Ich hab mich ja sehr gewundert, dass sich alle so gewundert haben, dass Phoenix so groß sind, dass sie als Headliner auf Festivals auftreten. Hallo? Hat irgendjemand diese Band in den letzten Jahren mal ernsthaft verfolgt? Und deren Omnipräsenz wie Unfehlbarkeit in Popsachen?
Ganz anders die Sache mit den Foals und ihrem Erfolg. Wann sind die denn so groß geworden? Wann hatten die denn mal einen Hit? Oder anders: Wann hat denn das letzte Mal gemerkt, dass diese Band nur Hits hat? Gut, sieht man nicht immer sofort. Diese Mathe-Geschichte auf der ersten EP und dieses "Techno mit den Mitteln einer Indieband" von der "Antidotes", die dadurch unheimlich tanzbar war, das hat auch die Indidiescomenschen beeindruckt, okay. Aber die Grandiosität des "Total Life Forever"-Albums, die haben die meisten doch gar nicht als so grandios wahrgenommen, oder irre ich mich da? Und sowohl "Miami" als auch "Spanish Sahara" haben doch niemals so viel Fame entfaltet, dass die jetzt auch so durch die Decke gehen mit Werbepartnern und Konsens für die Massen. Nicht, dass sie es nicht verdient hätten, aber wann ist das passiert?
"Holy Fire", so viel kann man sagen, ist das bisher schlechteste Album der Band. Aber es ist immer noch tolle Musik! Ich hatte ja den Schock von "Inhaler" (Wieder die Neunziger!) tief sitzen. Was soll denn dieser Dicke-Hose-Rock? Diese inkonsequente Funkyness in den Strophen? Und das doofe Skater-Video? Nein, das war echt nicht gut, und ich dachte, jetzt ist es aus mit uns. "My Number" war dann wieder so ein Stück, das auch auf "Total Lofe Forever" funktioniert hätte, arschwackelig und mit so lässigen Handgelenkbewegungen, wie man das kannte, mochte, wollte. Was sollte nun "Holy Fire" werden, Desaster oder Fortsetzung oder hä? Dass diese Unentschlossenheit und dieses Vage die Platte beherrscht, macht sie eben zur schlechtesten der Bandhistorie. An besten ist "Holy Fire" dann, wenn es wie "Total Life Forever" Teil 2 klingt, was angesichts dieser fantastischen Platte ein Ritterschlag ist, am schlechtesten wird es, wenn die Foals nicht wissen, wer sie sein wollen, ähnlich dem Bloc Party GAU von "Four". Denn beweisen müssen sie nur noch sich selbst was, und das führt Bands allzu oft ins Desaster. "Holy Fire" ist trotz aller Ambitionen kein solches, und das kann man weißgott nicht hoch genug schätzen.
Samstag, 28. Dezember 2013
Die wichtigsten Alben 2013 # 34: Foals - Holy Fire
Die wichtigsten Alben 2013 # 35: Bonobo - The North Borders
Bonobo hingegen fand ich immer etwas zu Neunziger, was ja auch irgendwie die Zeit von Ninja Tunes war. Jetzt dieses Jahr mit "The North Borders" hat sich das auch nicht so groß geändert, obwohl der Sound mehr Tiefe und Detail hat, als damals. Dennoch ist das Loungige und die Kompilationsfähigkeit vieler Stücke für "stylische" Kaffeehäuser auch hierauf vorprogrammiert. Der Unterschied zu vielen Produzenten aus dieser Egalmusikschublade ist bei Bonobo die Vielseitigkeit und der Wille, mehr zu sein, als Entspannungsfläche. Und so ist "The North Borders" in seinen besten Momenten nahe an den Sachen von Gold Panda und weniger nah an "Café del Mar". Stücke wie das fantastisch flirrende "Cirrus", das an Burial-Rhytmen angeschmiegte "Know You", oder die Weltraumreisen von "Antenna", "Ten Tigers" und "Transits" sind Entschleunigungsstücke am Puls der Zeit, ohne sich anzubiedern oder auch mal langweilig zu werden. Wenn du heute mit Fieldrecordingsamples nun wirklich niemanden mehr hinterm Ofen hervor locken kannst, dann brauchst du eben gute Kompositionen, und die hat Bonobo. Allein die Gesangsfeatures sind wie so oft im Electronica-Bereich ein Wermutstropfen und reißen den Flow des Albums ziemlich raus, auch wenn die großartige Erykah Badu hier ihre Stimme leiht. Un so ist "The North Borders"sicherlich kein Meisterwerk, aber dennoch eine Goldgrube neben der nächsten Großraumdisko, für die sich die Nachtfahrt von der Party weg mehr lohnt als der Nebel auf der Tanzfläche.
