Dienstag, 28. Januar 2014

Die wichtgsten Alben 2013 #19: Moderat - II

"This is not what you wanted nor what you had in mind". Wenn man sich Interviews mit Moderat durchliest, dann kann man immer nur mit dem Kopf schütteln, so unzufrieden die immer mit ihrem eigenen Sound sind. Und so lässt sich die Hookline vom Sommerhit (ja, sowas gibt es noch!) "Bad Kingdom" auch irgendwie als Kommentar auf das eigene Schaffen umdeuten. Das völlig paranoide Video gibt diesem Eindruck dann auch den Rest, so toll es auch ist in seinen fraktalen Verschwörungstheorien. Warum können die Leute von Modeselektor und der eine von Apparat nicht einfach mal gut sein lassen? Warum müssen die immer an allem rumkritteln? Machen das nicht schon Fans, Youtube-Kommentatoren, Online-Peitionisten und Sportreporter zur Genüge? Hoffentlich gehen die nie auf ihre Plattenseite bei Amazon...
"II" ist der Nachfolger von "Moderat", was man auch einfach jetzt "I" nennen könnte, und sicherlich ist das so simpel wie unoriginell. "Moderat" war ein absolutes Überalbum, das das Level deutscher Bassmusik um einiges steigern konnte. Am unglaublichsten aber war, wie gut die Soundideen von Modeselektor und Apparat zusammengingen, wie homogen das alles von Grund auf war, auch wenn manche Gastauftritte das Samplerhafte des Albums teilweise untermauerten und den Kontext noch eine Kurve weiter führten als es manchmal musste. Wer aber bei "Rusty Nails", "No. 22", "Out of Sight" oder "Seamonky" nicht völlig aus dem Häuschen geriet, dem ist auch mit keinem Knicklicht mehr beizukommen. Und schließlich konnten sich alle auf diese Platte einigen, vom Starbuckskunden bis zum Groove-Leser oder Zeit-Praktikanten.
Entsprechend hoch nunmal auch die Erwartungen an "II". Und ich war auch erstmal enttäuscht, denn es fehlte mir etwas das Ausufernde, das der Vorgänger noch hatte. "II" war mir zu kontemplativ und auch manchmal ein bisschen zu zaghaft in seinen Songstrukturen. Dann allerdings bin ich in den Sound reingewachsen, denn was sich zuerst als langsam bis langweilig zeigte wurde auf einmal wahnsinnig dicht atmosphärisch, was sich als abgehoben präsentierte wurde uplifting und was mir wie eine hingenudelte Melodie erschien wurde zu einem großen Melodiemoment. Und so ist für mich "II" mit einer der Grower des Jahres, das es erneut schafft, den Modeselektor- mit dem Apparatsound zu verbinden ohne risse im Kitt erkennen zu lassen, ohne auch nur einen Moment die Orientierung zu verlieren. Und als Plus kommt eben hinzu, dass sich dieser Sound nochmal auf anderen Levels bewegt als zuvor, der Bass ist immernoch tief, die Flächen immernoch im Breitwandformat, der Gesang immernoch unter Hypnose und teuflisch einprägsam. Aber wenn "Moderat" noch etwas garstig an den Wänden kratzte, hat "II" seine Arme im Himmel und seinen Kopf in den Wolken. Tracks wie "Damage Done", "This Time" oder "Versions" sind Soundgemälde erster Güte und dazu noch von astreinem internationalen Format wie sonst nur ein Lothar Matthäus. Warum aber eine abgespeckte und eine vollständige Vinylversion ausgegeben wird, wo auf ersterer zentrale Stücke wie "Milk" fehlen, wodurch aber der Flow des Albums irgendwie ungebrochener wirkt, das weiß wohl auch niemand so genau. Vielleicht ist "II" doch sowas wie die Cash Cow der Bassmusik. Mit das Beste in dieser Richtung ist es auf jeden Fall.

