Dienstag, 30. September 2014

Gut gealtert - Schlecht gealtert #4

Gut gealtert

Arthur Conan Doyle - "Lost World"

Schlecht gealtert

Various Artists - "Godzilla"

Sonntag, 28. September 2014

Gut gealtert - Schlecht gealtert #3

Gut gealtert

- Aristoteles

Schlecht gealtert

- Habermas

Gut gealtert - Schlecht gealtert #2

Gut gealtert

- FIFA '96

Schlecht gealtert

- FIFA 2001

Gut gealtert - Schlecht gealtert #1

Gut gealtert:

- Beastie Boys "Hello Nasty" (Die Sample Explosion macht immernoch staunen und der srylishe Comicrap war noch nie zukunftsweisender in seinem Ernst als hier)

Schlecht gealtert:

- Star Wars Special Editions (Nicht nur, dass wir zu diesen immerfort gezwungen werden, aber auch das vermeintlich fortschrittliche CGI Verfahren setzt schneller Staub an als unser Dreamcast damals. Kein wunder, dass das zukünftige Star Wars mit den Mitteln des gut gealterten alten Star Wars gedreht wird)

Sonntag, 6. Juli 2014

Ansage #7: Monster

Als wir uns hier vor langer langer Zeit einmal wieder einig ob eines Themas, aber uneinig über dessen Qualität waren, in diesem Fall aktuelle "Monsterfilme", stand die Frage im Raum, ob "Monsterfilme" und wenn ja, welche und vor allem: Wie aktuell ist denn soetwas? Da hilft meist nur ein Blick auf das Oevre des vielleicht besten Autoren für diese Fragen aller Zeiten, den leider viel zu früh verstorbenen Michael Crichton. Denn sowohl in "Jurassic Park" (genial als "Dino Park" übersetzt) als auch in "Prey" hat Crichton, um nur wenige Beispiele zu nennen, die Dimensionen des Monströsen ausgelotet. Monströs insofern, als natürlich, wie in "Jurassic Park", die kleinen Monster der geklonten Gene die großen Monster der ausgestorbenen Vergangenheit gebären als auch, wie in "Prey", die großen Monster der Konzerne und Labore die kleinen Monster der Nanobots (die sich zu jeder Art Monströsität umformen können, je nach Bedarf) hervorbringen. Welche Monster sind also zeitgemäß? Die stampfenden Dinos, die ja nur ein Haufen Klonzellen waren, die im Zweifel ganze Ziegen verspeisen? Oder die Informationsmonster mikroskopischster Maschinen? Crichton sagt: Beides, denn das Eine ist ohne das Andere ja gar nicht drin.
Und er hat Recht. Wenn wir nun also darüber sprachen, ob der meiner Meinung nach doch eher underwhelming "Godzilla" von Gareth Edwards oder das Cartoonrevival in Guillermo del Toros "Pacific Rim" zeitgemäß war oder ob dies archaische Archetypen vergangener Zeiten waren, denn neuer Horror sehe aus wie in Wally Pfisters "Transcendence" (der vom Plot her mehr so 80s, also Retro war und überhaupt wenn dann eher ein Daniel Suarez Rip-off, aber das nur so nebenbei angesagt), der Informationshorror, dann verfehlt das den Punkt meilenweit.
Wir haben einige Monster in letzter Zeit erlebt, die mehr oder minder schlaue Kulturanalytiker für Embleme unserer Zeit gehalten haben: Vampire, Zombies, Werwölfe, jetzt meinetwegen sogar wieder Frankenstein und Mad Scientists, sogar die gute alte Alien Invasion war wieder mit dabei und in jedem Transformers-Film in ihrer Redundanz hervorragend zyklisiert (allein, dass Michael Bay sich selbst und sein stock footage permanent recyclet ist doch ein herrlicher filmischer Kommentar zur absurden Forderung nach permanenter Originalität, aber auch das nur so nebenher angesagt). Nun also die großen Monster, jetzt auch mit dem Fachterminus Kaiju versehen. Die Frage stellt sich gar nicht, ob diese Monster in unsere Zeit überhaupt passen, sie sind ja da, dort auf der Leinwand, in den Box Sets und den Sonntagnachmittagen auf Kabel 1, in den Comicheften und den Animes. Zu fragen, ob wir nicht nur noch verkabelte und untote Monster akzeptieren wollen, ist schlicht ignorant, denn wer die Filme gesehen hat, der müsste auch bemerkt haben, was das Monströse an diesen Monstern ist - und das sie sich mit den Untoten teilen: Dass sie eben nicht aus dieser Zeit stammen, hier aber alles kaputt machen wollen, was zu ihr gehört. Sie sind nunmal Heimsuchungen aus der Vergangengheit. Meist sogar aus einer Vergangenheit, die wir alle gar nicht kannten, die irgendwo im Archiv der Erdschichten vergraben war und nun umso mächtiger zurückzuschlagen droht. It's Evolution, Baby!
Was wir also erleben, ist das absolute Archivmonster, der Horror der Archäologie, den niemand so griffig gezeichnet hat wie H. P. Lovecraft, nämlich die Vorstellung, dass die geheime, uralte Geschichte, die wir gar nicht kannten, uns in Zukunft vernichten wird, dass sie aus dem Innersten unseres Planeten, den dunkelsten Ecken unseres Himmels uns heimsuchen wird und dass unsere Zeit damit zuende ist, wenn wir erkennen, dass es gar nicht unsere Zeit gewesen ist.
Dass "Pacific Rim", "Godzilla" und andere Widergänger dieses Horrors den Crichton-Twist krümmen, indem sie zeigen, wie der Mensch durch seine Monsterlabore, seine Monstermaschinen, seine Monsterkomplexe seinen monströsen Triumphzug fortsetzt, ist die bittere Pointe, an deren Ende vielleicht gar nichts anderes übrig bleibt, als die Selbstauslöschung des Humanen in Form der Technik zum absoluten Horror avant la lettre zu erheben, ist Stoff für eine andere Ansage. Dass aber die Monster in Form der Kaijus in unsere Zeit gehören wie die Monster der Labore und Maschinen, ist doch nur eine allzumenschliche, allzu zeitgemäße Betrachtung. Der Übermensch kommt mal wieder zu spät.

Donnerstag, 27. März 2014

Ansage #6: Zocken

Ich habe es bis zum Kabe-Artikel heute gar nicht gewusst, aber es stimmt: Die Krim-Krise bzw. deren Analyse bringt den guten alten Spielvergleich wieder hervor: Putin spielt Schach! Oder auch nicht, je nachdem.
In einem der wirklich besten Gespräche aller Zeiten (!), der Folge Nummer 29 von Frank Riegers und Fefes Podcast "Alternativlos", die dann auch noch grandioserweise Frank Schirrmacher als Special Guest Star hat, weist Rieger darauf hin, dass eine Erklärung der Strategien im Kalten Krieg auch sein könnte, dass auf russisch-sowjetischer Seite klassischerweise Schach gespielt wird, auf amerikanischer allerdings Poker und dass sich dies auch in den politisch-militärischen und daran angelehnten Vorgehensweisen spiegele. Da ist mir beim Joggen fast der Kopfhörer aus den Ohren geflogen und Schirrmacher ist auch gleich ganz baff von diesem Explanans, wobei ich eher dachte: Naja, das ist jetzt ja ein merkwürdig kultursubstantieller Vergleich, dessen Allegorisierung aber so tolle Schönheit besitzt, dass man ihn gerne annimmt.
Und jetzt das: Die Schachspieler sind zurück! Allerdings spielt der Westen laut Kaubes Zusammenfassung jetzt kein Poker mehr, sondern Monopoly. Gut, mag man da sagen, bei beidem geht es in erster Linie um Geld. Dass Monopoly jedoch auf dem Würfelprinzip beruht und im Grunde keinerlei Strategie benötigt, Poker aber vor allem, wie sagt man, nicht das Spiel, sondern den Gegner spielt, das marginalisiert den zockenden Westen aber ganz schön, während Kaube zu Recht darauf verweist, wie sehr der Schach-Vergleich den Politiker doch adelt, gilt das doch ebenso zu Recht als ein anspruchsvolles und radikales Spiel.
Überhaupt, die Spieltheorie wird jetzt wieder gezückt, wie im Kalten Krieg. Meisterstück dieser Wiederentdeckung ist der Artikel Tyler Cowens in der NYT. Im Grunde geht es darum zu berechnen, wie die nächsten Moves des Gegenüber aussehen und nach welchen Prämissen er dabei handeln wird. Cowen ist Ökonom und lustigerweise funktionieren die Investitionsmärkte nach diesem Prinzip, was den Monopoly-Vergleich irgendwie plausibler macht, wobei Poker eben plausibler ist, denn bei Monopoly weiß man einfach nicht, welches Risiko man eingeht und welches nicht, wenn die Würfel einen eh auf das Feld mit den drei Hotels schickt oder auf das Frei Parken. Ganz unsichere Kiste.
Sowohl Rieger als auch Kaube und Cowen unterschlagen aber, dass gerade der Think Tank der amerikanischen Nachkriegspsychologie, die Kybernetiker, gar nicht so sehr von Poker oder Konopoly oder Jenga oder Mensch Ärger Dich Nicht oder Federball fasziniert waren, sondern eben auch von Schach. Genau die Leute, die Truppenpsychologie und FLAK-Systeme gebaut haben, träumten von einem echten künstlichen Schachcomputer, sozusagen dem Opus Magnum künstlicher Intelligenz, der eben seinem Gegenüber immer einen bis fünf Schritte voraus sein sollte, der seinen Gegenüber studiert und variantenreich spielen kann. Genau die Wissenschaft also, die uns die Zockerei der Wall Street, die Massenpsychologie und das Internet in der Wurzel gebracht und umgekrempelt hat, wollte nichts von Poker wissen und auch nichts von Monopoly, sondern von Schach spielenden Maschinensystemen.
Kaube bringt den etwas ulkigen Vergleich mit der Schachspieler-Weltrangliste, dass sich darauf doch nun wirklich kaum noch Russen befänden, sondern Norweger, Ukrainer et al. Das ist natürlich am Punkt vorbei argumentiert, denn es geht ja nicht darum, wer wo die besten hat, sondern ob das Schachspiel nicht eine Mentalitätsfigur ist, die sich kulturell verankert. Nur, weil wir z.B. Olympiasieger im Curling sind (weß jetzt nicht ob das stimmt), sind wir ja auch keine Curlingspieler, so rein mental. Aber auch diese Kulturmentalitätsargumente sind irgendwie so unterkomplex, dass man mit ihnen am besten gar nicht argumentiert. So müsste man, um genau zu sein, auch eher Fragen, was Putin, Obama, Steinmeier oder Schirrmacher als Spieler gerne spielen. Und das ist doch eine tolle Story!
Man stelle sich einfach mal diesen Vergleich in ein paar Jahrzehnten vor: Wer spielte nicht alles Flappy Birds, Threes, Quizduell? Wer ist ein Volk von Siedler von Catan Spielern? Wessen Politik wird mal mit World of Warcraft beschrieben? Denn die enorme Zockesplosion auf dem Markt, der ja wirklich weltweit ist (so wie es sicher kein derart populäres Nationalspiel mehr gibt, dass man eine Kulturmentalität darunter subsumieren kann, die sich auf den Zockerstand von vor 200 Jahren beruft), führt doch über eine rasende Diversifizierung von Zockmentalitäten, die sich bestimmt nicht mehr auf ganze Gruppen, sicher aber auf Individuen übertragen lässt. Was zocken die Abgeordneten im Bundestag vor der und während einer Abstimmung? Was die Congressmen und -women, die Duma, die UN? Und was bedeutet es, wenn wir alle mit Super Mario Bros oder Counter Strike aufgewachsen sind? Was werden wir alle mal für Politiker, Strategen, Broker oder Anwälte? Was bedeutet es, dass mit Hanabi und Die Legenden von Andor gleich zwei kooperative Spiele zum Spiel des Jahres 2013 gewählt wurden? Minesweeper oder doch Tetris (letzteres angeblich ja auch extrem russischen Ursprungs und lag auch noch fast jedem Ur-Game Boy bei!)? Alles politisch hoch brisante Fragen, die wir auf jeden Fall klären müssen, wenn es wieder darum geht zu erklären, ob wie und warum wer was zu zocken hat - politisch oder militärisch.
So sieht analytisches Mikado aus.

