl Jams "Do the Evolution"  bildet). Und das war, entschuldigung, eine ganz schöne Ansage an das, was kommen wird. "Bled dry" hat dabei wieder so eine schöne "TEAR IT DOWN!"-Attitüde, dass es enormen Spaß macht, bei der Band wie der sowas wie genug Gatorade im Arm zu hören. Ein Versprechen an das Album, das "While a nation sleeps" leider nicht so recht einlöst.
Die erste Enttäusching ist, dass "Bled dry" gar nicht auf dem Album enthalten ist. Dabei hätte es das sehr verdient gehabt, gerade jetzt, wo die Band ihre Relevanz wieder mit Breakdowns und kreischenden Ansagenpassagen einspielen möchte. Das ist auch schnell klar, denn die ersten 5 Songs sind im Kern genau so angelegt (man höre solche, entschuldigung, Kracher wie "Until nothing remains" oder "Everything went black", bis dass mit "Save Yourself" eher radiotaugliches Geplänkel angestimmt wird, das in Zeiten von Foo Fighters und Rise Against in den tägliche Playlisten der Jugendformatsender keinen mehr so vom Hocker reißt. Und ab da gehts bergab mit der Platte (abgesehen vom großartig galleverseuchten "Wolves of Babylon"), vieles wird merkwürdig weichgespült, die Gitarren werden immer cleaner gestimmt und nach dem tollen Einstieg geht auch der Biss verloren, und damit auch irgendwie genau das, was Boysetsfire 2013 hätten abliefern müssen, genau das, weshalb alle von "Bled dry" so verdammt begeistert waren, denn mein Gott, was sind denn doch eigentlich alle furchtbar wütend, furchtbar ängstlich mit allem was ist, was da kommen könnte, dass gleich wieder alle konservativ wählen und bloß nix ändern wollen, weil Angst, weil Wut, weil Resignation, und wenn das nicht ein Existenzgrund für Bands wie Boysetsfire ist, die sowas musikalisch auf den Punkt bringen, dann weiß ich es auch nicht. Und so löst "While a nation sleeps" nur halb das ein, was Boysetsfire könnten, was sie 2013 auch noch relevant machen würde, was alle diese Band doch irgendwie hat vermissen lassen: Eine gleichzeitig wütende, traurige, merkwürdig echte, angstvolle und fast resignierte Platte wie "After the Eulogy" aufzunehmen. Aber vielleicht wachsen sie ja wieder rein in diese Größe.

Mittwoch, 20. November 2013

Die wichtigsten Alben 2013 #49: Drake - Nothing was the same

Drake hat ja immer dieses Softie-Image, und irgendwie wird der das auch nicht so richtig los. Erstens ist er ja Kanadier, da kann man bei den US-Boys natürlich erstmal nichts gewinnen. Zweitens singt er auch manchmal. Gut, da war er ja sowas wie ein Trendsetter, das machen jetzt ja einige und auch nicht so ganz erfolglos. Drittens singtrappt Drake ja über Gefühle, und das handelt einem dann so bescheuerte Etiketten wie "Emo-Rap" ein. Was soll das denn überhaupt sein? Selbst die tolle und wirklichwirklich schlimmdunkle Nummer "The Zone" zusammen mit Torontokumpel Weeknd hat da nichts verbessert. Aber wer seine Alben "Take Care" nennt, der sollte sich vielleicht auch nicht zu sehr wundern, dass er nicht ganz so hart rüberkommt, wie man das im Rapbusiness erwartungsgemäß tun sollte (man frag nur mal Eminem nach seiner "Marshall Mathers 2" Platte und warum).
Jetzt also 2013 und "Nothing was the same", und was soll man sagen: Tolle Platte. Drake war ja im Grunde auch nie ein Schlechter, nur ein Schlechtgemachter, und im Grunde steigerte er sich ja auch von Track zu Track (im Gegensatz zu Bruder im Geiste Kid Cudi) und so auch von Album zu Album. Der Pop-Approach immer mit im Gepäck und doch immer wieder den Bass tiefergelegt auf dem Kick im Beat. "Tuscan Leather" am Anfang packt dann auch alles produktionstechnisch auf die Waagschale: Chipmunkpitched Gesänge, Flow und Boomboxbeat und ein wenig mehr Selbsbeweihräucherung als gewohnt. Und gleich schielt einen Kanye West an, der ja seine etwas lowen Skills gerne durch wahnwitzige Produktionen kaschiert - und das mit enormem Effekt. Das sechsminütige Intro wird am Ende dann doch wieder soft, so isser. Merkwürdig stark präsent auch der Wu-Tang Clan mit etlichen Referenzen und sogar einem eigenen Song "Wu-Tang Forever", Capadonna-Mentions und einem "It's Yours"-Sample auf "Own it".
Kein Wunder: "Nothing was the same" ist auch eines dieser Fotoalben-Alben, wo sich der gute Drake mal hinsetzt und sich erinnert, wie das war. Nicht so holperig wie Sido bei "Bilder im Kopf" oder anderen, auch nicht mit der Durchschlagskraft der ersten Nas-Platten, die bis "Nastradamus" ja eine Art Evangelium in Rückblenden erzählten. Aber trotzdem mit viel Verve und angenehm entspannt und reflektiert, wie man das von Drake halt kennt. "Remember Motherfucker?"
Hier wird nicht viel neu erfunden, weder die Erzählfigur Drakes noch produktionstechnisch viel gewagt, und letztlich waren andere Interpreten dieses Jahr noch eher auf Höhe der Zeit als Drake, was Rap und seine Form und Funktion angeht (abgesehen vom Sampha-Feature auf "Too much"). Aber man kann doch recht zufrieden zur Kenntnis nehmen, dass "Nothing was the same" die bisherige Vollendung von Drakes Musik darstellt, und das ist ja auch nicht wenig. Und mit "Hold on, we're going home" hat die Platte zudem noch einen ordentlichen Hit mit Radioplay Overkill zu verbuchen. Sky is the limit.