Die wichtigsten Alben 2013 #20: Tegan and Sara - Heartthrob

"You carry romace in the palm of your hand" - sowas bekommt man ja gerne gesagt, oder? Oder auch: "All i wanna do is, to come a little closer". Achja, diese fast schüchterne Direktheit aufsprudelnder Gefühle, als wäre John Hughes für immer in Carbonit eingeforen worden und seine Filme laufen auf Dauerschleife im Kopf. Und natürlich war John Hughes nicht nur einer der größten Poeten jugendlicher Gefühlswelten, sondern auch unglaublich eighties. Und da sind wir auch schon bei "Heartthrob", dem möglicherweise oder eben auch nicht Durchbruchalbum der ewig glänzenden Zwillingsschwestern Tegan und Sara. Die sind, wir ahnen es, auch nicht mehr die jüngsten, aber wie so oft bei Leuten, die herzgetriebene Musik mache steigt die propagierte Jugendlichkeit in der Musik streng proportional zum Alter ihrer Verfasser, denn so altseelig wie auf den ersten Alben oder gar dem Coming-of-Age-Teenage-Angst-Grown-up-Crisis-Zwitter (entschuldigung für dieses Wort) "The Con" klingt "Heartthrob" schon lange nicht mehr. Hier gibt es Herzschmerz garniert mit Luftballons, Flaschendrehen mit Verlustangst und Schmachtfetzen mit Seilchenspringen. Allein das Video zur Hüpfsingle "Closer" spricht Bände über den Zustand von Tegan and Saras Musik und macht ernst mit der Karaokeparty. Manch einer mochte den Schwestern übel nehmen, dass sie nun nicht nur für den Guetta ihre Lyrics einsingen, sondern selbst auch die Synthie-Kirmes rauf und runter reiten, anstatt die zarten Saiten der Gitarre zu zupfen wie früher noch, aber das ist natürlich ziemlich engstirnig und verweist jeden Künstler in seine Schranken. Und "Heartthrob" ist der wandelnde Beweis dafür, dass das Songwriting der anderen Platten auch vor den neuen Instrementierung nicht eingeknickt ist, ganz im Gegenteil: Diese zwei bis drei Minuten des Pop, den Tegan und Sara immer auf den Punkt bringen konnten, diese kleinen Momente zwischen Glück und Unglück, dieses Zartbittere des Altwerdens und Jungbleibenwollens findet auch seinen weg zwischen den Keyboardflächen und Drumloops da hin, wo es hingehört: Mitten ins Herz. Dass mit "Drove me wild", besagtem "Closer", "Goodbye, Goodbye", "How come you don't want me" oder "Now I'm all messed up" vor allem auch wieder Hits Hits Hits dabei sind, deren Texte so schwer auf der Seele liegen, dass die Leichtigkeit der Musik sie immer wieder auffangen muss, ist ein absoluter Bonus dieser fantastischen Platte. Und genau dieses perfekt ausbalancierte Wechselspiel zwischen Leichtigkeit und Weltschmerz, das die besten Popplatten auszeichnet, ist es, was Tegan und Sara als Künstlerinnen auszeichnet, was "Heartthrob" nahtlos in ihr Werk einreiht und 2013 mit großen Popmomenten adelt. Und dass man bei den letzten Zeilen der Platte, die auch noch "what you are is: lonely" lauten, nicht komplett verzweifelt, sondern mal wieder versuchen will, das Leben und so auf die Reihe zu kriegen, denn es ist doch schön, das bekommen nun wirklich nicht viele hin. Mein Herz haben sie.

Mittwoch, 22. Januar 2014

Die wichtigsten Alben 2013 #21: Casper - Hinterland

Letztens in der "Intro" gelesen, dass deutsche Rapper heute doch ziemlich auf "Backpacker-Pathos" setzen, und da fällt einem natürlich sofort Casper ein, der ja sowieso weniger Geschichtenerzähler als Sloganmaschine ist, wobei er das vielleicht sogar teilweise für dieselbe Sache hält. Und demnach kann man den guten Mann auch nun wirklich nicht mehr "cool" finden (wobei heute ja keiner mehr "cool" sagt, der cool ist). Und wenn man diese ganze Interviewsaison zu "Hinterland" verfolgt hat, die man getrost auch "Promotion" nennen darf, dann war dieser ganze Entstehungsprozess des Albums eine ordentliche Ochsentour gewesen, die schnell nach Selbstmitleid klang - und neues Futter gegen "Emo-Casper" gegeben hat. Und allein dieser Hillbilly-Bart, das Rumreiten auf der Deutschland-Amerika-Schiene seiner Biographie und was ist überhaupt mit der ganzen Realness? Die nervt doch! Der nervt doch! Aber hallo!
Und es stimmt ja auch, dass dieses Image so seine Probleme mit sich bringt und auch nicht jeder jeden Tag so gerne daran erinnert werden will, dass sein Leben und Fühlen zu klein ist für diese Musik. Einerseits. Andererseits kann man Casper niemals zum Vorwurf machen, Rap nicht weit über seine Grenzen hinausführen zu wollen. Und wie konservativ das "Game" und seine "Player" dabei auf ihn reagieren ist noch lächerliche als der noch so pathetische Slogan oder die ja doch zum Rap gehörende Selbstinszenierung als eine Figur mit konkreter Biographie und Weltsicht.
Und so macht "Hinterland" da weiter, wo "XOXO" angefangen hat, nur anders, nur größer, nur leiser und besser. Casper hat ja auch nach eigener Aussage immer versucht, diese DIY-HC-Straight-Edgenesse mit Rap zu kombinieren, die Gitarre und das Schlagzeug und den Bass mit den Lines, den Punches und den Rhymes. Und es klappt, immer wieder. Auch wenn "Im Ascheregen" nach Team Me und Konsorten klingt, wenn das alles doch etwas zu glattgebügelt ist: Es ist immer auch ein Blick über den Tellerrand, wo selbst "Rap" imitierende Stücke wie "Jambalaya" oder "Ariel" unkonventionell klingen. Von der Stimme, die du schon von weitem als eigene erkennst, ganz zu schweigen. Und dafür kann man Casper nicht hoch genug einschätzen: Dass er die Musik, die er macht, die er vor Augen hat und die ihn antreibt keinen Stillstand, keine Konventionen und selten Kompromisse kennt - und dass dabei stimmige Stücke und Alben entstehen, die man weder inhaltlich noch musikalisch mögen müssen, aber trotzdem die wachrütteln, die von Rap, gerade vom deutschen, nicht mehr erwarten als dumme Witze und Sprüche zu Beats so subtil wie die Mimik von Jason Statham. Und jetzt Radio laut und zum Hügel rauf: You know what to do.