Montag, 24. März 2014

Fluch oder Segen I: Dietmar Dath

Dietmar Dath - Fluch oder Segen? Wir finden: Eine sehr berechtigte Frage. Denn grundsätzlich müssen sich rechtmäßig so genannte "Vielschreiber" dem Vorwurf aussetzen, gleichzeitig "Wenigdenker" zu sein, so gesehen zum Beispiel bei Peter Sloterdijk oder im vertraulichen Gespräch mit Universitätsmitarbeitern. Wer so viel schreibt wie Dath begibt sich erstmal auf dünnes Eis: Nicht nur produziert er übermäßig Aussagen, die einem übel aufstoßen oder einen noch übler aufwühlen, schlimmsten falls mehr als gleichgültig sind, nein, auch muss der Verdacht ausgeräumt werden, dass jemand, der so viel schreibt letztlich nicht viel zu sagen hat, sonst müsste er nicht weiter und weiter schreiben, reden, schreiben und schreiben.
Bei Dietmar Dath kommt noch der etwas lustige, manchem gar furchtbar wähnende Zustand hinzu, dass Dath nicht nur ein Gedankenwerk produziert (zumindest scheint es erstmal so), sondern auch noch ein Genre Bender ist. Dath schreibt nicht nur Rosa-Luxemburg-Biographien, er schreibt auch Bildungsbürgersciencefiction, Manifeste und Konzertkritiken, DVD-Empfehlungen und allgemeine Reflexionen zu allgemeinen Themen, die Sie, ja genau Sie, so sicher nicht gesehen hätten. Kann also jemand all das ernsthaft meinen, betreiben, kann also überhaupt irgendjemand nachvollziehen, was Dietmar Dath dort macht? Und noch viel, viel wichtiger: Ist das nun Segen oder Fluch?
Wenn Soe sich also für Theorien interessieren, wenn sie gerne TV-Serien gucken und Popcorn mögen, wenn Sie bedauern, dass linke Politik so hinter ihren Möglichkiten steckt, wenn Sie sich als Politologe gerne mit Biologinnen unterhalten, Metallica mögen und sich fragen, was die Quantenphysik für Ihre Jugend leisten kann und konnte und wenn Sie alles, was "Pop" heißen kann für diskurswürdig halten und sich zwischen Spx und FAZ-Feuilleton genauso zuhause fühlen wie im Programm von Heyne und Suhrkamp, dann ist Dath ihr Mann. Ist er nicht? Pech für Sie!
Gehen wir einmal in medias res und lesen folgenden willkürlich ausgewählten Satz: "Sobald es um soziale Spielchen geht, kann man Lügen gar nicht lange aufrechterhalten, ohne sie zu glauben." Oder diesen: "Der Nährboden dieser Art Härte ist natürlich ein sozialer: Wer es weiß, kann gar nicht überhören, dass die Musiker der besten Metal-Bands aus einer Position heraus ihre Platten aufnehmen und Konzerte geben, welche davon ausgeht, dass es für diese Menschen zum Musikmachen nur die Alternativen einer blöden und langweiligen Erwerbsarbeit beziehungsweise der Dienstverpflichtung in der Armee gegeben hätte." Oder diesen aus "Die Abschaffung der Arten": "'Wieso', fragte die Libelle Philomena ihre liebste Freundin, die Fledermaus Izquierda, 'ist den Menschen eigentlich passiert, was ihnen passiert ist?'" Oder diesen aus dem mit Barbara Kirchner verfassten "Implex": "Je größer unter diesen Bedingungen die Reichweite derjenigen Wirtschaftsweise wird, die als alternativlos gilt, weil sie das Gros der warenförmigen Reichtümer hervorbringt, von denen tatsächlich alle leben, je mehr also die Welt der kapitalistischen Produktion und Distribution territorial, strukturell, dynamisch und historisch zusammenfällt mit der ersten wirklichen Weltgesellschaft, desto mehr Leute werden von diesem ebenso übermächtigen wie äußerst störanfälligen Umschlag ungeheurer Quantitäten zu neuen Gesellschaftsqualia in eine große Vergleichsmaschine gesaugt, die alle Unterschiede macht, von denen noch irgendwer weiß, und keinen mehr, den irgendwer begreift." Sehen Sie den Zusammenhang? Wenn nicht, dann müssen Sie diese sicher mal als Podiumsgespräch begonnene reine Zitatesammlung aus dem Bayrischen Rundfunk hören. Das sagt schon alles, nämlich, dass Dath einfach alles sagt, weil er es kann, weil er es einfach macht, weil es in sich stimmiger ist, als man denkt, wenn man denkt wie Dath, dass man eben auch Science-Fiction schreibt, wenn man sich durchaus für Science und Fiction interessiert, dass auch der linke Utopianismus danach die Fühler streckt, genau wie der absolute Kulturindustriefabrikant, genau wie der Smartphonehersteller und der Metal-Guitarrist, sie bauen, baeun, bauen künstliche, kunstvolle und stabile Gebäude des Fühlens, Handelns, Reflektierens, und wem das zu viel Spontiseminar wird, der kann sich über das Technobabbel genauso freuen wie über den süffisant eingewobenen Pop-Referenzialismus.
Die Frage ist dann eben, ob Dath sich nicht zu monadig verhält, obwohl er sich als Debattenkatalysator mit Weitblick generiert. Ob seine Multiplikationstexte, die kaum differenzieren, subtrahieren und dividieren, nicht letztlich ausgehölt werden und in sich zusammenfallen. Dass es also letztlich bei Dath zu viel und zu viel Dath gibt. Und ob es wünschenswert ist, dass die Debattenimpulse doch selten mainstreamfähig, eher randständig, aber doch immer wieder gewollt und forciert populär werden (aber für wen nur?). Und genau das ist die Frage nach Fluch oder Segen, nicht nur Dieatmar Daths für uns, sondern auch für sich, an sich.
Aber wir mögen Science Fiction. Wir mögen Gesellschaftstheorie. Wir mögen die vierte Staffel "Castle". Wir mögen Metallica, den Pop-Diskurs und wir mögen die Idee des Quantencomputing. Und weil Dath sich selten als Schnösel geben möchte, weil er sein Interesse an all diesem Quatsch und Wahnsinn und Spaß als genuin vorzubringen weiß, weil er eben schreibt, weil er anscheinend schreiben muss, weil die Science nie reicht und die Fiction auch nicht, weil Rosa Luxemburg und Hollywood, Lenin und Superman eben doch in einen Text, einen Kopf, einen Diskurs passen und irgendwie auch gehören, weil es eben doch toll ist, so unterschiedliche Sätze für unterschiedliche Köpfe mit unterschiedlichen Verdauungskompetenzen zu produzieren, die im Zweifel schillern und irrlichtern, die im besten Fall aufkratzen und kritisch erheitern, die immer irgendwie herausfordern und doch wärmen wollen und weil dies kein anderer gerade so macht, kann und will und muss wie Dietmar Dath, sagen wir hier beim Ansagenfeuilleton, ganz eindeutig: Segen!

Mittwoch, 12. März 2014

Die wichtigsten Alben 2013 #1: Sigur Rós - Kveikur

Das Musikjahr 2013 war weitestgehend unfair, zumindest, wenn man sich die ganzen Jahresbestenlisten anschaut, sozusagen die Konkurrenz zu uns hier beim Ansagenfeuilleton, die natürlich viel schneller, angesagter und quitschfiedeler war, aber wir sagen uns auch immer sowas wie "everything in its own time" und solche Kalendersprüche, was unsere Mütter, unsere Väter mal "Gut Ding will Weile haben" oder ähnlich nannten, aber das führt uns jetzt wieder weg von unserem eigentlichen Thema, nämlich dem unfairen Musikjahresrückblickdesaster von 2013: Alle, also so gut wie alle, haben "Kveikur" von Sigur Rós übersehen. Sicher, wir haben hier auch vieles übersehen oder vermeintlich nicht gewürdigt: Boards of Canada, Rhye, My Bloody Valentine, The Knife, Bill Calahan, David Bowie oder Janelle Monae haben es nicht in unsere Liste geschafft, aus jeweils eigenen Gründen versteht sich, oft nicht aus Prinzip (Ausnahme: My Bloody Valentine, diese Resterampe könnt ihr behalten). Aber dass sowohl beim NME, bei der Intro, dem amerikanischen Rolling Stone oder bei Pitchfork, um nur einige zu nennen, wurde "Kveikur" überhaupt in den Jahresrückblicken erwähnt. Selbst so zweifelhafte Portlae wie Laut.de platzierten lieber Unfug wie Robbie Williams oder Alligatoah in ihre Top 50 als "Kveikur" auch nur mit der Kneifzange anzufassen - so jedenfalls muss das uns vorkommen, hier beim Ansagenfeuilleton, die dieses Album zum #1 wichtigsten Album 2013 erklären. Und jetzt müssen wir uns auch aus Gründen der Hipness und des guten Geschmacks dafür verteidigen, argumentativ weit ausholen und tief in die Trickkiste der Überzeugunsarbeit greifen um zu erklären, warum das auch alles so gehört.
Ich zumindest habe meine eigene These dazu, warum "Kveikur" so glorreich verschwiegen wurde in den populären Jahresrückblicken. Denn diese sind in erster Linie doch irgendwie immer dem Neuheitswahn verschrieben. Der Fluch des Internets für den Musikjournalismus ist doch einheitlich die Angst, das Angesagte zu verpassen und gerade das Jahr im Rückblick nicht richtig gedeutet zu haben, weshalb sowohl sehr gute Comeback-Alben file under Nick Cave oder eben absolut konsensfähige Reifungsalben (wenn nicht gar absolut hinreißende Debüts, aber die Zeit ist gerade nicht) an die Spitzenpositionen gewählt werden. "Kveikur" ist nichts davon. Jedenfalls nicht auf den ersten Blick. Dazu kommt, dass Sigur Rós schon notorisch zu den Bands gehören, die in einer eigenen Liga spielen. Und diese Liga kann auch wirklich "Sigur Rós Liga" heißen, was sie sowohl vom Rest abhebt, als auch vergleichsweise unvergleichbar mit allem anderen macht. Aber letztlich stimmt das nicht, denn Sigur Rós sind keine Band, die nicht auf diesen Planeten gehört, sie sind auch keine Ausnahmeerscheinung in dem Sinne, dass man sie nicht mehr berücksichtigen muss, weil man sie nicht berücksichtigen kann. Sie sind nicht die Rolling Stones, deren Mojo schon ewig verschossen ist, denen man aber insgeheim trotzdem ein ihren Status wieder rechtmäßig zementierendes Werk zutraut. Sie sind auch nicht Radiohead, obwohl Radiohead fast Sigur Rós sind, allerdings wird bei jeder VÖ von Radiohead die Frage einer der ersten sein wird, wie plattendesjahresmäßig sie wohl ist - und das, obwohl Radiohead schon längst auch ihre eigene Liga haben, bei der es aber immer auch um den wohlverdienten Thron geht. Sigur Rós hingegen, die mit ähnlichen Mitteln agieren, wird immer die schlechte Sorte Esoterik unterstellt, die hart am Kitsch entlangschrammt und bei der man sich schnell die Hände schmutzig macht, lässt man sich zu sehr darauf ein. Was für ein fataler Fehler!
Denn selbst, wenn man auf das Island-Feen-Elfe-Trolle-Geysir-Vulkane-Folklore-Klischee nichts gibt oder sogar darauf hereinfällt, so sollte doch zumindest anerkannt werden, wie eigenständig, groß, ausdefiniert, variationsreich und trotzdem monadig der fast körperlose, aber immer bodenhaftende Sound von Sigur Rós ist, von der "Von"-Platte über "Takk" und "Hvarf/Heim" bis hin zu eben "Kveikur". Sigur Rós sind eine eigenen Referenzgröße, die zudem noch so Kiritikerlieblingsgenres wie Postrock gefrühstückt haben, um damit ganze Klanglandschaften zu bepflanzen und Songarchitekturen dem Babelturm gleich zu errichten. Das mag eben manchmal am Kitsch schrammen, ist aber trotzdem so durchdacht und durchfühlt wie sonstwas. Klar, wer auf Reduktion steht und Understatement, der findet das nur in kleinen Perlen verteilt. Aber Sigur Rós haben nie einen Hehl daraus gemacht, wer sie sind, woher sie kommen und was sie und wir von ihrer Musik erwarten und erwarten können. Insofern sind sie ehrlich wie der letzte vergessen Folkbarde aus den Sixties und im Grunde auch unprätentöser als alle Anti-Musiker überhaupt. Du kannst mit gezielter Überwältigung nichts anfangen? Du solltest sie aber verdammt nochmal respektieren, wenn sie auf dich zurollt wie ein perfektes Uhrwerk. Jeder einzelne Sigur Rós Song ist genau das.
Nun stellte sich auf "Valtarí" soetwas wie Langeweile ein, weil die Band zu sehr ins Sphärische und zu wenig ins Konkrete ging, obwohl der unaussprechlich betitelte Vorgänger zumindest in der ersten Hälfte genau diesen Bodenhaftungstwist vollzogen hat. Man kann nun der Band nicht vorwerfen, immer wieder zu überraschen, wenngleich mit den bekannten musikalischen Mitteln. Und "Kveikur" ist ein ähnlicher Twist: Ins düstere, Paranoide, Bedrohliche und Brummende. Und dass diese vermeintlich so vorhersehbare Band auch jetzt, lange nach ihrer Etablierung und lange nach ihren perfekten Alben wie "Takk" noch zu einer anderen Soundvariante in ihrem doch eigenen Kosmos in der Lage ist, der immer noch überwältigt, der immer noch berührt und durchschüttelt und auf den vollen Effekt mit vollem Erfolg aus ist, das ist etwas, was man keiner Band hoch genug anrechnen kann - und erst recht nicht Sigur Rós.
Da wäre der Opener "Brennisteinn", der schon so monströs wie eine Dampfwalze anrollt, ein Leviathan von einem Song, der auf seinem tiefergelegten Synthiebass unerbittlich in den Pophimmel reitet. Da wäre das auf seinen Geigen im 4/4-Takt galoppierende "Ísjaki", das glänzende "Stormur", das die Nacht zum Tag verwandelt, das herzergreifende "Rafstraumur" oder der Geistertanz in "Yfirborð", die alle im Klangkosmos dieser Band den Olymp erklimmen und absolute Höchstleistungen an kompositorischem Willen sind - auch jenseits der Sigur Rós Liga, nach der ohnehin jede dritte Band ihre Fühler ausstreckt, früher oder später. Absolutes Highlight und Wendepunkt im Musikzeitalter schlechthin ist der Titelsong "Kveikur", der so einzigartig wie unerwartet, einfach überrollend und sprachlos machend ist: Es knarzt, quietscht und brummt an allen Ecken und Enden, das Schlagzeug grollt wie eine Lawine und die Guitarrensaiten zereisst es nahezu. Was für ein Monstrum von Song, der einmal mehr beweist, wie viel dieser Band zuzutrauen ist, selbst wenn sie sich auf noch unbetretene Wege traut, wieviel Perfektion in diesem Koloss von Album steckt, das einen mit einer unglaublichen Selbstverständlich- und Leichtigkeit in ein Wechselbad der Gefühle, Genres und Ideen schmeißt, ohne je vergessen zu machen, wer hier die musikalischen Fäden führt. Soetwas von einer mittlerweile dreiköpfigen Band überhaupt in der Intensität und Konsequenz geliefert zu kommen, von einer Band, der viele ent- und die einige nahezu totgesagt haben, von der alle dachten, sie werde sich nun in ihren selbsterrichteten und -gefäligen Klangkosmos zurückziehen, ist schier unglaublich und ein Glücksfall für das Musikjahr 2013 wie für Musik generell - und mit sicherheit mehr als ein Grund, die unfairen und im Grunde ignoranten Jahresranglisten zu 2013 noch einmal stark zu überdenken.

Dienstag, 11. März 2014

Ansage #5: Irgendwie rechts

Wir hier beim Ansagenfeuilleton waren oder sind alle eine, zumindest für Leute wie Frank, fürchterliche Menschensorte: Abonnenten. Ja, wir geben es zu. Wir abonnieren Zeitungen und Zeitschriften. Weil wir gerne Sicherheit haben wollen in dem, was wir lesen. Weil wir Konstanten und Rituale in unserem Leben brauchen. Wir hegen Vorfreude auf das Kommende, aber zu viel Ungewissheit verunsichert uns. Wir sind natürlich langweilige Leser, das ist unbestritten. Aber wir setzen auch ein Statement, das vielleicht nicht mehr so seventiesmäßig war, als man noch klassenkämpferisch die Frankfurter Rundschau oder altehrwürdig mit der FAZ in den Hörsaal galoppierte. Aber wir interessieren uns immerhin für Serielles, dazu gehört nunmal auch das Periodische der Periodika.