Die wichtigsten Alben 2013 #36: A$AP Rocky - Long.Live.A$AP
Mittwoch, 18. Dezember 2013
Die wichtigsten Alben 2013 #37: Ghostpoet - Some Say I So I Say Light
Die Neunziger kommen wieder,u oder? Also die Retroversion der Neunziger. Hat jemand mal die Platte von London Grammar gehört? Die sind doch Anfang 20 und klingen wie die Musik, die der Entbindungsarzt vorher in seinem Auto gehört hat. Aber es kommen natürlich nicht alle Neunzigersachen auf ein Mal zurück, das wäre ja auch gespenstisch ohne Ende. Aber immerhin genug, um Trip Hop wieder zu einer sagbaren Schublade zu machen. Und eh Ghostpoet, der das Gespenstische und Lyrische ja nunmal schon im Naen trägt, wurde mir "Some Say I So I Say Light" auch gleich mal schön in diese Schublade geschoben. Aber, get this, nicht um ihn zu dissen, sondern durchaus hochachtungsvoll. Mancher mag bei den verschrobenen Slam Raps sicher an Tricky gedacht haben, der ja auch wieder aktiv ist und bei der Intro fast kotzen musste, als man ihm "Eurochild" vorspielte. Und Ghostpoet deklamiert auch eher als dass er rappt. Sprechgesang ist da wirklich mal ein angebrachtes Wort, so sehr es auch nach dem VDS klingt.
Nun zumindest ist Ghostpoet ein fein geschniegelter Herr, metaphernfreudig, belesen, gewitzt, enternainent und kunstvoll, und diese Platte trieft nur so vor Cleverness. Nenn es halt, wie du willst, aber da ist in jedem Fall eine lange Black Consciousness Geschichte mitgedacht, Guthrie, Davis, King, Chuck D, es schwingt immer ein Hauch von reflektierter Rebellion mit. Aber diese Rebellion steckt in den Worten, steckt in den Rhythmen und der Musik, die auch nicht halb so vernebelt klingt, wie die Trip Hop Assoziation glauben macht. Und so klingen stücke wie "Meltdown" oder "Dorsal Morsel" eher herzergreifend und mit Liebe gegen die Maschine gedichtete Poesie, denn die Metaphorik von Geistpoeten, Maschinensturm und Herzensflucht durchzieht diese Platte wie ein roter Faden. Computerliebe 2.0 trifft Rage Against The Machine auf einem Poetry Slam in Bristol. Mehr Neunziger wird es 2013 auch nicht mehr.
Dienstag, 17. Dezember 2013
Die wichtigsten Alben 2013 #38: Modern Life Is War - Fever Hunting
Damals, diese unglaubliche Platte namens "Witness", diese anschwelende Aggression von Songs wie "The Outsiders" oder "Young Man On A Spree", diese rasenden Ausbrüche von "D.E.A.D.R.A.M.O.N.E.S.", all das war auf den Punkt und so unglaublich rund, dass Modern Life Is War zur Hardcore Legende per Instant Classic wurden. Und ähnlich wie deren Blutsbrüder Boysetsfire war 2013 das Comeback nach dem Split. Zwischenzeitlich hben sie, wie immer nach solchen Niveausprüngen, geschwächelt, jetzt reichen die Vergleiche wieder bis zu At The Drive-in, und das muss ja gut sein. In einer Zeit, wo in Emo getränkter Hardcore á la Touche Amore wieder salonfähig ist, wo Bands wie Savages den Hardcorediskurs wieder auf die todernste Seite der Moshpit ziehen, da können auch Modern Life Is War wieder wütend werden, ohne künstlich zu sein, die Punkwurzeln ihres Genres ausloten und für sich wieder eine Relevanz beanspruchen, die zuvor zu viel Orientierungslosigkeit produzierte. Dass sie das Spiel von Knüppelrock und Melodie beherrschen wie zuletzt die bereits erwähnten At The Drive-in, macht die Sache umso schöner. Viele Songs erinnern an "Chanbara" oder "Cosmonaut" in ihrer Dringlichkeit, aber nie als Zitat, sondern als Statement mit Stil. Hardcore und Punk mussten eh nie ironisch werden, sie haben die Dekonstruktion ohnehin erfunden und musikalisch übersetzt. "Fever Hunting" ist ein weiteres Beispiel dafür, dass diese Musik immer wieder zeitlose Präsenz entfachen kann, wenn sie will. Wenn am Ende alle im Ascheregen stehen und die Dinge klarer sind, dann klingt im Kopf alles nach dieser Platte, die nicht ganz zu Unrecht eine Speerspitze auf dem Cover trägt. Und deutlicher kann man eine Band wie Modern Lfe Is War nun wirklich nicht allegorisieren.