Die wichtigsten Alben 2013 #22 - King Krule - 6 Feet Beneath the Moon

Tom Waits der alte Säufer, dem nimmt man alles ab. Und der kann auch krächzen und ätzen und rumpeln und unser Ohr malträtieren mit seiner Version von Blues, weil er eben auch so lebt wie der Blues. Aber was, wenn das so ein großohriger Rotschopf aus dem UK macht und gerade mal volljährig ist? Wenn der seine Rauchstimme rausrotzt und dazu etwas holprig aber catchy die E-Gitarre malträtiert und mehr ächzt als singt, es sei "Easy, Easy"? Wenn der in Interviews so viel redet wie er kehlig den Schnodder hoch zieht, wie man öfter lesen musste? Wenn der eine Platte namens "6 Feet Beneath the Moon" macht, die irgendwie alles bedient, was Musik so derzeit bedient, vom Post-Electro-Feeling bis hin zum leisen Kuschelrock in der XX-Version? Dann kann man getrost von der Hipster-Platte des Jahres sprechen!
Denn mal ehrlich, so viel Hipsterkonsens fand man nichtmal in einem Ingwer-Orange-Lakritz-Smoothie mit Vollbart um 2013: Es ist jung, es ist frisch, es hat eine alte Seele, es hat den Punk gefrühstückt und es hat genug Subversionsanliegen vorzutragen, um ja nicht Establishment zu sein, es riecht nach Working Class, dem Sehnsuchtsort der Großstadtvollbärte, und es hat ein Musikwissen wie die bestsortieteste iPod-Library. Okay, jetzt wo Wigger, Spex und Co. auch auf dem Zug sind, das Pop-Establishment natürlich aufspringt, muss man so Sachen sagen, wie: Als ich mir auf dessen Konzert in Leicestershire in so einer rotzigen Kneipe dessen EP auf selbstgeleimtem Vinyl gekauft habe, da fand ich den noch gut, aber soviel Distinktionsklischee will ja heute keiner mehr aufbringen - ganz abgesehen davon, dass es nur ablenkt, wie super diese Platte doch so oft ist.
llein "Easy, Easy" ist ein erstmal gewöhnungsbedürftiges Stück, aber es hakt sich mit Widerstand im Gehör fest und macht schattige Tage wie faule Sonntage gleichermaßen genießbar. "Border Line" tanzt lässig, aber keiner guckt. "Has this hit?" heult, aber jeder guckt weg. "Cementality" will auf Wikipedia unbedingt bei dem komischen Wort "crooning" abgebildet werden. "Ocean Bed" geht Nacktschwimmen im Dustern und "Neptune Estate" hat ein paar zu viele geraucht, aber das passt schon. Und das ist genau das Ding mit King Krule, dass der so abgehangen rüberkommt, das glaubt man ja keinem in dem Alter. Nicht wahr, Jake Bugg? Gut, das Songwriting kann ruhig noch etwas straighter werden, die Ideen etwas mehr bzw. an manchen Stellen nicht alle auf einmal verplempern, aber es bleibt dabei, dass "6 Feet Beneath the Moon" ein Musikereignis für 2013 war, das es so davor und danach noch nicht gab. Und womit? Na?