Und was waren wir alle begeistert oder zumindest angetan von dem Relaunch des Freitag. Eine Community, ein Dialog mit den Lesern, sogar über Inhalte und ideologische Ausrichtung. Ich erinnere mich noch sehr gut an diese Grundsatzdebatten der Jahre 2008/2009 im Forum der Freitag-Community – Konsens: irgendwie links. Was immer das auch heißen sollte, so richtig hat das niemand verstanden. Und ja, wir alle waren oder sind auch Abonnenten des Freitag, das war einfach zu spannend, zu schick und zu lustig, um nicht regelmäßig nachzusehen, was dort irgendwie links abging, obwohl sich dann schnell eine Ermüdung eingestellt hat bei einer Emphase, die man auch Neues Deutschland "light" nennen könnte (nicht umsonst gab es da einige Mannschaftswechsel). Und als Jakob Augstein dann auch noch diese "Augstein und Blome" Sendung machen und auf dem Spiegel seine "Im Zweifel links" Kolumne als Anti-Fleischhauer ausbreiten durfte, da war es doch nur noch ein Gähnen, das ich für den Freitag (der mir auch zu unverschämt teuer wurde, just sayin') übrig hatte.

Jetzt war ich aber wieder kurz davor, mir eine Ausgabe zu kaufen. Warum? Nicht, weil ich mal wieder Lust gehabt hätte oder weil ich jetzt mehr Geld habe für so einen Spaß, sondern wirklich und echt wegen eines Titelthemas. Das hieß "Die Rechtsdenker" und hatte ein omahaftes Ausstellungsmuster mit Bildern von all unseren Lieblingsleuten: Matussek! Broder! Sarrazin! Schwarzer! Kelle? Und: Sloterdijk?[!??!?!?!?!]. Wahnsinn! So viel Ansagenmaterial auf einem Haufen, denn alles, was diese Leute eint, ist doch das Ansagenhafte (und da steckt ja nicht umsonst "sagenhaft" drin), ob man jetzt gut finden, was sie sagen oder nicht, das ist ja jetzt Ideologie, aber die Form, die die ist doch klar ansagerisch. Und dann auch noch eine Ansage über diese Ansagenmenschen! Fantastisch! Abgesehen von dem doch irgendwie Rätsel, was diese Ansager jetzt alle gemeinsam haben. Zumindest doch wohl dies: Sie seien irgendwie rechts.

Was für ein grandioser Aufmacher für eine Wochenzeitung, die sich als "irgendwie links" verstehen soll, will oder kann. Da ist sie so richtig bei sich angekommen, bei ihrer Antipode noch dazu, wie dialektisch! Und, wenn wir richtig achtgegeben haben, dann ist das ja auch irgendwie links.

Was mich dann erwartet hat, ist ein eher merkwürdiger Artikel darüber, wie sehr uns vielleicht die FDP fehlt und wie das Wort "Revolution" etymologisch korrekt herzuleiten und zu gebrauchen sei. Das hat mich eher verwirrt als begeistert, zumal ich doch wissen wollte, warum Broder und Sloterdijk ein und dasselbe Titelbild zieren. Gut, der gemeinsame Nenner "Springer" ist ja von Broder über Matussek bis Schwarzer und Sarrazin leicht zu spannen. Auch Ulf "Vanity Fair" Poschardt wird da reingeblendet. Und dann noch so Sätze wie dieser: „Ganz bewusst setzen die neuen Rechtsdenker auf Themen wie Deutschlands Rolle in Europa und der Welt, Schwule und Lesben oder das militärische Engagement der Bundeswehr im Ausland." Als täten das im Grunde nicht irgendwie alle bundesdeutschen Parteien. Aus sowas wurde ich nicht wirklich schlauer. Ganz fantastisch jedenfalls die Passage über Poschardt, der "konservative[s] DJ-tum" betreibe und (deshalb?) "der Oswald Spengler der konservativen Revolution" sei, wobei sich die Freitag-Redakteure da ein lustiges Entweder/Oder ausgedacht haben: "Fürchtet er [Poschardt] tatsächlich den Untergang des Abendlandes oder ist das alles für ihn am Ende auch nur Pop?" Ganz tolle Frage, ganz schwer nur zu beantworten, stilistisch aber zumal eine Rakete , metaphorisch ist das DJ-tum der Ideologien ja auch gar nicht mehr höher zu treiben und zu denken, wenn man sich das mal so richtig ausmalt.

Ganz großartig auch die Bedienungsanleitung für diese "Rechtsdenker", die eben nicht so "sexy" rüberkämen, wie sich die "Linke" das so wünschen würde, aber dann doch dieser Satz, grandios: "Aber es wäre fatal, wenn die Linke sich von den Feuilleton-Cowboys zum hemdsärmeligen Polit-Western herausfordern ließe und ihre Gegner ebenfalls im High-Noon-Stil bekämpfen würde." "Feuilleton-Cowboys" ist fast so wunderschön wie das konservative "DJ-tum", auch hier ist die Allegorie des High Noon einfach nur wunderbar treffend und so absolut sagenhaft, dass das Bild mehr Bände spricht als es der Text je könnte. Und dass all diese Cowboys so gefährlich seien, weil sie "schon längst" keine "journalistische Glaubwürdigkeit" mehr hätten, ist ein grandioser Schluss für einen metaphorisch überragenden Artikel, dessen Schlüsse immer mehr Sinn machen, je mehr man sich auf die Stilblüten einlässt.

Apropos Bilder: Es folgt dann auch noch eine grandiose Sammel- und Tauschaktion, wenn die Freitag-Redaktion im Anschluss ihre liebsten "Rechtsdenker" schön bebildert und mit kleinem Text vorstellt. Das erinnerte mich irgendwie an die alten Quartett-Spiele, die ja auch schon für geschmacklose Parodien wie das "Diktatoren-Quartett" oder "Epidemien-Quartett" herhalten mussten. Hätte man hier auch machen könne n ( So was wie http://www.theorycards.org.uk/). Und diese komprimierte Form zwingt alle zu ansagen. Matussek? "Eklig". Schwarzer? "Selbst ernannte Päpstin". Botho Strauß? "Ein Albtraum". Das Tollste: Hier komplettiert sich die Riege der "Rechtsdenker", die im Artikel ja nur etwas diffus waberte. Erstes Manko: Poschardt fehlt. Warum? Der war doch so schön im Artikel platziert, jetzt ist er aber raus, der "Oswald Spengler der konservativen Revolution". Dafür gibt es ein paar Neuzugänge. Botho Strauß zum Beispiel. Auch toll, dass hier jeder noch sein "Welcher Typ bist du?" Label bekommt: Strauß ist hier "Der Einsame", Matussek "Der Gläubige", Sarrazin überraschend "Das Role-Model", was schon verrückt ist und irgendwie auch sehr, sehr lustig. Unter den Neuzugängen auch: Peter "Der Zwangsdenker" Sloterdijk, der leider immer noch den hingeschluderten Artikel zur "Geschenk statt Zwangssteuer"-Idee aus der FAZ und den "Regeln für den Menschenpark"-Gag vorgehalten bekommt. Auch Harald "Der Wunderonkel" Martenstein ist dabei (wobei er nach Lektüre des Kurzportraits vielleicht doch besser und schulhoftauglicher "Das Opfer" hätte heißen müssen). Absoluter Favorit: Hans-Olaf "Der Hans-Olaf" Henkel. Besser kann man Hans-Olaf Henkel gar nicht labeln.

Nun aber zu den Defiziten dieses Aufmachers: Erstmal hat Sloterdijk da nichts zu suchen, das wirkt doch etwas reingezwungen. Und hat Frank Schirrmacher sich sehr geärgert, nicht dabei zu sein? Oder war er sehr froh? Warum hat ihn die Redaktion nicht einfach reingezwungen, Stoff genug aus den letzten 30 Jahren gäbe es doch. Und wenn schon Poschardt rausfliegt, wo sind denn die anderen "Pop"-Konservativen? Kracht? Stuckrad-Barre? Nichts! Da wäre mehr zu holen gewesen, wenn man nur wollte. Fleischhauer war ja auch nicht dabei, dabei schreibt der doch seit Jahren extra für einen Auftritt in diesem Aufmacher. Da scheint es doch etwas unfair, diese Leistung nicht zu würdigen. Und gab es nicht ein besseres parteipolitisches Beispiel aus selbsternannt konservativen Kreisen als Birgit Kelle?

So bleibt dann doch eher, dass der Artikel ein "dumpfes Gefühl" ausdrückt, das sich nicht so leicht an Gesichtern und Positionen festmachen lässt, wie die Bildergalerie suggeriert. Ging es denn darum, Diversität abzubilden? Oder konkrete Personen und Positionen zu benennen, an die man sich im Zweifel doch mal nachfragend wenden könnte? Aber vielleicht ist es halt so, wenn das Komplem ent zu "irgendwie links" dann eben "irgendwie rechts" ist, wenn es eben auch nichts anderes zu produzieren in der Lage ist, als das "irgendwie" geartete Gegenüber. Aber vielleicht reicht das ja auch, irgendwie.

Die wichtigsten Alben 2013 #2: Arcade Fire - Reflektor

Ich möchte diese späte Gelegenheiten mal für ein Statement nutzen: Ich hasse virales Marketing. Das mag ja vor einigen Jahren noch lustig gewesen sein, jetzt ist es doch nur ausgelutscht und prätentiös. Zum Beispiel, wenn sich Arcade Fire dazu herabschwingen, Monate vor dem Erscheinen ihres Albums an verschiedenen Orten in größeren Städten weltweit ihr "Reflektor"-Logo, diese Kreuzworträtselraute, hinsprayen zu lassen. Gut, da gehen dann unbescholtene Passanten vorbei und sehen das und denken "Aha" und gehen weiter. Haben die jetzt Lust, ein Arcade Fire Album zu kaufen? Zu googlen, woher dieses Gebilde denn kommt? Sind sie gespannt auf Musik? Nein? Wie denn auch! Und dann diese echt seventiesmäßige Stuntgag, dass die Band sich jetzt "The Reflektors" nennt, aber auch nur aus Spaß, und unter dem Namen sogenannte Secret Gigs spielt oder bei John Stuart auftreten, breit grinsend. Gut, die haben halt Spaß, schön für sie, aber was soll denn das alles? Eher durchgehen kann das "Here Comes The Night Time" Konzertvideo, das sich zwar unverschämt und auch manchmal etwas zu aufdringlich des Promi-Bonus bedient, aber doch irgendwie ein gutes Gefühl vermittelt, wo man auch etwas von dem Spaß abhaben kann, den Arcade Fire anscheinend gerade haben mit ihrer neuen Musik und Platte und Kampagne.
Der eigentliche Gag ist aber doch, wie wenig Arcade Fire diesen Schnickschnack brauchen. Nicht erst seit dem Grammy für "The Suburbs" liegen denen doch wirklich alle zu Füßen, die was mit Musik am Hut haben. Wen interessiert da, ob avid Bowie auf dem Titelstück im Background singt? Diese Band braucht doch wirklich nur sich selbst und besteht immerhin aus ordentlich vielen Kernmitgliedern und x-vielen Semi-Mitgliedern aus dem Montréal Pool um Broken Social Scene, Stars, Owen Pallett etc. Und wer "Reflektor" gehört hat, der braucht sich sowieso nur zu fragen, warum diese Band sich mehr und mehr auf das Name- und Facedropping befreundeter Kollegen verlässt. Weder Bono noch ettliche Saturday Night Live Alumni oder der Coppola-Clan  können dieser Band mit der astreinen weißen musikalischen Weste hinzufügen, was diese nicht schon selbst hinzugefügt hätten.
Und dann ist "Reflektor" auch komischerweise so kontrovers aufgenommen worden, dass gestandene Arcade Fire Altarbauer wie Karsten dieses Album nicht gut finden. Ich verstehe bis heute nicht, warum. Denn wenn eine Band ihren eigenen Sound immer wieder ausdefiniert hat, dann doch Arcade Fire. "Funeral" klingt weder wie "Neon Bible", noch klingen diese wie "The Suburbs", aber die Elemente, die tilmittel, aus denen das ganze Zusammengebraut ist, bleiben die gleichen: Pathos, Feingefühl für kompositorische Details, der Butler/Chassagne-Gesangsdualismus, die Streicher, die Guitarren, die Chöre, die große Geste und das verschachtelt Poetische. Und der "Jetzt ist irgendwie mehr Eelektro"-Vorwurf oder Punkt ist auch eher unsinn, spätestens seit "Sprawl II", einem Fanfavoriten vom "Suburbs"-Album, das in sich mehr Disco enthält als die gesamte "Reflektor"-Platte zusammen. Und das ist auch überhaupt der Punkt: Weder die James Murphisierung noch die Elektrifizierung der Band hat mit "Reflektor" eingesetzt, wie manche fürchteten. Auch der kompromittierende Ausverkauf oder Bling Bling blieb, zumindest musikalisch, aus. "Reflektor" ist ein wunderschönes, manchmal überbordendes und alles in allem hervorragend rundes Arcade Fire Album.Punkt. Und selbst, wenn der Titeltrack sich durch den Discosumpf stampft, selbst wenn "Porno" einen dümmlichen Titel mit billigen Presetsounds ableiert, so kriegen beide Tracks doch immer wieder die Kurve ins absolut Arcadefirehafte und Verzückende und sei es nur unter der etwas schwerer durchdringlichen Oberfläche zu finden. Auch die "Billie Jean"-Hommage "We Exist" ist kein Ausreißer, sondern ein Aufstapler auf dem bandeigenen Soundberg, genau wie die Schrammelorgien "Normal Person" und "Joan of Arc". Das Orpheus-und Eurydike-Diptychon "Awful Sound" und "It's Never Over" ist sogar ein absolutes Highlight im Bandschaffen. Gerade bei letzterem bahnt sich aus dem Hintergrund bollernd ein Song, eine Melodie, eine Komposition an, die dann in dem schier unglaublichen Riff und Rhytmus hineinrast, den du einfach nicht fassen kannst: groß, größer, Arcade Fire. Und mit "Afterlife" hat diese Band sogar einen der Übersongs des Jahres erschaffen, der endlich den Kreis zu "Dancing with Tears in my Eyes" mit der Ergänzung "like nobody is watchnig" schließt (was auch Great Gerwig in ihrem ganz wundervollen Auftritt bei den Youtube Awards umsetzt). "Reflektor" ist nicht nur ein weiterer Stein im Indie-Monument namens Arcade Fire, es ist sogar ein ganzer Gebirgszusatz, ein wind- und wetterfestes Monstrum an Musik, Ideenreichtum und Genialität, dass über alles Prätentiöse, was diese Band ja immer riskant im Schlepptau hatte, auch hier mit großer Freude wieder hinweg gesehen werden kann, ja es muss sogar regelgerecht abgeschafft gefordert werden! Denn auch, wenn Arcade Fire sicher niemandem mehr etwas beweisen müssen - mit "Reflektor" tun sie es trotzdem.