Montag, 16. Dezember 2013
Die wichtigsten Alben 2013 #39: MGMT -MGMT
Und jetzt eure selbstbetitelte Platte. "MGMT". Da lache ich doch, die klingt ja ewig gestrig und so sauschlecht produziert, dass ich erst dachte, meine Boxen sind kaputt, und dieses Lo-Fi-Gehabe lockt doch echt keinen mehr in den Begeisterungszwang, also echt. Eure komische Sci-Fi-Oper "Alien Days" gleich am Anfang, dieser Rumpelrhytmus, echt! Und diese komischen Instrumente überall, diese altbackenen Effekte wie auf "Mystery Disease", denkt ihr echt, ihr seid Syd Barrett mal Zwei, oder wie? Und echt? Querflöte? Ich schlaf gleich ein bei diesen ermüdenden Wortspielen wie "I love you too, death", haha, i get it, wirklich. Alles nur ein Gag, ein Witz, was zum Lachen und zum Spaß haben und wer nimmt euch denn eh ernst, wer legt denn eure Platten auf und sagt: "Herhören, Kids (jaja!), so klingt echte Musik, nämlich wie damals, und nicht so wie heute, auch wenn die von heute ist und so, aber egal!" Und die Kinder lachen und haben Spaß und rufen "Nochmal! Nochmal Cool Song No. 2!" und malen Regenbogen mit Fingerfarben und hauen wie verrückt auf ihre Casio-Kinderkeyboards und jetzt macht alles wieder Sinn, denn echt mal, wie sinnlos kann eine Band denn noch werden? Danke dafür.
Dienstag, 10. Dezember 2013
Die wichtigsten Alben 2013 #40: Shout Out Louds - Optica
Wenn jetzt und hier also vob mir behauptet wird, "Optica" der schwedischen Indiepopkönner Shout Out Louds gehöre zu den 50 wichtigsten Alben dieses Jahres, dann ist dies: Nichts von alledem.
Das liegt vor allem daran, dass a) die Platte nun wirklich niemandem weh tut, b) niemand sich ernsthaft gegen diese Band und ihre Musik stellen wird, so allgemeingefällig wie sie ist und c) "Optica" eine Teflonproduktion ersten Ranges ist, da bleibt nix dran hängen, glänzt alles und ist haltbar ohne Ende.
Der einzige Vorwurf, den man der Band machen kann ist: Die Shout Out Louds sind The Cure. Wirklich! Wenn das denn überhaupt ein Vorwurf ist. Das hat sich ja schon lange angekündigt, aber gerade "Optica" klingt streckenweise so nach "Disintegration" oder "Kiss me, kiss me, kiss me", dass es unheimlich ist. Aber das macht es ja nicht schlecht, nur gespenstig. Retromania, sei mein Gast.
Abgesehen davon liefert "Optica" nicht mehr den Kindergeburtstagsrock der ersten Platten oder den Blumenwiesenpop der ganzen Hitriege dieser Band. Dafür gibt es Halleffekte, Stücke über der Fünfminutenmarke, abgespacte Videos und eine aalglatt perfekte Produktion, kein Ausrutscher nirgends, da sitzt alles wie eine Out-Of-Bed-Frisur, für die du 30 Minuten vor dem Spiegel gebraucht hast. Ist das nun wichtig? Ist das nun relevant? Ist das nun auch ansatzweise interessant? Es ist auf jeden Fall eines: Ganz ganz großer Pop. Und das, mal ehrlich, ist doch immer zu gebrauchen.