Dienstag, 21. Januar 2014

Die wichtigsten Alben 2013 #23: Beach Fossils - Clash the Truth

"Oh Mamaaaaaaa, I wanna go surfiiiiing", das haben die Drums, Sie wissen es, damals gesungen, und alle haben es geglaubt, diese Beach Boy Sache, dieses dahingepfiffene Lebensleiden und diese Boybandhaftigkeit. Nur wenig später gab es die noch verwaschenere DIIV-Platte "Oshin", die den LSD-Gitarrensound noch höher und dichter, aber auch nebliger gebaut hat. Deren Sänger, Zachary Cole Smith, war bis zur Gründung von DIIV Mitglied der bis dato eher so semi-interessanten Beach Fossils, die den Strand ja schon im Namen tragen und so gesehen adäquater heißen als die nun auch wieder mitspielenden Beach Boys, deren fossilartige Rückkehr ja eher irritiert als begeistert. Und seitdem spielte das Personenkarzussel verrückt bei den Beach Fossils, sodass "Clash the Truth" auch eher ein Wunder ist als blindes Kalkül.
Gut, jetzt gehen natürlich die Vergleiche los: Ist "Clash the Truth" besser oder schlechter als "Oshin"? Ist Zachary Cole Smith der Billy Corgan des Surfrocks? Udn sind die Beach Fossils überhaupt irgendwie ernst zu nehmen? Aber natürlich sind sie das! "Clash the Truth" hat gegenüber "oshin", wenn man diese tollen Platten schon vergleichen muss, den Vorteil, nicht ganz so wolkig zu klingen. Das ist vor allem der Verdienst des ewig rumpeligen Schlagzeugs, das die ganze Platte wie wahnsinnig vorantreibt, als säße Animal von den Muppets da am Drücker. Und auch das Songwriting muss sich vor niemandem verstecken. Gut, die Gitarreneffekte sind sich doch sehr ähnlich und die Produktion sehr, positiv gesagt, erdig, aber genau das macht eben den Unterschied aus, den es unbedingt braucht, um aus "Clash the Truth" eines der besten traditionellen Rockplatten 2013 zu machen. Allein die letzte Minute aus "Crashed Out" ist der absolute wahnsinn, und man kann sich die Szene gar nicht anders vorstellen, als dass danach Instrumente demoliert werden. Gut, Somgs wie "Clash the Truth", "Generational Synthetic" oder "Sleep Apnea" meint man schonmal irgendwie gehört zu haben, aber dann kommen wieder Übersongs namens "Careless" oder "In Vertigo" um die Ecke und alles ist vergessen, gerade weil - haben wir schon das wahnsinnige Schlagzeug erwähnt? Nein?
"Clash the Truth" ist die Wiedergeburt dieser Band als die punkigere, bodenverhaftete Variante der Konkurrenz, die es unbedingt braucht, um nicht nur die feine Linie zwischen Band und Brand zu halten. Und eine großartige Platte zum Surfbretterzerschlagen ist es bobendrein. und wie viele gibt es schon davon?

Die wichtigsten Alben 2013 #24: Chance, the Rapper - Acidrap

Haben wir schonmal über Hip Hop geredet, diese unsäglich redundante und populäre Musikrichtung, die in den letzten 20 Jahren fast die gesamte Popkultur für sich eingenommen und deren Anhänger komplett ausgenommen hat? Haben wir schon darüber gesprochen, wie lächerlich sich Rap und Hip Hop die letzten zehn Jahre dabei gemacht hat, mit diesem komischen Ansprich, gleichzeitig die Gassen und Penthouses, die Charttops und Probekeller, die Billigbodelle und Kunstausstellungen in eine popkulturelle Spielart zu verwandeln, den Spagat zwischen alldem zu machen und gleichzeitig allen und niemandem gefallen zu wollen? Wäre Hip Hop ein Typ (und es gibt viele solche Typen), man könnte mit diesem kein vernünftiges Wort wechseln und würde mit sicherheit irgendwann einen Besuch in der Klapse bei ihm absolvieren.
Und Klapse ist auch das richtige Stichwort für "Acidrap" von Chance, der sich den lustigen Zusatz "the Rapper" gegeben hat, als wenn man das nämlich sonst gar nicht wüsste, dass der ein Rapper ist, wenn man seine Platten hört. Und tatsächlich wird hier nicht nur gerappt, sondern auch, ähm, gesungen und auch sonst die gesamte stimmliche Geräuschkulisse ausgereizt. So hört man von Chance eher weniger Sachen wie "Yeah" oder "Aha", sondern eher eine Mischung aus kratzigen Krabbelgruppen und jauchzenden Welpen. Das klingt jetzt erstmal schrecklich, gewöhnt man sich aber schnell dran. Denn so nervig Chance's Stimme auch erstmal ist, so zurückgelehnt kommt die ganze Platte dann doch rüber.
Kein Wunder auch, wenn man die "Acidrap" nennt und alles in bunten Farben malt. Ganz so verdrogt wie zum Beispiel einige Janelle Monae Stücke ist "Acidrap" dann nicht, zumindest vom Feeling her. Da blubbert eher die Bong und wummert der Bass tief im Partyeller deiner Schule. Auch textlich geriert sich hier eher alles harmlos und von der Spaßfraktion diktiert, was eben "Acidrap" zur Sommerplatte macht und sonst nicht mehr, aber auch nicht weniger. "Juice", "Favorite Song" oder "Good Ass Intro" jedenfalls sind so Ausnahmestücke im Rap, dass es wieder Spaß macht, sich über dieses Genre zu freuen, denn Chance ist nicht nur ein anderer Typ als die sonst so anderen Typen (wie Drake, Kid Cudi, Kanye oder you name it), sondern bringt auch genug Twist in die ehr funky gehaltenen, Westcoast inspirierten Stücke rein, dass es nicht ausgelutscht klingt. So kreiert "Acidrap" einen eigenen Stil wie, sagen wir, hierzulande der "Raop" Cros als ein neues Ding gemeint und verstanden war. Und jetzt bitte keine Hatemails.
Man wird sehen, was nach "Acidrap" kommt, das strengenommen auch nur ein Mixtape war, aber schon hörbar Albumcharakter besaß. Wenn der Erfolg Chance nicht rechtgeben sollte, dann sollte es wenigstens das Internet tun und das Ding xtausendmal runterladen.