Mittwoch, 5. März 2014

Die wichtigsten Alben 2013 #3: Volcano Choir - Repave

Wir leben in komischen Zeiten. In Zeiten zum Beispiel, in denen ein Typ wie Justin Vernon so richtig durch die Decke gehen kann. Denn erinnern wir uns: Erst bringt der uns das Hipster-Holzfäller-Break-Up-Album schlechthin mit "For Emma, Forever Ago". Dann macht der tausend andere Bands auf und nudelt sich zwischen Kanye West, Autotune und Phil Collins hindurch, bis schließlich mit "Bon Iver, Bon Iver" das Über-Album des Stadionfolk herauskommt, nur, um dann immer komische Sachen im Internet zu erzählen mit einer Diktion und Grammatik, so dermaßen in einem Nullverhältnis zu seinem musikalischen Schaffen steht - im Gegensatz zum Beispiel eben zu Kanye West, der redet, wie er musiziert. "Bon Iver, Bon Iver" war vor einigen Jahren das Konsnsalbum des Jahres: Es hatte den hantologisch angehauchten körperlosen Sound, die emotionale Schwerkraft und genug Köpfchen in den Arrangements um wirklich jedem zu gefallen, der auch nur etwas auf seinen distinguierten und feinsinnigen Musikgeschmackt gibt. Umso komischer, dass "Repave" 2013 dann etwas unterging. Komisch aus mehreren Gründen, von denen aber diese hervorstechen: Erstens klingt "Repave" wie die noch zugänglichere, noch stadiontauglichere und euphorischere Variante von "Bon Iver, Bon Iver". Hier sind alle Mittel weiterhin vorhanden, die letztere Platte so groß machten, aber kompakter, kondensierter und geerdeter. Zudem war auch noch Vernon als Sänger mit an Bord, weshalb er zwar noch so oft betonen konnte, dass hier die Band Collections Of Collonies Of Bees (kein Wunder auch, dass die keiner kennt mit diesem Namen...) alles macht und er nur zum singen kommt: Volcano Choir liefern genauso ab wie Vernons Band Bon Iver es kann, auch wenn die Vorgängerplatte unter diesem Namen mit dem Namen "Unmap" doch eher nach unfertigen Skizzen und wenig Wille zur geraden Linie klang. "Repave" löst umso mehr ein, was "Unmap" hätte versprechen sollen, sogar auch das, was man von Bon Iver als nächstes erwartet hätte.
"Acetate", "Comrade", "Bygone", Dancepack" und "Almanac" sind dabei die absoluten Highlights eines experimentell interessierten Folkrock, wie eben nur aus Vernons Dunstkreis zu erwarten ist. Da überschlagen sich die Effekte, die Rhythmen brechen über die getragenen Passagen herein und am Ende steht immer mit ausgebreiteten Armen ein Finale vor dir, das einem die Schuhe auszieht, das überall die Lichter anzündet und Welten kollabieren lässt. Klar, auch hier sind die Naturasoziationen so zahlreich wie bei einer Sigur Ros Platte, arbiten beide Bands doch mit ähnlichen Mitteln, die zwischen Kunst und Naturalismus vermitteln. Aber das ist ja nicht verkehrt, das ist sogar sehr toll, hat eine absolut packeisdicke Atmosphäre abzuliefern un sprudelt immer wieder über seine eigenen Strände hinweg, das es nur schäumt. "Repave" ist ein Monument modernen Folkroks; ein vergessenes, häufig übersehenes zwar, dafür aber umso intensiver, eindringlicher und rauher, wie ein Tag auf stürmischer See - der ist nicht umsonst auch auf dem Albumcover zu sehen. Zeit also wieder mal auf Entdeckungsreise zu gehen.

Dienstag, 4. März 2014

Die wichtigsten Alben 2013 #4: Phoenix - Bankrupt

Phoenix, sowas wie die Newcomer des Jahres. Zumindest, wenn man den Festivalkommentator*innen dieser Welt glauben wollte, die auf einmal nicht mehr nur die Powerpopsensation aus Frankreich mit dem Sophia Coppolla Indie Feel Good Bonus, sondern die große Headliner Konsensband gesehen haben wollen. Nur komisch,d ass Eins Live noch immer lieber "Lisztomania" als "SOS in Bel-Air" spielt (wenngleich Eins Live sicher nicht Gradmesser der Coolness, aber des lokal begrenzten Konsens ist). Aber warum, das weiß nun wirklich keiner.
Mich hat damals, auch wenn Falk das nicht glaubt, die "Wolfgang Amadeus Phoenix" Platte richtig umgehauen. So super haben die noch nie gespielt, so druckvoll produziert und lässig gutgelaunt aber trotzdem catchy intelligent, der Heilige Gral des Pop sozusagen. Auch wenn "Alphabetical" zum Beispiel auch toll, aber etwas zu verschnarcht war, auch wenn "Long Distance Call" einer der unterschätztestens Popsongs aller Zeiten ist, "Wolfgang Amadeus Phoenix" war soetwas wie ein Reboot, ein Aufsteigen aus der Asche des Potentials ins Feuerwerk der Spielfreude. Und jetzt meckern alle über "Bankrupt" und wir hier beim Ansagenfeuilleton fragen uns ernsthaft, ob alle nicht eine totale Meise haben. Als sei "Bankrupt" nur wegen des verstärkten Synthie-Sounds nicht ebenbürtig knackig geraten. Als wäre auf einmal Geschwurbel King statt auf den Takt genau konstruierte Pop-Perlen. Aber das lässt sich angesichts von Brechern wie "Entertainment", "SOS in Bel-Air", "Chloroform" oder "Oblique City" überhaupt nicht halten, ganz im Gegenteil! Und auch das Titelstück, bei dem nun wirklich die Synthie-Lötkobeln durchdrehen, ist auch kein Kronzeuge der neuen Verkopft- und Verkrampftheit, sondern eher Monument eines Songwritings, das auch mal über sich selber lachen kann, wie es eben das beste Songwriting und die besten Menschen im Leben auch so können.
Und das ist ja überhaupt der Witz: Welche Band spielt denn ihre Nonchalance heute noch so gekonnt aus wie Phoenix? Und welcher Band gelingen so schwer erarbeitete Leichtigkeiten wie "Bourgeois", das durchaus vom Kopf durch den Magen in die Liebe geht, ohne über prätentiöse Ausfälle zu stolpern? Wer kann sich denn heute noch erlauben, so charmant und gewollt wie gekonnt Kinderchöre überklischeeisierte Asia-Melodien singen zu lassen? Und wer kreiert dabei noch im Handumdrehen die großen Popmomente eines auslaufenden und großartigen Musikjahres?
Und wer wundert sich dann denn bitte noch, dass Phoenix den Thron besteigen dürfen, den sie sich doch schon seit Ewigkeiten verdient haben?

Montag, 24. Februar 2014

Fluch oder Segen? Segen oder Fluch?

Als damals, so ungefähr vor zehn Jahren, wahrscheinlich sogar mehr, jedenfalls als damal die Bullyparade immer erfolgreicher wurde, als Bully gerade die Haare kurz trug und komischerweise den Konsenswitz der Bundesrepublik stellte, wie zuvor nur Loriot, Otto Waalkes und nach ihm Mario Barth, da gab es eine ganz wunderbare Rubrik mit den für die Bullyparade so typischen schlechten, flachen Witzen, die mit solch einer Inbrunst vorgetragen wurden, dass man sie doch wieder witzig finden musste (zumindest vorausgesetzt, man hat ein Herz für Nonsense). Diese Rubrik war "Yeti am Mittag", eine Mischung aus, zumindest vom Titel her, "Vera am Mittag" und öffentlich-rechtlicher Talkshow im Stil von Kerner. Nur eben ohne Kerner und mit dem Yeti, großartig gespielt von Rick Kavanian. Der Yeti hat sich dadurch ausgezeichnet, dass er erstens ziemlich scheiße aussah und zweitens sich auch so benommen hat, drittens allesauf unnachahmliche Weise "geil" fand (ob die Wochenshow mit der Rubrik "Christian Ehring findet's geil" sich davon hat inspirieren lassen, das wissen sicher nur abgebrühte Humorredakteure). Natürlich war auch Reinhold Messner mal zu Gast doer auch mal DJ Bobo mitsamt Doppelgänger.
Was aber das Beste an "Yeti am Mittag" war, das war das Gespür für die große Fragestellung. Denn jede Folge hatte grandiose Themen, die "Fluch oder Segen" hießen. Eine Sendung wie "Reinhold Messner - Fluch oder Segen", die würde ich mir sofort ansehen, so großartig ist diese Frage, die wirklich neben der kölschen Universalfrage "Wat soll dä Quatsch?" ein Garant für wirklich tiefgehende, absolut scharfe und gewinnbringende Diskussionen über die Dinge in der um um die Welt ist. Man sollte, ja man muss diese Frage öfter stellen, das zumindest ist unser Eindruck hier im Ansagenfeuilleton. Und sind wir mal ehrlich: Kaum eine Frage eignet sich doch mehr dazu, Ansagen zu provozieren, zu produzieren und zu exponieren. Die Freunde des manichäischen Weldbildes (und wer ist das nicht!) werden voll auf ihre Kosten kommen. Zumindest, wenn man sich an die Regeln dieses Spiels hält, das die Frage auszeichnet, die keine Grauzonen kennt. Wer zum Beispiel Kathrin Passigs und Sascha Lobos "Internet - Segen oder Fluch?" gelesen hat, der wird nicht um die Enntäuschung umhinkommen (Achtung: Spoiler), dass das Internet sowohl seine guten als auch seine Schlechten Seiten sowie das Potential zu (Achtung: Spoiler) noch mehr Gutem und noch mehr Schlechtem haben kann. Das ist so differenziert wie die Titelfrage Undifferenziertheit verlangt. Absolut: Fluch! Und da ist es auch egal, wierum man die Frage stellt, Fluch oder Segen, Segen oder Fluch (zumindest, wenn nicht ein Hirnforscher [Fluch!] bereits belegt hat, dass diese Frageformation schon biased ist).
Wie wichtig diese Frage ist [absolut: Segen!], das zeigt schon die Suchfragenverwandtschaft bei Google: Globalisierung, Handy, Gentechnik, Internet, Monsun, Facebook, Plastik [!] - Fluch oder Segen? Diese ganz großen Dinge, diese ganz großen Fragen sind es doch, die wir uns hier stellen müssen und stllen sollen, die viel zu selten gestellt werden. Deshalb werden wir diese Rubrik auch ab sofort in unser Programm aufnehmen. Ob als Fluch oder Segen für das Ansagenfeuilleton, das wird sich allerdings noch herausstellen.

Die wichtigsten Alben 2013 #5: Fuck Buttons - Slow Focus

Was machen eigentlich die Chemical Brothers? Achja, den Soundtrack zu "Hannah" (toller Film, super Soundtrack!). Und Norman Cook? Und die Propellerheads? Und das von der Intro für 2012 wegen Chase&Status und Konsorten ausgerufene Big Beat Revival? Und warum sollte das überhaup interessieren?
Gut, die Beats werden mit den heimischen  Reason-Produktionen auch immer bigger, die Bässe hängen so tief wie es die Anlagenendstufe nur zulässt oder der Kollege von den Tune Devils Cologne oder so. Und Skrillex ist jetzt sicher auch eine eingetragene Referenzmarke. Aber ob es sich dabei gleich um ein Big Beat Revival im Stile der Neunzuger handelt, das weiß ich nun wirklich nicht, wenngleich die hier genannten aktuellen Vertreter ähnlich eskalationsfreudig ihre Sample-Software bedienen. Der Unterschied für mich ist, dass Leute wie Skrillex oder Nero sich am Modus des Rave mit der Haltung des Metal oder altschulischen Rock bedienen, der Big Beat hingegen auch auf den Rave schielt aber die Haltung des Hip Hop einnimmt. Aber genug doziert und endlich auch mal was zu den Fuck Buttons sagen, dieser Band mit dem strunzdoofen Namen und den großartigen Musikideen.
Denn wenn "Slow Focus" eines ist, dann der würdigste Vertreter des Big Beat in den letzten 20 Jahren - wobei dieses Label natürlich wieder zu eng, zu ungerecht und, wie irgendwie fast jedes Label, zu langweilig ist, aber lassen wir das erstmal so. Wer sich einfach mal "The Red Wing" anhört - und sei es nur in der halb so langen Videoversion - der wird kaum umhinkommen, hier nicht den Wumms der Neunziger rauszuhören, die Vertracktheit des ´Hip Hop geschulten Beat Samplings und die hüftschwunglässige Attitüde des Tracks, der zu den besten gehört, was elektronische Tanzmusik letztes Jahr zu bieten hatte. Ich meine, wer da nicht Auto fahren und Geldscheine schmeißen möchte, dem ist doch auch nicht mehr zu helfen. Aber "Slow Focus" hat vor allem das Ideenarsenal, das sich in vielen Tracks des Vorgängers "Tarot Sport" besonders in Tracks wie "Olympians" oder "Surf Solar" aufgestaut hat: Dieser Überschuss an Sampleflächen, dieser unbedingte Wille, dem Track noch einen drau zu setzen, diese Nonchalance im Zersägen der eigenen Tonspuren und der Zwang zum Ekstatischen, der sich aus dieser Schichtung ergibt. Genau diese Merkmale sind es, welche die Fuck Buttons aus dem Einheitsbrei der Beatmusik herausragen lassen. Ich meine, wem nach "Brain Freeze" nicht schon der Kopf dröhnt nach diesem überbordenden Drumgesample, wer bei "Stalker" nicht innerlich oder tatsächlich abhebt oder bei "Hidden XS" nicht völlig ausflippt, der wird auch mit "Slow Focus" nicht viel angefangen, aber vielleicht die Kopfparty des Jahres verpasst haben. Und selbst die mehr oder weniger schrägen Interludes wie "Year of the Dog" oder "Prince's Price" (die hier natürlich alle die 4 Minuten Marke knacken, kurz ist halt relativ) sind so Sound- wie Ideenreich gehalten, dass sie das Album auch als soclhes zusammenhalten können wie Fugenkleber. Denn wenn bei dem Soundentwurf der Fuck Buttons eines passieren kann, dann dass alles unter der Smplinglast zusammenkracht. Aber gerade das passierte weder auf "Tarot Sport" noch auf "Slow Focus" - und das ist doch das eigentliche Wunder, dass es hier an allen Ecken und Enden zündet und knallt aber alles so stabil konstruiert ist, dass man auch morgen noch kraftvoll durchraven kann. Aber genug Wasser mitbringen, bite.