Samstag, 7. Dezember 2013
Ansage #4: Adel
Wie schlau war es eigentlich von Adel Tawil, mit "Lieder" das gesamte Formatradio in einem Song zu verpacken, nur um dieses komprimierte Formatradio im Formatradio zu platzieren? Sozusagen "Das Beste der 80er, 90er und von Heute" als Inception? Das ist ja fast schon subversiv.
Donnerstag, 5. Dezember 2013
Zeitungsfriedhof Folge 2: Abfall
Es ist dieses befreiende Gefühl des Aussortierens, des Sich-Entledigens von Erledigtem, diese Schwerelosigkeit nach vollendeten Taten, wenn ich es schaffe, Zeitungen wegzuwerfen. In den Müll mit irgendwann ganz analogem Rechtsklick und auf "Endgültig leeren". Durchatmen. Leer sein. Neues aufnehmen können, aber erst bald, nicht jetzt, nicht sofort.
Der Kairos der Nachrichten im Verhältnis dazu, wann ich bereit bin, sie zu empfangen und, später, mich ihnen zu entledigen, steht ja nicht immer im guten Verhältnis zur Realität. Die Zeitung kommt ja aus einer, wie Nietzsche sagen würde, "Nothwendigkeit", aber tempus fugit, die ungelesenen Papiere aber nicht.
Gerade zum Beispiel warf ich schon meinen zweiten Politikteil am Tag weg. Ich war also ungemeim müllproduktiv, wenn man so will. Das fiel mir leicht, denn ich habe diszipliniert sortiert, was mich da an Artikeln interessiert oder auch, so ist das eben, was ich doch mal wissen müsste, wo ich etwas in Artikeln neu erschlossen bekomme, was in Moçambique zum Beispiel grade los ist oder die Rechtslage zur Prostitution, vor der man gerade kaum entkommen kann (der Meyer/Schwarzer-Komplex), und jedenfalls habe ich sortiert, selektiert, mich informiert, lektoriert und dann abserviert, und es war toll!
Ich kann es nur jedem empfehlen, eine Zeitung wegzuschmeißen. Durchblättern mit Bestimmtheit, genau scannen, wie so ein Algorithmus, sortierensortierensortieten, ein wenig lesen (nicht zu viel!) und dann weg damit!
Man erkennt sich und seine Neigungen dann auch sehr schnell, diese Gnosis te auton sollte man sich von Herzen gönnen, dieses absolut subjektive Weltverhältnis, das einem oft als so egoman oder autistisch gespiegelt wird, einfach machen und genießen! Ich werde gleich noch mehr Rubriken entsorgen, die ich nicht brauche: Finanzen, Reisen, Stellen, Essen und so ein Zeug, tschüß! Und schlecht muss man sich ja auch nicht fühlen, denn wenn eines gewiss ist in dieser Weltrisikogesellschaft, dann doch wohl dies: Die nächste Zeitung kommt bestimmt. Panta rhei.
Ansage #3: In Serie
Und da wünscht man sich doch, dass ab jetzt nur noch über Dinge als Serie, diesem mächtigsten aller Paradigmen im neuen Jahrtausend, berichtet wird, damit diese nölige Autoritätsfixierung personalisierter Portraits irgendwann mal aufhört, damit man endlich auch wieder etwas mehr zu sagen hat als "Macht, Macht, Macht" und so, denn davon handelt die Serie "Alexander Dobrindt" doch, dass Macht nichts ist, was man hat, sondern was man macht - bis zu dem Punkt, dass man glaubt, Macht und Machen seien etymologisch enger verbunden als bisher geahnt. Und wer möchte nicht "Peer Steinbrück", "Volker Bouffier", "Cem Özdemir" oder "Petra Pau" oder die "Mad Men"-Varianten wie "Willy Brandt", "Walter Scheel" oder, natürlich, "Franz-Josef Strauß" gucken, diese Genresprengenden Retter nicht nur der TV-Ideenwelt, sondern auch des Politjournalismus? Und das jetzt, wo das goldene Zeitalter der US-Serien langsam versiegt braucht es doch neuen Stoff zum Bingevieweing - oder auch mal des Bingereading.