Dienstag, 14. Januar 2014

Die wichtigsten Alben 2013 #25: Justin Timberlake - The 20/20 Experience

Justin Timberlake ist Michael Jackson. Nicht im privaten Sinne, aber Musikalisch. Zumindest auf "The 20/20 Experience", von dem beide Teile exakt so klingen, wie Jackson sich das sicherlich für sich in Zukunft ausgemalt hat: Relevant, Funky, Gewitzt und lässig, top produziert und sehr selbstständig. Man kann dem Timberlake ja vieles vorwerfen: Omnipräsenz in Film, Musik und Fernsehen, etwas Langweiligkeit und ein Entertainment-Passepartout zu sein, aber am Ende muss man sich dieses grandios choreografierte Popmaxiumum namens "The 20/20 Experience" einfach nur anhören ohne Scheuklappen anzulegen und kann nicht dankbar genug dafür sein, dass hier weder Will.I.Am noch Guetta oder sonstwer aus dem Eurodance-Protektorat seine Wurstfinger im Songwritin hatte. Gut, dass der einzige große Ausfall "Mirrors" dann doch noch zu ersten Single wird - geschenkt (man muss ja kein zweites "Cry Me A River" produzieren, das eine reicht - aber das ist sicher einfach Timberlands Schuld). Aber sowas wie "Strawberry Bubblegum", "Pusha Love Girl", "Suit And Tie" oder "Take Back The Night" ist R'n'B auf Höhe der Zeit - und damit meine ich nicht die Keyboardeskapaden von Leuten wie Blood Orange oder den Überproduzierten Girlpop der tollen Beyoncé. "The 20/20 Experience" hat auch keine Angst vor düsteren Seiten, aber wird nicht weinerlich wie The Weeknd oder chauvinistisch wie Robin Thicke. Genau das mag die Langeweile Timberlakes begründen: Er ist zu nett und zu glatt. Aber wenn man das mal hinter sich hat, dann passt in diesem Doppelwerk so gut wie alles zusammen wie nix gutes. Davon wird niemand umgehauen oder sogar begeistert, was aber letztlich falsch ist. "The 20/20 Experience" hat alles, was ein Album dieses Genres braucht, und ich meine jetzt wirklich ALLES. Das ist vielleicht zu perfekt, um es wirklich likeable oder gar loveable zu machen - aber es bleibt immer noch perfekt.

Die wichtigsten Alben 2013 #26: Pearl Jam - Lightning Bolt

Als ich mich das letzte Mal mit Steffen betrunken habe, sind wir dann die ganze Nacht nur durch tolle Pearl Jam Videos gezappt. Und gerade betrunken wirkt der kumpelige Großrock dieser Band doch um einiges stärker, was nicht zwingend ein Aufruf zum Trinken, sondern eher ein Plädoyer für diese grandiose Band ist, die auch nach Ewigkeiten abzuliefern weiß, wenngleich dreimal totgeschrieben von allen und für Altherrenrock der unschön irrelevanten Sorte deklariert wurde (woran die VÖs seit "Yield" nicht ganz unschuldig waren). "Backspacer" war dann wieder ein fantastisch gute Platte, die gar nicht so aufgesetzt war, wie man ihrer Dreiminutenrock-Prägnanz unterstellen könnte. Und jetzt "Lightning Bolt", das mit den Worten "Everyone's a critic" beginnt, wobei ich erstmal mit den Augen rollen musste, aber dann spielen die Jungs wieder wie früher auf, wieder mit Verve, mit Wut, mit Spielfreude, als würde man einer alten Fußballmannschaft bei ihrer nie erwarteten Glanzleistung zusehen. "Getaway", "Mind Your Manners" und "My Fathers Son" hätten auch wunderbar auf die fantastische Werkschau "Rearviewmirror" und die "Up"-Seite gepasst. Mit "Sirens" wird es dann wieder schmusig und kumpelig und Steffen und ich haben die Feuerzeuge ausgepackt, innerlich, um im Anschluss an den Song mit ebendiesem Feuerzeug das nächste Bier zu öffnen. Herrlich. Einzug gegen Ende wird es doch sehr Folklastig, was heutztage ja wieder als Americana bezeichnet wird und einfach meint, es klingt nach Lagerfeuer und Springsteen, was nicht schlecht ist, aber doch dem Album etwas den Schwung nimmt, den "Backspacer" zum Beispiel durchweg hatte. Aber das ist nicht schlimm, denn umso schöner ist es, diese Band wieder in Form zu haben, deren Musik ja irgendwie trendlos gut ist, egal was sie macht, und sympathisch ist das ohnehin ohne Ende. "Lightning Bolt" wird sicher kein Klassiker mehr werden, die Zeiten sind vorbei, die Aufmerksamkeit liegt auf anderen Dingen, dennoch kann 2013 froh sein, diese Platte sein Eigen zu nennen. Und jetzt kommt auch der Bierdurst wieder.