Donnerstag, 20. Februar 2014

Die wichtigsten Alben 2013 # 6: James Blake - Overgrown

Entschuldigung, aber jetzt wird es langweilig. Wirklich! Ich dachte ja, je näher wir hier den absoluten Highlights von 2013 kommen, desto interessanter wird es, aber ich habe mich wohl getäuscht, nicht nur im Geschmack dieses Feuilletons, nicht nur im Musikjournalismus überhaupt, der dieses Feuilleton und seine Ansagen immer noch fest im Griff hat, sondern auch in den Highlights. Denn was soll man noch groß zu den Top Acts des letztn Jahres sagen was nicht schon gesagt wurde? Jetzt halt James Blake, was fällt einem dazu noch ein außer die Wiederholung von Klischees (für manche ist ja genau das: Musikjournalismus)? Dieser Milchbubi aus London, dieser Erneuer des elektrischen Soul, dieser unverschämt talentierte und zwischen Arroganz, Understatement und Pomp changierende Musiker, der einfach nicht aufhören möchte allen zu beweisen, wie gut sein musikalischer Kopf funktioniert und wie traurig und wuschelig man dabei in die Welt gucken kann.
Die frühen Dubstep-Avancen auf R&S Records wie "Klavierwerke" (allein dieser prätentiöse Name!), die Kollaborationen mit Mount Kimbie mal dahingestellt: Das auch noch selbstbetitelte Debüt war doch die Konsensplatte für alle Spex-Leser, die mit schlechtem Gewissen aber großem Genuss zu Starbucks schlendern und in der Großstadt davon Reden mal wieder wandern zu gehen wegen Luft und so. Grauenvoll! Aber da kann ja die Musik nichts für, eigentlich, denn "James Blake" war vor allem: Ein Manifest der Großstadtseele mit den absolut therieaffinen und zeitgemäßesten Songs jenseits von Burial. Wie oft man in "I Never Learnt To Share" rausheulen konnte, dass man sich mit seinen Geschwistern nicht mehr versteht, aber das gewiss nicht deren Schuld sei, das war schon herzzerreißend, genau wie die Eskapaden auf "Wilhelm Scream" oder "I Mind", vom Feist-Cover "Limit to your Love" mal ganz geschwiegen.
Und was sollte "Overgrown" nichts anderes sein als die Fortführung, Krönung, Unterwerfung und Explosion dieses musikalischen Großtäters, der ein Geisteralbum mit Seele, ein Stadtalbum mit Herz und ein Soulalbum mit High Voltage aufgenommen hat? Und genau so ist es gekommen! Wie langweilig! Aber da müssen wir durch, denn "Overgrown" hat nichts anderes verdient als unsere Hochachtung. Denn man kann zwar meinen, Blake musiziere vom Kopf her, wage nur Experimente in einem sehr eng abgesteckten Rahmen und überhaupt sei viel zu weinerlich, aber boo-fuckin'-hoo, dann ist das eben so. Das soll uns hier doch egal sein, wenn so große Nummern wie das Titelstück dabei raus kommen, das sozusagen die Musicalversion von Alan Wisemans "Die Welt ohne uns" ist. Oder "I Am Sold", diesem tausendtränentief komponierten Wahnsinnsstück. Oder "Life Round Here", das sich am Ende in einen Acid-Zauberwürfel verwandelt und sich selbst ein Beinchen stellt. Von der RZA-Kollaoration "Take A Fall For Me" muss doch gar nicht mehr reden, oder? Wer heute noch über Beziehungen und Heiraten mit dem Wort "Poltergeist" rappen kann, der hat ohnehin graue Gewinnerzellen. "Retrograde" schließlich macht das Apokalypse-Feeling auf "Overgrown" komplett - "and your friends won't come". Das wird nuch noch härter durch den durchgeknallten Rise of the Machines Roboter in "Digital Lion" und den absolut creepy Housetrack "Voyeur", die beide keine Gefangenen machen wenn es um Biestigkeit und Selbstzerstörung geht.
Und das ist es auch, was "Overgrown" so unglaublich toll macht und dann doch wirklich niemals langweilig: Dass Blake sich immer öfter traut, seine fein abgestimmten Kompositionen eskalieren zu lassen, dass sie nicht enden, wie sie beginnen, also nicht vor sich hin schleichen und siechen, einen einlullen, sondern einen mit der Kontingenz konfrontieren, dass hier nichts ist und bleibt wie man denkt. Dass es dabei immer wieder um Vereinsamung, Verinselung und Vernichtung geht macht auch ein "Our Love Comes Back" am Ende nicht mehr wett, das nach all der Destruktion und dem zeitweisen Wahnsinn auch nicht mehrso recht tröstet. Man kann Blake weiterhin etwas eisiges Kalkül unterstellen. Aber sei es drum, denn "Overgrown" ist eine ganz große Komposition für das Jahr, in dem die Welt eigentlich den Roland Emmerich machen sollte. Solange Platten wie "Overgrown" noch Seelen fangen und brechen ist die Apokalypse aber in guten Händen.

Mittwoch, 19. Februar 2014

Die wichtigsten Alben 2013 #7: Queens of the Stone Age - ...like Clockwork

Drogen. Schlimm. Die machen ganz schön vieles kaputt, gelten aber irgendwie als total kreatives Ding. Die Rocker, die Hip Hopper, die DJs, da kannst du alle fragen. Josh Homme singt davon sogar ein Lied. Oder ein paar mehr. Dieses Mal heißt es vor allem "The Vampyre of Time and Memory" und ist natürlich etwas cheesy und direkt aber irgendwie auch ziemlich berührend. Denn man muss sich diese fats zwei Meter großen, Lebensgestählten und immer auch irgendwie abgefuckt abgeklärt wirkenden Typen vorstellen, wie er darum ringt, einfach mal ehrlich zu sein zu sich selbst. Das kann schnell nach hinten losgehen, hier aber trifft es. "...like Clockwork" ein "persönlich Album" zu nennen führt aber nicht unbedingt weiter.
Denn da ist erstmal die Gästeliste, die man nur mit viel Phantasie hört. Dave Grohl, war klar. Aber zum Beispiel Elton John? Wer "Fairweather Friend" dann gehört hat, kommt nie wieder dazu, nicht mehr Elton John darin zu hören, auch wenn es einem von alleine nie eingefallen wäre. Nick Olivieri ist auch wieder dabei. Schade, wenn man mich fragt. Denn ehrlich gesagt konnte ich mit diesem "Desert Sessions" Kram, der immer trocken rüberkommt wie ein Zwieback in der Wüste Gobi, nie wirklich etwas anfangen: Zu formelhaft, zu hüftsteif, zu angestaubt und zu wenig inspiriert war mir das. Und als dann "Era Vulgaris" rauskam, das erste und leider auch einzige Album der QOTSA ohne Olivieri, da war ich hellauf begeistert: So kaputt, so ab- und aufgedreht, so schräg und irre frei hab ich das Songwriting von Homme noch nie erlebt. Zwar sprach der Wahnsinn aus jeder Note auf diesem Album, alles war "Sick Sick Sick", aber warum nicht? Dass Homme anscheinend wirklich kaputt war und ist tut mir dabei natürlich wirklich leid.
"...like Clockwork" nun hat alles, was eine gute QOTSA-Platte braucht, vor allem aber vereint es vor allem die guten Seiten dieser Band. "Keep Your Eyes Peeled" legt gleich am Anfang die tonnenschweren Guitarren auf den Zug, der langsam und donnernd losbrettert. "I Sat By The Ocean" klingt erstmal wie "3's & 7's", dem doch konventionellsten Song auf "Era Vulgaris",macht aber ein paar Haken mehr und wird dadurch riesengroß, besonders am Ende. "My God is the Sun" schießt aus allen Rohren, während "Kalopsia" vom Delirium in die Paranoia driftet. Die Highlights sind für mich dann aber vor allem das schön aufgeladene "Smooth Sailing", das sich als Date entpuppt, bei dem du die Crazy Eyes erst bemekst, wenn es zu spät ist und das wirklich wunderschöne, todtraurige und hochdeprimierende Titelstück, das dieses Album nicht nur abshcließt und abrundet, sondern auch abheben lässt.
"...like Clockwork" ist nicht so aufregend, sexy und wendungsreich wie "Era Vulgaris", es hat vielleicht auch nicht den Drive von "Songs For the Deaf" und ihm fehlt auch zeitweise der Zynismus von "Rated R" (von "Lullabies to Paralyze" reden wir lieber nicht), also vieles, was man an dieser Band mögen könnte. Zumindest nie im Extrem wie es diese Alben alle für sich hatten. Dafür findet "...like Clockwork" die Balance zwischen all diesen Extremen, die QOTSA als Rockband repräsentieren, die sie vielleicht so groß gemacht haben aber doch irgendwann abstürzen lassen müssten. Dieses Album hat genug Größe und Substanz um gegenüber allen bisherigen Großtaten zu bestehen, selbst wenn man ihm die Last der Bandgeschichte anmerkt. Aber letztlich wird "...like Clockwork" am Ende das Konsensalbum dieser Band sein, das niemand wirklich ernsthaft schlecht finden kann, dem irgendetwas an traditionsbewusstem, ehrlichen und doch immer interessanten Rock gelegen ist. Und abgesehen davon, jetzt mal ehrlich: Plattencover, ach was, Plattenartwork des Jahres, oder?

Dienstag, 18. Februar 2014

Die wichtigsten Alben 2013 #8: Vampire Weekend - Modern Vampires of the City

Es geht doch: Lässig aussehen beim Belesen-Sein. Lustig klatschen und Pfeiffen beim Philosophieren. Mit den Augen zwinkern beim Fußnotensetzen. Vampire Weekend haben bewiesen, wie lässig akademisierte Zeichen und Gesten sein können. Lieder über Kommasetzung? Catchy! Ein Song über das Abhängen auf dem Campus? Groß! Das Leben von Diplomatensöhnen besingen? Aber Hallo! Dazu noch die Diskussion, ob Prep Look jetzt wieder geht und "irgendwie links" sein kann (was die "Der Freitag"-Community sicher jetzt noch diskutiert), aber das muss die vier Jungs von der Ostküste so dermaßen nicht kratzen, ob auf ihren Hemden Polo gespielt wird oder die Seglerschuhe verdächtig aussehen. Achj und natürlich: Paul Simon.
Und jetzt "Modern Vampires of the City" und ich dachte: Da kommt nichts mehr, was irgendwie überrascht. Der Sound der Band ist ausgefeilt, der Kosmos erforscht und abgesteckt und jetzt gibt es nur noch audefinition des bereits Bekannten. Aber denkste! Natürlich klingt "Modern Vampires of the City" noch unverkennbar nach Vampire Weekend, natürlich sind auch hier die bekannten Einflüsse zwischen 80s-Punk und World Music mit drin, selbst der Blues und ein bisschen später Michael Jackson und früher Elvis schauten um die Ecke. Aber so selbstständig klang diese Band bisher noch nicht, wohl auch dank dieser Unbeschwertheit, die "Vampire Weekend" und "Contra" schon so großartig machten, jetzt aber komplett freigedreht hat. Vielleicht war das brennende Auto im eher Gif als Clip zu "Diane Young" schon Vorbote für das Phoenix-Asche-Ding genauso wie das kurz darauf folgende Schampusvideo zum fantastischen Chipmunk-Overkill "Ya Hey": Lass es brennen und gieß den sSchampus drauf! Und so handelt "Modern Vampires of the City" alles in allem wieder von der Ostküste, vom Campus, vom Bücherregal, vom fernen Israel und dem Melting Pot USA, von der Plattensammlung der Eltern und dem Nichtwissen und Großmaulen der Twens. Und wie keine andere Band dieser Zeit bringen Vampire Weekend diese kleinen Existenzkrisen weißer Mittelständler mit so viel Lebensfreunde zusammen, dass sie wie die lachenden tragischen Menschen schlechthin erscheinen. Die Todessehnsucht und der letztgültige Kommentar zu Religionsideologien in "Unbelievers" oder "Worship You", der kontemplative Herzschmerz von "Step" oder "Everlasting Arms", die Lebenswut in "Ya Hey" und "Hannah Hunt" sowie der IMHO Übersong der Platte "Finger Back", in dem ein Mikrokosmos implodiert und die Spielfreude der Band explodiert, dann sind das alles Momente, auf denen "Modern Vampires of the City" wie ein Klassiker klingt, der schon längst auf den Plattentellern deiner Großeltern gedreht hat, auf den nicht wir, sondern der auf uns gewartet hat, der tief as der Musikgeschichte schöpft, als wäre es das Selbstverständlichste auf der ganzen Welt, als wäre diese Platte die Selbstverständlichste überhaupt. Das hatten "Vampire Weekend" und "Contra" in ihrem vorwärts gedachten und rückwärts zusammengesetzten Ideenreichtum in der Art noch nicht geschafft. Auf "Modern Vampires of the City" kann man einer Band an einem Punkt lauschen, an dem sie sich nicht mehr rechtfertigen, an dem sie nicht mehr nachdenken muss darüber, wer sie sein will und wie, sondern an dem scheinbar alles so leicht von der Hand geht aber trotzdem vorne und hinten genial konstruiert ist. Vampire Weekend sind hier auf der Höhe ihres Schaffens ohne den Eindruck zu erwecken, dass danach nichts mehr komme - ganz im Gegenteil: Jetzt ist alles möglich.