Die wichtigsten Alben 2013 # 41: Thundercat - Apocalypse
Na jedenfalls ist aber auch alles im Subgenre und für das Auskennerprogramm schon so weit, mit ständigen R&B-Referenzen beschmissen zu werden. Und "Apocalypse" von Thundercat, den man vorher eher als Flying Lotus Spezi kannte, ist da keine Ausnahme. Wenngleich Thundercat hier eher die Klassiker zitiert (auf dem Cover sieht der gute Mann aus wie eine Greaser-Version von Isaac Hayes) und in ein arty produziertes Elektroalbum reinpresst. Nichts also, was Daft Punk nicht auch irgendwie machen können, nur halt so ganz anders (und sicherlich auch nicht mit dem Glamour von Blood Orange). Und auch die Kooperationen mit Flying Lotus und seiner Idee von Sci-Fi-Jazzfunk merkt man dem Songwriting und dem Sound auf "Apocalypse" mehr als an (besagter FlyLo hat natürlich auch seine Finger an den Reglern" gehabt, wie man so gerne daherphrasiert). Und allein deshalb kann man "Apocalypse" überhaupt nicht böse sein, mit seinen Synthiebässen, Prince-Keyboards und dem geschmeidig verhallten Gesang über, klar, love und Konsorten. Das ist alles Reich an Ideen, an Varianten und Spielarten moderner Ideen der Rhytmusbluesjazzfunksoulpop-Geschichte mit Retrotouch und Futuresounds und allem drum und dran. Nich umsonst werden viele Psychedelic-Sci-Fi-Filme zitiert wie "Tron", "The Life Acquatic" (jaja, das ist Sci-Fi imho), "Enter the Void" oder "Evangelion" - ganz zu schweigen vom Weltuntergang im Titel. Der Sound löst ein, was das Programm verspricht, und so wirkt "Apocalypse" wie gutes Brainfood und gleichzeitig esoterisch wie der Mondkalender im Schrank meiner Mutter, lässig und verkopft zugleich, organisch, technisch, intelligent und ein bisschen dirty wenn es sein muss. Das macht es zwar langweilig, darüber zu schreiben, aber auf gar keinen Fall langweilig zu hören. Besonders dann, wenn mit "Heartbreaks+Setbacks" eigentlich einer der größten Hits des Jahres wie aus dem Nichts herausgeschossen kommt um wie ein guter Traum dann zu verschwinden. Hat keiner gemerkt, war aber fantastisch.
Mittwoch, 4. Dezember 2013
Die wichtigsten Alben 2013 #42: Kollegah & Farid Bang - Jung, brutal, gutaussehend 2
Später eine Szene auf dem Schulweg und die Ansage an die kleinen Jungs mit Tornister und dem Traum vom Fame im Game: "Zieh deinen Ranzen aus, wenn ich mit dir Rede."
Das ist "Doitschrap" in der Gangstervariante 2013, und wer sollte den besser verteidigen als Hessen und NRW, jetzt, wo Berlin nur noch ein Zitat, ein Klischee, ja ein Witz geworden ist, von Bambi bis TV Total, von Buddy Ogün bis Carolin Kebekus. Und Witze, die kann und soll man jawohl nicht ernst nehmen.
Das wissen auch Kollegah und Farid Bang und reißen auf "JBG 2" eine Provinzposse aus der Hölle, zwischen Schulhofprank und Gangsterdrama, Fitnesstudio und U-Haft für den Lebenslauf. Und das alles als echte Gags zu bringen, ohne mit der Wimper zu zucken, die Ironie so fein zu verstecken und nicht im Zynikerwald dir den Baumstamm auf den Kopf zu knallen (wie z. B. KIZ es trademarkmäßig machen), das muss man erstmal mit Arsch in der Hose machen. Sonst verkommen Lines wie "Wir kommen aus Nordrhein-Westfalen in dein' Ort reingefahren" nur zur Blamage und zur holprigsten Raplyrik seit der Erfindung des JuZe-Rap. Aber auf "JBG 2" wird es eben nicht lächerlich, sondern ein Punch folgt dem anderen, eine Line nach der nächsten. Koks war gestern, heute wird sich auf "Steroidrap" aufgepumpt.
Die Themen, klar, sind auch hier der reinste Hohn. Auf alle, vor allem auf die anderen. Die Beats sind natürlich wieder wie durch den Kompressor und Hexler gedrehte Actionfilme, sicher. Und der Humor ist wie Nieveau am Bungee-Seil. Und gerade deshalb, und weil sie alles so perfekt bis ins Detail handlen, haben Kollegah, Farid Bang und "JBG 2" in 2013 das letzte Wort in Sachen Gangster Rap aus "Doitschländ". Faust drauf.