Die wichtigsten Alben 2013 #27: Disclosure - Settle

Am Ende des Jahres 2013 gab es ein grandioses Gespräch des außerhalb Deutschlands wirklich irgendwie nicht-langweilen Rolling Stone mit Noel Gallagher, was immer ein ganz hervorragender Move ist, um zitierbare Zitate über Gut und Schlecht im Musikgeschäft zu bekommen. Und neben einigen Rants über Arcade Fire und ähnlichen Kram war der talentierte Gallagher doch sehr begeistert von Disclosures "Settle". Warum?

"That's fucking mega. I went to Glastonbury this year. It was my seventh time, and it was the best one I've ever been to. I saw Disclosure in the dance tent, and I thought they were truly fucking amazing. I love that record. It's got a really old-school fucking acid house vibe to it, which I really fucking like."

Besser können wir hier das auch nicht sagen, denn ansagiger geht es nun wirklich nicht. Aber mal ehrlich, da kommen zwei noch jünger als Zwanzig aussehende Zwanzigjährige und nehmen so in unverschämtes House-Bollwerk auf, das die ganzen Alt-Raver jetzt aus ihrem Tiefschlaf aufweckt, wenn die denn überhaupt noch was mitkriegen. So viel Glitzer Glitzer und Stroboskoplicht in ein paar Bässe zu packen, den Beat ungeniert auf UntzUntzUntz gedreht und gut gewählte Studiogäste, so etwas habe ich zuletzt bei den Basement Jaxx erlebt. So Nummern wie "When A Fire Starts To Burn" oder "F Is For You" kennen da keine Gnade. "Latch" zumindest nimmt sich auch den Trends zum Ravesoul für den Club der letzten Jahre wie bei dem auch auf "Settle" als Gast auftretenden Jamie Woon an. Und "Control" beschwört den 2Step rund um Artful Dodger oder Craig David wieder herauf. Wenn man so will, versammeln die beiden Brüder hier ein Best of der UK-Bassmusik der letzten 20 Jahre, was vielleicht erstmal ein bisschen gesichtslos und wenig charakterhaft wirkt, aber dann doch Sinn mach in Zeiten, wo Leute wie Grimes ihre Musik ohne mit der Wimper zu zucken "Post-Internet" nennen. Viele haben es lange befürchtet, dass MP3, Streaming, das Plattenarchiv der großen Geschwister und Eltern sowie das Labyrinth von Youtube langfristig das Album abschafft. Und "Settle" ist sicher ein Beispiel für diesen Trend. Aber auch die Smiths haben sich nie als Album-Band betrachtet und auch einfach mal nur Singles rausgebracht, wie auch Skrillex oder Burial, die zwei größten Marker zeitgenössischer Musik, sich in den letzten Jahren fest an das EP-Format klammern. "Settle" ist ein Amalgam dieser Trends und ein tanzflurabbrennendes noch dazu. "Fucking mega" halt.

Montag, 13. Januar 2014

Die wichtigsten Alben 2013 # 28: Savages - Silence Yourself

Einfach mal die Schnauze halten. Mit denen möchte man sich sowieso lieber nicht anlegen: Savages. Die Antithese zu den Haim-Sisters, die musizieren, damit Beyoncé einmal kurz durchklingelt. In der selben Zeit sind die Savages erstmal sauer, dass ihr Publikum Handykameras auf sie richtet, und das natürlich völlig zurecht, denn das geht ja nun wirklich nicht. Und dann auch noch die Musik, pechschwarz und metallisch dröhnend, die Knüppelversion von Joy Division mit dem Pathos des säuregetränkten Metal angereichert. Da ist es doch egal, ob das nun der Geist des Punk, Postpunk oder eben des Metal ist, der durch Stücke wie "Waiting for a Sign" oder "Shut Up" weht. Vom QOTSA-Zitat in "I Am Here" ganz zu schweigen. Bei den Savages gibt es auf die Schluckklappe, aber mit einer Vehemenz, die nur erfreulich ist. Gut, das ist jetzt kaum kumpelig und zum Lachen ist hier auch niemandem zumute, aber mal ehrlich: So richtig ironiefreie Musik liefert doch heute kaum jemand mehr, weshalb das hier wirklich mal eine Abwechslung ist. Und es geht auch nicht um das latent depressive im eigenen curriculum vitae, das wiele Unironker wenn dann beschäftigt, oder eine dämliche Sinnsuche, nein, das hier sind Ansagen, und wenn uns das hier im Ansagenfeuilleton nicht gefällt, dann weiß ich aber auch nicht! Und jedes Instrument ist ein gewetztes Messer, jede dröhnend gedehnt gesungene Zeile eine Mahnung an das Kommende, und das sieht nicht gut aus, aber reiß dich halt zusammen und lass dir nicht alles gefallen. Dieser musizierende Nietzsche-Lesekreis hat uns hier eines der besten bösen Alben des Jahres beschert, und wir gucken in den Abgrund und lachen und tanzen und machen Ansagen. Und das Leben ist gut (aber bitte nicht verraten!).