Sonntag, 16. Februar 2014

Die wichtigsten Alben 2013 #9: Gold Panda - Half of where you live

Als wir dieses Jahr auf dem "Haldern Pop" waren, das auch noch sein jubiläum feierte, da haben wir das Line Up nach echten Highlights abgesucht, die sich aber partout nicht einstellen wollten. Selbst bei Efterklan war am Ende nur eine gefühlte Handvoll Menschen, die sich dieser Konsensband zwischen Kunsthalle und Stadionpop hingeben wollten. Owen Pallett war da, das war großartig. Aber der Donnerstag, der Tag, bevor es eigentlich losgeht, der Tag, an dem die Haupbühne "Biergartenbühne" oder so ähnlich heißt, in jedem Fall aber so klingt, so schnell auf- wie abgebaut, so provisorisch, etwas hingerotzt, mit furchtbarem Sound, der hatte die Highlights, ach was sage ich: DAS Highlight des nicht mehr so geheimen Geheimtippfestivals schlechthin. Und zwar waren dies nicht die fantastischen We Were Promised Jetpacks, die tolle Julia Holter (mit der wir doch gerne noch ein Bier getrunken hätten nach diesem traumhaften Auftritt), auch nicht John Grant, der besser sprachen Lernt als konzise Musik zu schreiben, die mehr kann, als nach der closing time die letzten Säufer rauszuschmeißen. Nein, das Highlight hieß Gold Panda. Denn auch ein klassisches Singer/Songwriter-Festival wie das Haldern hat sich in den letzten Jahren immer mehr der elektronischen Musik geöffnet. das mag dem Karsten zwar nicht gefallen, ist aber nur konsequent und gut gedacht, so viel großartige Acts, wie es da gab und auch in den letzten Jahren am Niederrhein war: James Blake, Apparat, Delphic, meinetwegen auch die mir nie passenden Brandt Brauer Frick (gähn, oder?). Aber Gold Panda war ein wirkliches Schnäppchen, ein Diamant im Kohlenkeller des Bookings. Und das ganz einfach: Weil der Junge nur tolle Tracks hat, nur, von vorne bis hinten! Und: Weil er einen Sound hat, den du sofort erkennst. Und: Weil dieser Sound auch live zusammengebsatelt herrlichst funktioniert.
Manche fanden "Half of where you live" nicht gut. Ich weiß nicht, warum. Der vergleich mit dem Wahnsinns-Vorgänger "Lucky Shiner" führt für uns hier nicht dazu, die neue LP abzuwerten (und wie schwer es LPs in diesem Genre haben, ist ja hinlänglich bekannt), ganz im Gegenteil: Gerade wer Gold Panda dieses Jahr live erleben durfte hat gemerkt, wie homogen das Neue mit dem Alten zusammengeht. "Lucky Shiner" hatte den Übertrack "You", der wirklich ein Übertrack ist und bleibt. Und auch sonst zeichnet sich Gold Pandas Musik nicht nur durch das Trigger Happy Sampling aus, sondern auch durch die schönen, schnöden und, sorry, groovigen Beats aus, die rumpeln und klackern wie eine Seifenkiste, die Weltmusikeinflüsse, die die Musik zum Melting Pot machen, die Spielfreude in der Zusammensetzung und den positiven Vibe (beachtlich gerade für einen Typen, der in Interviews immer etwas griesgrämig rüberkommt wie Oskar aus der Mülltonne und Nepomuk aus Hallo Spencer zusammen). All das hat auch "Half of where you live", wenngleich die Kurve zum 4/4-Beat, zum House und Elektro nochmal etwas schärfer geschnitten wurde als auf "Lucky Shiner". Aber auch hier heißt es: Wichtig ist auf'm Platz und der ist überall zuhause. Allein "We Work Nights" oder "Brazil" sind so spaßig zusammengebaut, so gelenk danebengetaktet, so gutgelaunt verstrahlt und handverlesen, dass es eine reine Freude ist. Oder nimm "An English House", diese Teezeremonie auf Acid, das im Traum redende "Community" oder das sich fleißig und zielgerade in die Partynacht steigernde "Junk City II", hier sitzt alles so perfekt und glichzeitig so schön fremd, dass man nicht weiß, wo man mit dem Staunen anfangen und aufhören soll. Klar, der Reise-Topos für elektronische Musik, genau wie der Trip, der Traum und die Ekstase, das sind Klischees, die hier zwar zum Tragen kommen, aber am Ende nicht reichen. Dazu bleibt "Half of where you live" trotz aller Einflüsse, Abdriftereien, Schwelgereien und Experimente zu sehr am (Tanz)Boden, was eben auch die interessenante Mischung ist, die Gold Panda von anderen Acts, deren Kopf oft genug in den Wolken steckt, abhebt. Und so ist auch "Half of where you live" ein Ausnahmewerk in zeitgenössoscher House- und Eelktromusik, das nur oberflächlich mehr Ambient-Elemente zulässt. Dadrunter aber wartet eine ganze Welt voller Wunder - und zwar eine ganz reale.

Mittwoch, 12. Februar 2014

Die wichtigsten Alben 2013 #10: DJ Koze - Amygdala

Top Ten, endlich. Und dann gleich so kontrovers. Denn kaum eine House-Platte hat 2013 so sehr gespaltet wie "Amygdala" von DJ Koze. Ronny Kraak vom Kraftfuttermischwerk Blog hat sich zum Beispiel darüber ausgelassen, wie sehr "Amygdala" anscheinend Feuilletonkonsens ist. Das ist nun wirklich ein Todesurteil für jede Art von Musik, gleichzusetzen fast mit "Kitikerliebling", also Musik für Leute, die Musik eigentlich hassen oder zumindest gerne was an ihr auszusetzen haben. Geht ja gar nicht. Andererseits wurde Koze wirklich durch alle möglichen Medienformen durchgereicht und abgefeiert, gerade sein Label "Pampa" wurde mehr oder weniger als die Rettung der Housemusik dargestellt mit Kollegen wie Asa, Robag Wruhme oder Die Vögel. Mag ja auch sein, der Pampa-Sound jedenfalls lässt sich schon meilenweit entfernt klar bestimmen, was für ein Label nun wirklich ein Ritterschlag ist.
"Amygdala" nun sollte soetwas wie das definitive Pampa-Manifest werden. Und was soll man sagen? Genau das ist es auch geworden. Der warme Bass, die dumpfen Beats, die merkwürdigen Snares, die Liebe zum Detail im Sound und der entspannte Humor, der Hang zum Experiment und das Changieren zwischen Club und Sofa beherrscht "Amygdala" nahezu perfekt. Die Gästeliste ist großartig, von Sascha Ring über Dirk von Lotzow bis Matthew Dear sind alles Hochkaräter dabei, die neben klassichen Clubtracks wie "La Duquesa" auch eine etwas verschroben poppige Note reinbringen. Und selbst die Coverversion von "Homesick" der Kings of Convenience ist nicht so cheesy, wie man denken würde, erst recht nicht das Update der Marlene Dietrich mit "Ich schreib dir ein Buch 2013", was ja ein unglaublich doofer Titel ist, eine unglaublich heikle Idee, aber ohne Zweifel einer der besten Tanztracks des vergangenen Jahres. "Nices Wölkchen" gehört genauso dazu wie "My Plans" oder "Magical Boy", lediglich "Don't Lose My Mind" bremst den Trip, der "Amygdala" ja ist (worauf nicht nur das verkiffte Intro verweist) etwas aus. Aber der traumhafte Nonsense namens "NooOoo" am Ende der Reise wiegt so wunderbar in den sanften Schlaf, dass man nicht anders kann, als zufrieden zu grinsen, sobald "Amygala" mit dir seine Runde gedreht hat. 2013 ist gerettet, alles wird gut, House wird gut, Elektro wird gut, Feuilleton und Blog und Club und Sofa und Love, alles wird gut.
Nur das Cover, das ist so hässlich, das geht wirklich überhaupt nicht.

Dienstag, 11. Februar 2014

Die wichtigsten Alben 2013 #11: The National - Trouble Will Finde Me

"Ich wollt, die Welt wär Schnaps", heißt es gar männlich bei Büchner im Woyzeck. Matt Berninger würde dem vielleicht widersprechen, in dem Punkt zumindest, dass die Welt, wenn schon überhaupt, aus Rotwein bestehen sollte. Denn kaum eine Band macht das Weintrinken und das ganze daran hängende Image so sehr zu ihrem Thema wie The National. Am deutlichsten wohl auf dem "Alligator" Album mit dem Song "All the Wine", der auch der erste Song überhaupt war, den ich von dieser Band gehört habe. Damals noch im vermeintlich Joy Division Revival mit Interpol, Editors und Konsorten (die Band O,Children wollte ja keiner mehr hören), aber das wurde The National einfach nicht gerecht, denn erstens war "Alligator" schon ihr drittes Album, zweitens war ihr Sound doch eher klassisch, vom Blues, von Springsteen, ein bisschen vom Punk und sonst eher von der barocken Spielart des Indie beseelt als vom kühl agierenden Post Punk. Auch war der Weltschmerz bei The National nie so düster, sondern eher eben trunken und sehr modern. Das sollte sich auch auf "Boxer" oder dem Durchbruchalbum "High Violet" nicht ändern, wo die größten Probleme doch durch den Rosé gesagt irgendwie klarer und das Leben erträglicher werden.
"Trouble Will Find Me" macht da auch keine Ausnahme. "Jenny I am in trouble, can't get these feelings out of me / Jenny I'm seeing double, I know this changes everything" ist so eine Zeile aus "This is the last Time", die das ganze The National Programm, die ganze Haltung, das ganze Sein und Sollen dieser Band auf den Punkt bringt. Und so ist "Trouble Will Find Me" auch nicht weniger als die Fortführung eines Erfolgskonzeptes, das diese Band über die Jahre perfektioniert hat. Wintrinker of the Weltschmerz, unite and take over, sozusagen. Und auch, wenn die Kalauer im Angesicht dieses doch sich wiederholenden Motivs hier gerade überschlagen, so ist "Trouble Will Find Me" doch keine Ermüdungsmusik, die diese Band schon besser, schon tiefsinniger und berührender gemacht hat. Man kann zwar anmerken, wie wenig Hoffnung Berninger noch in seinen Lyrics versprüht, wenn ihn die "Demons" einfach mitreißen, wie einsam "I Need My Girl", der Ausnahmesong dieser Platte, doch klingt, und wie traurig geht es denn noch, fragt man sich angesichts eines Songs wie "Pink Rabbits", der das Versagen auf ganzer Linie zelebriert und daher das kleine Glück nicht fassen, nicht an sich lassen kann.
Dass The National als Band aus Brooklyn schon immer kunstsinnig waren, überrascht nicht. Dass sie im MoMA eine stundenlange Performance von "Sorrow" aufführten, dass sie in ihrem Artwork Künstler unterbrachten, die in der von ihnen eigens betriebenen Galerie ausstellen - geschenkt. Das alles ist nur abrundendes Beiwerk einer Musik, die mehr und mehr zum Trademark dieser Band wird, sie mehr und mehr selbst zu einer Referenz im Rock macht als sie sich Referenzen selbst bedienen müssen, um beschrieben zu werden. Und dass sie mit dem grandiosen Video zu "Sea of Love" noch eines der lustigsten Punkclips überhaupt zitieren, zeugt immerhin von Humor, den die Band, die es so schwer hat und das jeden fühlen lassen will, so auch unbedingt braucht. Diese Band ist im Laufe der Jahre so groß geworden, dass selbst meine Mutter sie hört, genau wie meine Schwestern, meine Freundin, meine Freunde, ihr da im Internet, die Headliner auf Festivals spielt, die großen Hallen bucht und gut füllt, die weltweit den Ruhm einfährt - und das alles so leise, still und heimlich, dass auch nicht überrascht, wie unspektakulär spektakulär auch "Trouble Will Find Me" ist. Sicherlich nicht das beste Album dieser Band, aber wen schert denn das, solange es auch 2013 den Ruhm zementiert, den The National verdient hat. Und solange Songs wie "Don't Swallow the Cap" oder "Graceless" dabei rumkommen, bin ich zumindest sehr, sehr glücklich. Auch ein guter Grund zu trinken, irgendwie - aber nicht Matt Berninger sagen.

Die wichtigsten Alben 2013 #12: Baths - Obsidian

2013 war es schon zehn Jahre her, dassthe Postal Service ihr bahnbrechendes Album "Give Up" herausgebracht haben. Seitdem kursierten immer wieder Gerüchte über ein zweitwerk, das aber auch in diesen zehn Jahren nicht mehr als eben Gerücht bleiben sollte. Auch diffuse Ankündigungstweets oder Nullmeldungen, die nur auf eine Jubiläumsedition oder verstreute Live-Auftritte (oder Gerüchte über diese) verwiesen, schürten das Fanfeuer kräftig an, ohne auch nur irgendwie payoff bieten zu können.
Hätte es aber tatsächlich ein zweites Postal Service Album gegeben, es hätte vielleicht so ähnlich geklungen, wie "Obsidian" von Baths. Denn nicht nur können sich Ben Gibbard und Jimmy Tamborello auf die Fahnen schreiben, sämtliche emofizierte Indietronics zwischen Crystal Castles und Washed Out angetrieben, sondern auch ein immer noch klassisches Referenzwerk für jede Platte dieser Art im CV zu haben. Und so, wie Baths zumindest mit "Cerulian" die Avantgarde des sogenannten Chill Wave bildeten, haben sie mit "Obsidian" den großen Pop-Entwurf mit Mitteln des Motherboards gewagt, wie zuvor nur "Give Up".
Ich meine, man muss sich nur mal "Miasma Sky" oder "Phaedra" anhören. Wer da nicht sofort an "We will become Silhouettes" oder "Nothing Better" denkt, der hat "Give Up" sicher noch nie aufmerksam gehört. Aber "Obsidian" ist mehr als eine Quasi-Hommage an eines der besten Alben des bisherigen 21. Jahrhunderts. Dafür steht es zu sehr auf eigenen Füßen, dafür sind die Themen auch zu anders und die Stimmung doch auch leicht bedrohlicher und sinnlich aufgeladener als das doch eher kontemplative und von diffuser life angst besetzte "Give Up". So klingt "Ironworks" auch eher nach Antony and the Johnsons oder How to Dress Well, "Incompatible" parkt nah am R'n'B von Ginuwine, "No Eyes" wiederum mischt mit seinen Chiptune-Sounds explizite Sexphantasien, "No Past Lives" und "Earth Death" baden in Wut und Verzweiflung, während sie vom Umtergang sehnlich träumen, während "Inter" das Album ausklingen lässt, als würden die Fleet Foxes sich beim Jammen giggelnd im Kreis drehen.
"Obsidian" ist eine verdammt gute Platte, eine verdammt geradlinige und trotzdem vertrackte Angelegenheit, hörbar ohne Ende und emotional wie nix Gutes, dabei sträflich vernachlässigt, was Aufmerksamkeit, Ruhm und Reichtum angeht. Hätte jeder, der auf "Give Up 2" gewartet hat, mal lieber die Lauscher nach diesem schwarz funkelnden Album augestreckt, vielleicht wären sie ja zufriedener Gewesen mit diesem Musikjahr 2013. In jedem Fall aber glücklich darüber, dass es dieses phantastische Album gibt - ob nun in 10 Jahren noch darüber geredet wird oder nicht. Verdient wäre es.