Sonntag, 1. Dezember 2013
Die wichtigsten Alben 2013 #43: Cut Copy - Free Your Mind
Die Dauerwelle, ALF und E.T., die Clap statt Snares, der Zauberwürfel: Die Achtziger, ey. Genau das fällt mir so spontan und unoriginell zur neuen Cut Copy Platte "Free Your Mind" ein, die auch irgendwie den Neo-Hippie-Kram der späten Achtziger und frühen Neunziger aufgreift und alles in regenbogenfarben und Batik eintaucht, denn die Achtziger waren schon sehr retrofixiert, und Cut Copy sind eine retrofixiert retrofixierte Band, und das ist ja nun mal wirklich nichts Neues und auch nun mal wirklich nichts Schlimmes, wie uns die Fortschrittsdiktatoren um Simon Reynolds immer einreden wollen.
Und Cut Copy sind eine dieser komischen Fame-Bands, die Down Under voll riesig sind und Stadien füllen, die hier aber eher was für "Intro"-Leser sind, also Auskenner zum Nulltarif. Macht nichts, denn Cut Copy nehmen ja viele Fäden wieder auf, die von Bands wie New Order liegen gelassen wurden, und mixen da ihre eigene Version von LSD-House mit rein, und das ist immer und immer wieder sympathisch, catchy, witzig, fancy dancy und auch ein bisschen arty farty, aber nur auf diese ironische Art, wo das ja nochmal gut geht. Und irgendwie denke ich immer, alle kennen Cut Copy wegen irgendeines Werbespots, was ich jetzt einfach mal so stehen lasse, ohne das nachzugoogeln (wahrscheinlich mit "Take me over").
Bisher haben die Jungs immer schön abgeliefert, was man zum mitklatschen in skinny Jeans auf dem Tanzflur brauchte, besonders "In Ghost Colors" von 2008 ist in meinen Augen ein Meisterwerk des Dance Pop geworden, der Nachfolger "Zonoscope" war auch toll und als Nachfolger auch würdig. "Free Your Mind" ist zwar gerade erst draußen, aber der erste Eindruck ist doch irgendwie ernüchternd gewesen. Klar, da sind sie immer noch, die Hooks, Lines, die Claps und der Witz, dieses unbedingt Popgewollte und Hitgemachte, aber die Produktion, die Instrumentierung und das Songwriting ist dieses mal so dermaßen in your face billig gemacht, das alles riecht nach Plastik, aber nicht verbranntem, sondern ganz frisch und aus der Folie gewickelt, es riecht also nach den Achtzigern, dem Plastikjahrzehnt avant la lettre, und das ist ja auch nicht schlimm, das kennt man schon, und man gewöhnt sich daran, auch an das betont augenkrebsige Artwork, das wieder Hippietum und Geht-Ja-Gar-Nicht-Ästhetik Marke Zauberwürfel zusammenmischt, was ja okay ist, aber es fehlt doch im Gegensatz zu allen Vorgängerplatten das subtile und auch immer wieder, entschuldigung: modern übersetzte im Soundentwurf, im Songwriting, es fehlt der Twist in die Eigenständigkeit, die sich diese Band zuvor so hervorragend erarbeitet hat. Manchmal kommt es noch durch, wie in "We are Explorers", das echt lustige Ideen hat, und "Footsteps" ist ein echter Hit, der die House-Sounds der letzten 35 Jahre ineinander mischt, und so einen Quatsch wie "Mantra" muss man erstmal bringen. Aber insgesamt bleibt doch der Eindruck einer sich wenig freistrampelnden Band zurück, die älter wirkt, als sie muss, und die ihren eigenen Sound auf die uneigentlichen Elemente zu reduzieren beginnt. Dennoch ist "Free Your Mind" auch wieder stringent in allem, was es anfasst und rüberbringt und auch 2013 noch so merkwürdig zeitgemäß unzeitgemäß, dass es in seiner "Ein Schritt vor, zwei Schritte zurück"-Ideenwelt sich am Ende doch zusammensetzt wie ein, äh, Zauberwürfel. Auch wenn es ein paar Durchgänge braucht.