Dienstag, 19. November 2013

Ansage #2

Wir wissen nicht, woher auf einmal diese ganze Prostitutionsdebatte kommt. Na gut, Alice Schwarzer, Frankreich, Emma, okay, aber woher, warum jetzt, warum das? Wie gesagt, wir wissen es nicht. Aber wenn wir den mit "Tun Sexarbeiter ihre Arbeit gern?" überschriebenen Artikel von Antonia Baum in der geliebten "FAS" lesen, dann fällt uns nur eine Weisheit von Lt. Frank Drebin (Spezialeinheit) ein: "Man tut nicht 'tun' gebrauchen."

Die wichtigsten Alben 2013 #50: Darkside - Psychic

Nicolas Jaar und und Steve Harrington sind Darkside. Jaar, der seit einigen Jahren im Grunde der Serge Gainsbourg des Deep House ist, mit seinem brummelnden Gesang über Szenen im Dunklen oder einfach nur leere Skizzen, begleitet von den mittlerweile wieder sehr salonfähigen Fieldrecording-Samples und Beats in Zeitlupe, wollte laut eigenen Angaben nicht mehr solo unterwegs sein. Das Ergebnis ist "Psychic", ein laut eigenem empfinden echtes Bandalbum. Dummerweise muss sich "Psychic" an einer zweiten Quasi-Veröffentlichung von Jaar und Harrington messen: Dem fantastischen Remix-Album zu Daft Punks "Random Acess Memories", das Darkside (unter dem "Haha!"-Namen Daftside) im Sommer auf Soundcloud unter die Menge brachten. Und irgendwie fällt "Psychic" demgegenüber stark ab.
Das erste Mal, als ich "Psychic" gehört habe, war ich schwer begeistert davon, wie Jaar seinen Soundkosmos erweitert und wie toll sich die meist um die sieben Minuten langen Stücke entwickeln. Überhaupt ist Jaar ja schon auf "Space is only Noise" vor allem durch grandiose Soundschnipseleien aufgefallen, hier ist das nicht anders. Und der verstärkte Einsatz von Rhythmusgitarre und anderen Bandelementen biegt das Ganze nochmal in eine ganz neue, aber irgendwie organische Richtung. Organisch nicht unbedingt, weil, wie eben bei Daft Punk, alles mit "echten" Instrumenten und "echten" Menschen eingespielt wurde, sondern weil sich alles so gut zusammenfügt. Allein der Opener "Golden Arrow" fasst das Album konzise zusammen und alles, was darauf an Wendungen und Instrumentierungen zu hören sein wird. "Psychic" ist dicht und eng geschnürt, das zeigen auch Songs wie "Paper Trails" oder "The Only Shrine I've Seen".
Das größte Manko für mich war, dass ich doch irgendwie zu oft dachte, nicht David Harrington, sondern Mark Knopfler wäre Jaars Bandkollege, so oft ist die Gitarre im Dire Straits Modus angestimmt, zu oft bewegt sie sich wie diese durch den Song, und irgendwie tut das dem Gesamtbild nicht besonders gut. Was "Psychic" zudem fehlt, ist die Abwechslung, denn letztlich bleibt alles im Detail, im Kleinen und im eigenen Rahmen. Das mag an guten Momenten eben sehr konzentriert wirken, in schlechten einfach nur redundant. Und an ganz schlechten Stellen wünscht man sich einfach nur, Darkside wäre ein Remixprojekt geblieben. Denn gerade im Vergleich mit der Daftside-Remixplatte zeigt sich, wie viel der Sound von Jaar/Harrington anderen hinzufügen kann, während ihm in der eigenständigen Variante genau dieses Fremdelement noch fehlt, um so zu glänzen, wie er könnte. So oder so bereichern Darkside die IDM-Szene so, wie man es von diesem Projekt erwartet hätte. The Force is strong in this one (entschuldigung, aber das musste sein).

Montag, 18. November 2013

Die 50 wichtigsten Alben 2013 - Intro

Das Jahr geht zuende und die Floskeln mit einem durch, denn es ist Listenzeit. Ja, Listen, diese ewig moderne Hierarchisierung des feinen und doch irgendwie völlig unsubtilen Geschmacks, dieses Diktat des "Besser/Schlechter" und der ewige Aufreger für unbedarfte Zeiten. Aber was soll ich sagen, das ist hier ja kein Leserpoll: Wir machen hier Ansagen.
Und natürlich ist auch das Ansagenfeuilleton ein Bestenlistenverfechter, ansagiger geht es doch gar nicht "Top 10" und "Top 3" und "Absolute Nummer Eins". Und natürlich haben wir auch zu dem abgelaufenen Musikjahr eine Meinung und natürlich ist die subjektiv und natürlich macht die nicht unbedingt immer Sinn, ob das jetzt auf Platz 36 oder 37 steht, das ist ja nunmal dermaßen willkürlich, das kann man doch so gar nicht messen, aber wir machen es trotzdem und es macht uns Freude, und Freude ist ja bekanntlich für jeden schön. Und so wird denn an dieser Stelle ab jetzt täglich auf eines der fünfzig wichtigsten Alben des noch nicht ganz abgelaufenen Jahres 2013 (allein diese Jahrestaktung, sowas arbiträres!) zurückgeblickt, denn seien wir mal ehrlich: Bald ist Weihnachten, und das heißt, es kommt nichts mehr außer "Best-ofs", Weihnachtskompilationen und Musicalsoundtracks. Und die haben es weißgottnie in eine solche Liste geschafft. Weißgottnie.