Montag, 10. Februar 2014

Die wichtigsten Alben 2013 #13: Jon Hopkins - Immunity

Haben eigentlich auch alle wieder die absolute Jahresendlistenkrise bekommen, als Burial seine "Rival Dealer EP" im Dezember rausgehauen hat, als gäbe es kein Morgen mehr? Ich dachte ja zuerst, das wäre ein Fake, weil der Sound irgendwie zugänglicher, fast schon cheesy war, aber darunter immer noch Burial hauste mit seinen typischen Field Recordings, Plattenknistereffekten und den toll ausgesuchten Sprach- und Singsamples voller Weltschmerz und einem kleinen bisschen Hoffnung. Und am Ende ist ein Stück wie "Come Down To Us" doch ein Geschenk an die Menschheit, trotz aller Eightieshaftigkeit im Design. Dass Burial mal so offen Herzen ergreifen kann und nicht so leise und verzagt wie sonst, das war die eigentliche Überraschung an "Rival Dealer", dessen Titeltrack doch so grob die Säge auspackt, wie zuvor noch kein Burial-Track.
Und was hat das denn jetzt mit der Jon Hopkins Platte namens "Immunity" zu tun? Fast alles! Und zwar kommt das so: Wer sich 2013 nach Elektro umgesehen hat, der kam an viele verschiedene Soundentwürfe, die aber vor allem Entspannung gesucht haben und ein bisschen schief grinsten. Das gilt selbst für die VÖs von Moderat oder Laurel Halo, Dean Blunt (ist das noch Elektro oder schon Blues) oder Darkstar. Aber kaum jemand hat konsequent so traurige Raves abgeliefert wie Jon Hopkins mit "Immunity". Den Übertrack "Open Eye Signal" hab ich das erste Mal geteilt von Four Tet auf Facebook gehört und war sofort hin und weg. Diese komplexe Soundräume, dieser sägende Bass, dieser pumpende Rhythmus und der fast traditionell ausufernde Rave-Aufbau, bis dass am Ende fast alles in drei Minuten kratzigstem House versenkt wird, das war schon überwätligend. Umso schöner, dass der ganze Breitwandrave auch auf "Immunity" funktionierte, das sicherlich so manchen Sci-Fi-Streifen im Kopf ausmalen kann, aber auch mal die dunklen Seiten des Mondes in Klaviertasten verwandelt, wie zum Beispiel auf "Abandon Window". Four Tet und Burial haben in ihren Kollaborationen ja eine ähnliche Dichte an Emotionen und Sounds gesucht und gefunden. Dass Hopkins unter anderem auch mit Brian Eno an Coldplays Stadionpop mitgefeilt hat, merkt man "Immunity" ebenso an wie die Hinwendung zu Burial/Four Tets bewusstseinserweiternden, einem UNESCO-Weltkulturerbe gleichkommenden Experimenten. "Immunity" schafft es zudem, die Waage zu halten zwischen Eskalation und Depression, funktioniert sowohl vor, im und nach dem Club - und sogar am Katermorgen danach, wenn der Glowstick noch sein letztes Licht ausgibt. "Collider", "Sun Harmonics" oder der Titeltrack geben Formatvorlagen zu allen möglichen Sounddesigns, die man auf der Gefühlsskala bedienen kann, was das Album nicht etwas auseinander reißt, sondern auch als Album funktionieren lässt, was ja nun wirklich nicht jedem Künstler aus dem reinen Elektrobereich gelingt. Glücklicherweise verzichtet Hopkins meist auf Gastsänger oder bettet sie heimlich in seine überbordenden Sound-Kathedralen ein, ohne sie, wie zum Beispiel bei Bonobo, der Farbkombination im Gesamtbild des Albums zu grelle oder ausfallende Flecken zuzufügen. Dabei bedient sich Hopkins nicht nur der gleichen Mittel, wie Burial, Four Tet oder Eno und Coldplay, sondern markiert auch gleich sein eigenes Revier im Raum zwischen all diesen letztlich doch grundverschiedenen Künstlern. Feuerzeug raus im Club, sozusagen: das muss man erst mal schaffen.

Die wichtigsten Alben 2013 #14: Lorde - Pure Heroine

"But everybody's like crystal, maybach, diamonds on your timepiece, jet planes, islands, tigers on a gold leash - We don't care": Dieser minimalistische Beat, diese wahnsinns Backgroundchöre, diese Dreitastenmelodie, der Bass ganz unten und ein Abgesang auf das ganze MTV-Programm von dieser Teenagerin mit den krassen Haaren aus NZ. "Royals" hatte wirklich alles, was der Konsenssong 2013 brauchte, auf die sich wirklich die komplette werberelevante Zielgruppe einigen konnte. Dass hier das Zeug aber nicht zum One Hit Wonder, sondern gleich zum Überflieger drin war, das musste "Pure Heroine" eben beweisen, denn, achtung, der Lana Del Rey Vergleich schwebte aus einem mir immer noch nicht ganz klaren Grund durch den Raum (mancher meinte, die Stimme wäre ähnlich). Dabei ist der Soundentwurf von Lorde doch eher eine mehr auf Destinys Child getrimmte Version introvertierten Indierocks frei nach The xx. Der größte Wahnsinn ist ja überhaupt, wie viel Talent Lorde als Songwriterin schon hat, wenngleich ihr Produzent Joel Little den Soundentwurf stark beeinflusst haben wird. Sei es drum, dass eine Teenagerin solche Texte, solche Musik, solche Stimme und solche Präsenz hat, das gab es sicherlich lange nicht mehr. Und mit welcher Souveränität sie die Stimmung ihrer Generation auf den Punkt bringt, wie sehr sie das zur Kunst macht und wie gefällig das alles dann auch noch klingt, sorgt für eines der größten Pop-Alben seit dem Millenium. Und das mit einem so understatenden wie ergreifenden Minimalismus, der aus Zeilen wie "It feels so scary getting old", "We live in ruins you never see on screen", "I know we're not everlasting", "We're never done with killing time, can I kill it with you" sprießt. Das ist so unfassbar gut, on the spot und traurig schön, das traut man diesen Minderjährigen ja gar nicht zu, solche tiefen Gedanken, solche tollen Produktionen, da stimmt doch was nicht, denkt man da, aber es stimmt eben alles auf "Pure Heroine", von ganz gradlinigen Beatpaketen wie "Team" oder "Royals" bis zu den stillen Verunsicherungen in "Ribs", "Tennis Court" oder "A World Alone" und den großen Gesten in "Glory and Gore" oder "400 Lux", vom tollen Artwork, das nun wirklich viel mit The xx gemeinsam hat, mal ganz abgesehen. Lorde eine große Karriere zu prophezeien, wäre nun wirklich das Leichteste überhaupt, denn hier kann jeder Auftritt noch so verunsichert, verhuscht, exaltiert oder wie auch immer aufmerksamkeitsheischend kritikwürdig daher kommen, es wäre immer noch authentisch, so elegant tänzelt "Pure Heroine" zwischen Ironie, Angst und Fame mit, im Gegensatz zum Beispiel zu besagter Lana del Rey, absolut zeitgemäßem, fast aber schwebend zeitlosem Sound. Kaum ein neuer Künstler ist so spannend derzeit wie Lorde, kaum einer verspricht mehr Potential für relevanten Pop in den nächsten 20 Jahren als eine Teenagerin aus Mittelerde - und das sollte eigentlich jeden einzelnen von uns völlig perplex zurücklassen angesichts des hohen Niveaus, das das Debüt schon erreicht hat. Was soll da noch kommen, mag man fragen? Einiges, meine Freunde, einiges!

Samstag, 8. Februar 2014

Die wichtigsten Alben 2013 #15: Veronica Falls - Waiting for Something to Happen

Uns ist ja jetzt mal wirklich alles egal, im Februar noch über das letzte Jahr zu reden, die haben sie doch nicht mehr alle, die da oben vom Ansagenfeuilleton! Aber das mag uns jetzt nun wirklich nicht mehr stören, denn wir müssen noch vieles loswerden, vieles, was vergessen wurde, zum Beispiel die Band Veronica Falls. Über die wurde 2013 absolut nicht genug geredet. 2011 war das kurz der Fall, als das s/t Debüt rauskam und au einmal alle irgendwelche Tape-Labels aus dem UK der Achtziger zu kennen meinte, denn das war die Referenz für den schrammeligen Rock dieser britischen Band, die der musikgewordene Instagramfilter war, als hätten sie "Pretty in Pink" mit dem Chic der Mad Men Nostalgie gekreuzt und einen Pixies-Soundtrack drunter gelegt. "Veronica Falls" hatte zum Beispiel mit "Bad Feeling" so einen richtig toll geschriebenen Überhit, den keiner hören wollte (und was wir jetzt alle mehrmals nachholen müssen. Alle.). Und was das Album auszeichnete, war auch ein morbider Charme an den Themen Liebe und Tod, der einigen auf "Waiting for Something to Happen" doch gefehlt hat.
Daür hat der Nachfolger die exzessive Perfektion einer Formel zu bieten, die man Musik nennn könnte, bei der man wieder mal händchenhaltend über Blumenwiesen hüpfen oder Montagen aus Rom Coms unterlegen kann, wenn sie denn endlich, endlich zusammengekommen sind. Ja, "Waiting for Something to Happen" ist nicht morbide, sondern sonnigsten gemüts (abgesehen von schönen Songs wie "Bury me alive" oder ähnlich). Hier heißen die Songs "Teenage", "Shooting Star" oder "My Heart Beats" und hätte die Frühlingsplatte des Jahres sein müssen, liebe 2013er, aber es kam anders und gar nicht dazu und jeder sollte sich etwas schämen. Wer "Tell Me", besagtes "Teenage", "Falling Out" oder "Last Conversation" gehört hat, der wird jedenfalls nicht unglücklich leben und sterben können, sondern endlich wieder Polkadots oder Lederjacke tragen wollen und zu Mixtapes auf günen Hügeln tanzen. Und klar ist das etwas cheesy, klar ist das sehr, sehr jugendlich, natürlich ist bittersweet der exakteste Ausdruck, der "Waiting for Something to Happen" beschreibt, aber herrgottnochmal, das ist doch kein Problem, das ist, in einem Wort, Pop, alles großbuchstabiert und ausstaffiert, das sind Träume und die Angst vor ihrem Verbrechen, das sind angehaltene Momente un die Trauer darüber, dass sie nicht so ewig sind, wie man dachte, das ist jugendliche Romantik galore und deshalb so wahnsinnig gut, dass es mehr verdient hat, als eine Fußnote zu einem Musikjahr zu sein, in dem vor alem Altherenträume wahr wurden, von Disco bis Bowie bis "Blurred Lines" und, achja, Miley Cyrus. Veronica Falls sind vielleicht zu "nett" für die große Euphorie, aber heimlich, ganz heimlich, düfen wir sie alle ins unser Herz lassen und auch mal wieder ein Gänseblümchen pflücken, just because.

Dienstag, 4. Februar 2014

Ansage #4: Continuity

Wir leben in den Zeiten der Serie. Oder haben Sie etwa nicht dieses Gefühl, dass alles immer weiter geht? Vielleicht ist dies ja dieser Kapitalismus, von dem alle reden. Und vielleicht kommt daher ja auch dieses Ding mit dem "Burn Out", wenn jeder Tag an einem vorbeiläuft, als wäre er nach dem Prinzip des Ford T-Modells gezimmert, alles gleich, aber trotzdem in Bewegung. Und natürlich: Adorno und Horkheimer, die Kulturindustrie. Was die nun wohl zum Siegeszug der Serie als Format gesagt hätten? Vielleicht wären sie komplett verzweifelt darüber, wie sehr das Serielle des produzierenden Alltags wieder als produziert Serielles diesen Alltag in seiner Freizeit bestimmt, wenn das ganze Wochenende, die ganzen Nächte dem Binge-Viewing amerikanischer oder anderer TV-Produkte gewidmet werden. Konsum am Fließband am Arbeitsplatz und im Wohnsitz, Produzieren und Reinschaufeln.
Aber man muss kein Kulturpessimist sein, um in der Serie das Lebensparadigma von "uns" schlechthin zu erkennen. Und natürlich betrifft das nicht nur "uns" vor den blauen Bildschirmen, die immer flacher werden, die Figuren durch das Serienformat aber immer (hoffentlich, zumindest) immer tiefer. Es betrifft genauso auch die Figuren selbst, die sich immer wieder durch ihr Leben kämpfen müssen, in das sie jede Folge gezwungen werden. Und so geht es für uns alle, ob fiktiv oder nicht, immer weiter. So sehr, dass die Continuity, das Anknüpfen an frühere Episoden, Leben oder Existenzen, schier unendlich wird.
Das geht mit der Kontinuität sogar so weit, dass sie für Fiktionen selbst fiktionalisiert wird. Sasha Weiss zum Beispiel sieht Claire Danes. Aber sie sieht noch mehr. Sie sieht auch Carrie Mathison aus "Homeland" und Angela Chase aus "My So-Called Life". Beide teilen sich das Gesicht von Danes, aber nicht nur irgendeines: Sie teilen sich ganz besonders das sogenannte "Cryface", das Danes so besonders gut kann. Weiss fängt an zu imaginieren, dass Carrie eine erwachsene Version von Angela ist, dass diese Figuren mit dem gleichen Gesicht nicht nur gleich verkörpert, sondern auch gleich beseelt seien. "Carrie Mathison is Angela Chase all grownup and a little twisted, but the inner material is the same".
Eine ähnliche Kontinuitätsfiktion hat Walter White aus Breaking Bad erlebt, aber umgekehrt. Walter hat das Gesicht von Bryan Cranston - wenngleich hinter Bart, Brille, Glatze und Bad Boy Attitüde versteckt. Genauso hat es Hal aus Malcolm in the Middle. Im Netz kursieren genug Fiktionen, wie "Breaking Bad" soetwas wie eine Vor- oder Parallelgeschichte zu "Malcolm in the Midle" ist, Cranston selbst hat in einem solchen Sketch mitgespielt. Und natürlich gibt es auch dazu ein mittelmäßiges Tumblr namens "Meth in the Middle". Manch ein Spoof war, dass "Malcolm in the Middle" im Grunde Walter White im Zeugenschutzprogramm sei oder ähnliche Kontinuitäten, die sich eben ein Schauspielergesicht zeigen. Nach dem Ende von "Breaking Bad" ist dies zumindest etwas vom Tisch.
Es sind natürlich noch mehr Kontunuitäten denkbar. Ist "Six Feet Under" das Prequel von "Dexter"? Setzt "X-Files" etwas "Californication" fort? Wie viele Leben hat Sean Bean, stirbt er etwas ewig in anderen Settings? Ist Harold Finch aus "Person of Interest" eine geläuterte Version von Benjamin Linus aus "Lost"? Und was machen zum Beispiel die ganze Ex-Tenieseriendarsteller jetzt als Eltern in Serien wie "Gossip Girl" oder "Pretty Little Liars"? Träumen sich die ganzen Whedonverse-Figuren in die Sitcom "How I Met Your Mother"?
Dass fiktive Figuren nicht in frieden sterben können, das wusst bereits die griechische Tragödie des Aischylos, wenn beispielsweise Prometheus oder Sisyphos mit ewigen Wiederholungen bestraft werden, oder auch Sherlock Holmes, der nicht sterben durfte, sondern immer wieder weiterleben musste, bis heute mit den Gesichtern von Benedict Cumberbatch, Robert Downey jr. und Johnny Lee Miller. Ob dies die Rache des Leben an der Fiktion ist oder sich die Fiktion so am Leben rächt, indem es dessen Prinzip aufsaugt und vereinnahmt, lässt sich schwer beantworten gerade in Zeiten, wo Serie und Leben selbst kaum noch voneinander zu unterscheiden sind. To be continued, also.