Die wichtigsten Alben 2013 #29: Kurt Vile - Wakin' On A Pretty Daze

"Duschen ist überbewertet und Müsli sehr lecker, lange Haare äußerst praktisch und Blumen gods gift. Und jetzt entspann mal." Wer so redet und denkt, der hat sie doch nicht mehr alle. Aber mag sicher auch die letzte Kurt Vile Platte herzlich gerne. Ganz recht: Hippies. Die Sixties. Blumenkinder. Oha.
2012 gab es diese tolle Real Estate Aufnahme namens "Days". "Wakin' On A Pretty Daze" ist im Grunde Kurt Viles Version dieser sonnengetränkten californication, die sich nicht nur einmal im Sound ziemlich dicht an den verschwommenen Erinnerungen durchgedämmerter Sommer bedient. Zum Glück nicht in Mono oder als schnöde Referenz, denn sonst würde diese Platte als "nett" neben all den Epigonen versacken, die nichts zu sagen haben, außer dass sie auf dem Dachboden die Plattenkiste ihrer Eltern gefunden haben.
Soomerplatte hin oder her, hier ist essenzielles Pophandwerk in der Mache, schnöselig lässig und versiert gedudelt, nölig vorgetragen und mit Verve vorbeigezielt am graden Takt. Und anders als beispielsweise die Geistesbrüder von MGMT schafft Vile es, nicht prätentiös zu wirken bei der Anlage seiner Kompositionen, selbst wenn der titelgebende Opener gleich die 9 Minuten überschreitet: Weil hier alles wie aus einem Guss kommt, weil hier jede Seite so lustvoll wie leicht gezupft und angeschlagen wird, weil das Schlackzeug stoisch voranschreitet und weil jedes "Yeah Yeah" so beiläufig wie augenzwinkernd munter angebracht wird, vergeht die Zeit im Flug, ist es nicht anstrengend und auch nicht egal. "Wakin' On A Pretty Daze" ist so eine Art Konsensalbum, auf das sich kleine Schwestern wie Väter, Musikjournalisten wie Radiohörer gleichermaßen einigen können, wenn auch ohne offensichtliche Hits, aber eben als Album, das läuft und läuft und läuft und irgendwann dazugehört wie der Familienhund, der gerade im Sepiafilter immer zeitlos aussieht.

Freitag, 10. Januar 2014

Die wichtigsten Alben 2013 #30: Mount Kimbie - Cold Spring Fault Less Youth

Warpwochen im Ansagenfeuilletonmusikjahresrückblick, der jetzt ja eh viel zu spät kommt, weshalb wir ja auch keine Eile mehr haben und froh sind, ünerhaupt noch dabei zu sein in diesem Rennen, wenngleich "Plattentests" natürlich wieder mal schneller war, alle Printer ja sowieso. Und auch die haben oft Mount Kimbie gezückt und deren Protegé King Krule, der seine für sein Alter unglaubliche und unglaublich nervige Stimme über die wie geschmolzen wirkenden Tracks legt. Ich fand die ersten Mount Kimbie Sachen ja derart fantastisch, dass ich erstmal enttäuscht war von dem doch etwas drögen Arrangement, das viele Stücke auf "CSFLY" beherrscht. Hier ist es noch zurückgelehnter, noch flächiger, noch sommerschattiger als auf "Crooks and Lovers" oder auch der "Maybes" EP, die immernoch eine der besten EPs des UK-Elektro der letzten Jahrzehnte ist. Aber ich hab mich angefreundet mit den neuen Tönen, die sich wohl auch mit Warp mehr angefreundet haben als mit dem eigenen Label "Hotflush Recordings". Und gegen Tracks wie "Break Well" oder "Made to Stray" sehen viele Kollegen immernoch alt aus. Mount Kimbie schaffen auch hier wieder ein eigenes Klanguniversum, das nicht mehr so überbordend und verspielt zum Staunen zwingt wie bei den alten Sachen, aber trotzdem mit gutem Gespür für Details und Melodien durch holprige Bauklotzlandschaften manövriert, für die man sich ruhig mal etwas Zeit zum Angucken nehmen kann. Dass aber eben auch ein paar zu gewollte Aussetzer wie das dröge "Blood and Form" drauf sind, ist doch ein Wermutstropfen, den ich nicht so leicht wegdrücken kann. So ging es mir auch mit der Darkstar-Platte, die meint, nun machen zu können, was sie will, und doch nur Langeweile versprühte. Das nächste mal wieder etwas mehr Zwingendes und dafür weniger Experimentkrise, denn, wir Experimentierer wissen das, bei sowas kommt nur selten Brauchbares heraus. Guckt doch einfach mal, was Cosy aus "Made to Stray" noch rausgeholt hat.