Die wichtigsten Alben 2013 #16: Kanye West - Yeezus

Eine meiner liebsten Sketche bei "Saturday Night Live" ist ja "Waking up with Kimye", die Show, in der Kanye West und Kim Kardashian uns einen guten Morgen wünschen. Natürlich ist es leicht, sich über Kim Kardashian lustig zu machen, Nasim Pedrad tut dazu jedenfalls ihr Bestes. Allerdings ist es vor allem die Kanye West Parodie von Jay Pharoah, die das Ganze auf ein anderes Level hebt. Aber eigentlich stimmt auch das nicht so sehr, denn letztlich ist doch Kanye West (der die Sketche standesgemäß "lame" findet), der dieses Level setzt.
Kanye West ist Richard Wagner - auf seine ganz eigene Art und Weise. Er ist ein musikalisches Genie und sagt das jedem. Er suhlt sich in Bombast und merkwürdigen Erlöserphantasien. Und er zückt schnell die politisch unkorrekte Phrase. West ist so streitbar wie unantastbar, und wie bei so vielen Parodien adelt auch Pharoahs Performance das Original als eben Original, das Wiedererkennenswerte und auch manchmal Einzigartige. "Yeezus" jedenfalls hat alles davon. Und wann sich Kanye sein eigenes Wahnfried baut, ist nur noch eine Frage der Zeit.
Bis dahin haben wir subtile Botschaften wie "I Am A God", die uns daran erinnern, was wir von Kanye zu halten haben. Dieser scheiende Wahnsinn in Songs wie diesem ist auch, was "Yeezus" 2013 größer, witziger, besser und wichtiger macht als alles, was zum Beispiel Eminem oder Jay-Z häten machen können. "Yeezus" ist kein Konsensalbum wie "Magna Carta, Holy Grail" (das den Größenwahn leider nur im Titel trägt) oder Anknüpfen an alte Erfolgsmodelle wie "The Marshall Mathers LP 2". "Yeezus" ist ein riesieger und dreckiger Mittelfinger an alles und jeden. Ich fand "My Beautiful Dark Twisted Fantasy" ja so herausragend und dachte: Das ist der Gipfel, da ist alles drin, was der kann, alles, was der will, was soll da noch kommen? Und dann diese dreckige Daft Punk-Collabo auf "In Sight", hingerotzt wie ein Axt im Computerwald. Diese treibenden Beats in "Black Skinhead" und die ganzen crazy Geräusche, wie Chance the Rapper tatsächlich auf Acid, diese Breackdowns und Ausraster, herrlich. "I Am A God" ist da genauso herausragend wie "New Slaves" wieder die typischen Aggressionen auslebt auf diesem Brett von Synthieverzerrer. Man mag sich gar nicht ausmalen, was in dem Produzentenhirn von Kanye los ist, wie der an ein Album wie "Yeezus" überhaupt herangegangen ist, ob da vielleicht doch mehr Kalkül drin ist, als die ganze Platte erahnen lässt, ober ob das so affektgeladen ist, wie es rüberkommt. Wahrscheinlich beides und mehr. Und selbst halbwegs normale Tracks wie "Bound 2" müssen ein verdammt unnormales Video bekommen, das cheesy und fantastisch zugleich ist. Und sowas kann eben nur einer, und genau das ist es, was "Yeezus" aus jeder Pore schwitzt und dir spuckend ins Gesicht schreit. Und wenn das nicht großartig ist, dann weiß ich es auch nicht. Rap-Album 2013, no doubt.

Die wichtigsten Alben 2013 #17: Chvrches - The Bones Of What You Believe

Ich weiß ja nicht, wie es allen anderen geht, aber wir hier beim Ansagenfeuilleton hatten das Gefühl, die Nummer mit dem Synthiepop sei jetzt langsam einmal durch und konzentriert sich eher auf Soundtracks und solche Sachen, wie M83 für das Cruise-Vehikel "Oblivion". Sozusagen das Schicksal, das dem sogenannten Post-Rock widerfuhr, siehe dazu 2013 die Soundtrack-Alben von Explosions in the Sky und Mogwai als herausragende Beispiele (Fußnote). Und dann sind sie plötzlich wieder überallm die Synthesizer, sowohl auf dem neuen Mogwai- als auch dem neuen Maximo Park Album und dann heißt es, die bekommen mehr Raum und definieren den Sound neu und waren bei H&M nicht schon vor 4 Jahren die 80er wiede da? Und dann auch noch Chvrches. Als ich damals "Recover" das erste mal gehört habe, da war ich hin und weg: Diese tolle Produktion, dieser perfekt designte Songaufbau, okay, die Stimme war etwas gewöhnungsbedürftig, aber das hat sich mittlerweile ja auch gelegt, da Lauren Mayberry nun wirklich nicht zu den Menschen gehört, mit denen man sich anlegen sollte, was sowohl aus ihren Songtexten als auch ihren Äußerungen zu Misogynie im Pop-Business herausspringt. Mich fasziniert ja immer dieser Zwiespalt leichter Pop und bittere Texte, und wer zu pluckernden Arpeggios und Schlagerschlagzeug "I will be a gun, and it's you I'll come for" singt, der hat mich sofort am Wickel. Und da sind wir genau an dem Punkt, wo Chvrches unglaublich großartig sind: In ihrem Pop-Verständnis. Klar, die Musik ist jetzt nichts Neues und auch nicht gerade revolutionär, aber wer 2013 perfekten Synthiepop suchte, fand ihn bei Chvrches. Und das definitiv, denn wenn man uns hier fragen würde, ist doch wirklich jede Spielart dieser Pop-Variante auf "The Bones of What You Believe" zu finden, sei es elegische M83-Hymnen, hüpfende Festzeltdisco oder auch einfach nur der Dreiminüter in Digital. Das stellt sowohl die Zuschauer von Uwe Hübner als auch den Indieclubgänger im ersten Semester Lehramt zufrieden, ein Fest für die ganze Familie und jeden für sich.
Insofern ist es schwer, sich überhaupt kritisch zu dieser Band zu äußern, die ihren Teflon-Sound ausspielt und hinter aller Noedlich- und Zugänglichkeit kratzt und beißt. Wie lange sich das hält, wie viel von dieser Band noch zu erwarten ist, ob sie, so meine befürchtung, nicht ihren Sound schon bis zum Exzess ausgereizt hat, das wird sich zeigen, aber für das Jetzt gibt es sicherlich kein definitiveres Werk zeitgemäßen Synthiepops als dieses (na gut, neben M83s "Saturday=Youth" vielleicht).

Montag, 3. Februar 2014

Die wichtigsten Alben 2013 #18 - Daft Punk - Random Access Memories

Hätten wir hier unsere Liste noch rechtzeitig abgeschlossen, das heißt: Würden wir nicht gerade dem zeitgeist hinterheulen, wir würden gar nicht gesehen haben, wie sie da alle standen: Yoko Ono, Beyoncé und wer auch immer, wir häten nichtmal gewusst, wie gerne Claudius Seidl in den Saal gestürmt wäre, als Daft Punk bei den Grammys auftraten und "Get Lucky" spielten. Wir hätten weder gewusst, wie schwer dieses Album dort absahnen wird, noch hätten wir eine Ahnung, wie sehr es die Leser- und Redaktionspolls zum Jahresende dominiert hätte. Wir hätten nur eines gewusst: "Random Access Memories" war einer der größten Hypes 2013. Und demnach hätten wir vielleicht schon etwas geahnt.
Aber wie das so mit Hypes ist, zumindest, wenn sie zurecht so genannt werden: Sie spalten. Die einen fahren riesig darauf ab, wenn der Coachella-Spot durch das Netz flackerte. Sie sauegn jeden Infoschnipsel auf bis hin zur stilbildenden Albumreklame mit dem grandiosen Unboxing-Clip, den sogar Sony für die vierte Playstation kopiert hat. Die anderen waren niedergeschlagen, enttäuscht und sogar stinksauer auf Daft Punk, dass sie ihre Integrität an die Rollschuhdisco abgetreten haben und anscheinend keine Ahnung aufbringen, wie die Musik der Zukunft klingt, die sie uns doch sonst immer so stilsicher präsentiert haben.
Denn man muss im Angesicht des Gesamtwerkes ehrlich sagen: Der ganz große Wurf war "Random Access Memories" nicht. Klar, gerade auf "Homework" und "Discovery" waren die Glam-Referenzen ganz vorne mit dabei, aber halt nur Referenz und nicht Programm. "Indo Silver Club" oder "Digital Love" funktionierten mehr und anders als die Bee Gees oder Chic. Und das war, entschuldigung, ja auch gut so, sonst hätten Daft Punk niemals die Relevanz erlangt, die sie heute haben. Und sie waren dem ganzen Musikbusiness immer um 2-3 Jahre voraus. Selbst das heute total großartige "Human After All" nahm vorweg, was Labels wie Ed Banger oder record Maker später propagieren und Schlawiner wie Skrillex perfektionieren sollten: Robot Rock. Und dass dabei auch immer unverschämte Hits bei rauskamen, die die Disco immer in die Zukunftsversion der Gegenwart übersetzte, war doch das geniale am Werk. Und wer "Alive 2007" gehört hat, der kann doch gar nicht fassen, wie homogen, wie stringent und wie wahnsinnig die Musik dieser Roboter doch ist, als hätten sie einen Masterplan.
"Random Access Memories" ist, wenn man so will, die Kehrseite von "Human After All". Beide Platten zusammengemixt ergeben "Homework" und "Discovery", so zumindest meine gleichung. Betonte "Human After All" noch eben das Mechanische, Automasierte im Schaffen Daft Punks, markiert der etwas langweilige Vermerk, nur "echte" Instrumente auf "Random Access Memories" zu verwenden, das vermeintlich "Organische" daran. Beides kam nicht sehr gut an, wobei "Random Acess Memories" doch irgendwie besser aus der Affaire gezogen wurde, denn: Hits. "Get Lucky" oder "Lose Yourself to Dance" dominierten nun wirklich alles. Oder vielmehr Pharrell Williams, der ja auch dem unsäglich sexistischen und unsäglich funky "Blurred Lines" von Robin Thicke seinen Goldadel verlieh. Wie viel Genius dabei Daft Punk zukommt, wird sich so nicht klären lassen, auch dass alle von Nile Rodgers sprechen. Dat Punk haben sich auf "Random Access Memories" mehr zurückgenommen, um eine Art Heldenmuseum ihrer Genealogie aufzustellen. Das funkelt zwar ordentlich, wirkt aber auch angestaubt und in seinem Blick zurück doch irgendwie etwas steif.
Deshalb sind Glanzstücke wie "Giorgio By Moroder" oder "Doing it Right" auch die Glanzlichter dieser auf Albumlänge doch etwas inkosistenten Platte: Sie schaffen es, Hommage und Übersetzung zugleich zu sein. Was Daft Punk hier permanent - und anscheinend bewusst - auf das Spiel gesetzt haben, ist ihr eigener Charakter. Leute wie Romanthony habend zuvor so homogen in den Roboterkosmos gepasst, auch Panda Bear oder Moroder tun es auf ihre Art, meinetwegen eben auch Nile Rodgers. Aber so Belanglosigkeiten wie "Instant Crush" mit Julian Casablancas sind kaum zu verzeihen, auch das Jethro Tull Ding auf "Motherboard" ist einigermaßen fragwürdig. Aber eines muss man "Random Access Memories" bei alldem lassen: Die Vision ist, wie immer bei Daft Punk, konsequent, die Hits sind da, die Songs auch, die Ideen und es passt, wie in guten Museen immer, alles zusammen, dass das Vergangene neu und toll für das Jetzt erzählt und erfahrbar gemacht wird. Dass dieses geradezu retromanische Album aber so dermaßen durch die Decke geht, sagt eigentlich weniger über Daft Punk als über den Zustand der Musikindustrie aus. Denn Stil haben die Roboter auf jeden Fall und hatten ihn auch schon immer. Das beweist auch der Auftritt bei den Grammys, der aber auch symptomatisch ist: Denn letztlich driftet "Get Lucky", mit Stevie Wonder aufgeführt, in dessen alten Hit "Another Star" ab. Gets old.