Die wichtigsten Alben 2013 #31: Kwes - Ilp.

Warp, Warp, Warp, immer tolle Sachen, denkste da, immer so future und ein bisschen abgedreht. Und du denkst, das ist diese Retrozukunft, die sie dir versprochen haben, als Scooter "Fuck the Millenium" proklamierten, so Robotersänger mit Robotergefühlen und Roboterinstrumenten und Computerseelen. Und dann hörst du "Ilp." von Kwes und merkst: Es ist alles wahr geworden. Diese Future-R'n'B-Kiste macht ja ohnehin ihre Kreise, "Ilp" setzt dem jedoch die Krone auf mit seiner auf verschlurften Lötinstrumenten einalgorithmisierten Soul-Seeligkeit, wo der Jazz die Beatpolka tanzt und die Menschmaschine doch auch nur in den Arm genommen werden will. Wer durch "Purpleheads" am Anfang durchkommt wie durch einen violett vernebelten Geburtskanal, dem tut sich eine Welt auf wie Alice im Terrabyte-Wunderland. Und man kann schonmal daran denken, wieder zum Endboss der Gefühle zu spielen.
Was "Ilp" so anders macht als die Sachen von The Weeknd, Blood Orange, Thundercat oder, herrje, Justin Timberlake, ist die Tatsache, dass hier Stringenz waltet wie auf vielen SBTRKT-Nummern gepaart mit visionären Soundscapes, dass hier wirklich mal Tradition und Zukunft zu einer homogenen Musikmasse amalgamisieren, ohne sich wirklich für die eine oder andere Variante entscheiden zu müssen oder prätentiös aus dem Leim zu gehen - und das trotz Achtminütern wie "Cablecar". Verdrogt ist das alles, aber auch gut beatlastig und anrührend, mechanisch und elektrifizierend, ekstatisch und melancholisch, die ganze Palette, die man von Soul und R'n'B nunmal erwartet. Während sich andere in der Italodisco bedienen oder Halt in den späten 70ern und frühen 80ern Suchen geht Kews einfach nach vorne und macht, was er will. Das klingt nach Klischee, aber ist es in diesem Fall nicht, gerade in Zeiten, wo Musiker so tun, als wäre Traditionsbewusstsein genau das, was man wollen würde und einfach auf die Mittel verzichten, die sie haben könnten. "Ilp" macht, indem es sie alle bis ins letzte ausschöpft, genau das Gegenteil. Und Hut ab davor, Freunde!

Mittwoch, 8. Januar 2014

Die wichtigsten Alben 2013 #32: M.I.A. -Matangi

Das hat ja lange gedauert mit "Matangi", Frank war schon ganz ungeduldig wegen "Bad Girls" und sicher viele andere auch, und was soll man sagen: M.I.A. is fucking back. Jaja, ganz richtig. Ich gehöre ja vielleicht zu der überschaubaren Gruppe, die "Maya" für ihr bestes Album hält, weil alles da so herrlich brennt und wütend ist, aber trotzdem, ähm, groovy of sorts, weshalb ich "Bad Girls" erstmal ähnlich wumpe fand wie seinerzeit "XXXO", aber das hat sich bei beiden Songs sehr schnell geändert. Und als dann noch der Clip zu "Bring the Noise", der ja so klang wie Anthrax/Public Enemy-Crossover-Sache, da war ich erstmal wieder geflasht von desem ganzen Style, dem Bass, den Sounds und diesem Worldmusicslumdiscowedontgiveafuck-Thing, das bei M.I.A. als Trademark eh schon durch die Decke geht. Gut, man kann so Nummern wie "Y.A.L.A" oder ihre Interviews sehr albern finden und auch die Haltung als etwas manichäisch abtun (und meinetwegen auch opportunistisch), aber musikalisch ist auch "Matangi" weiter stilbildend auf der Höhe seiner Zeit, und wer nach einer Reaktion auf den NSA-Scheiß sucht, der muss sich eh nochmal die Paranoia von "Maya" reinziehen. Kurzum gibt es kaum eine(n) Künstler*in, die das Weltgefühl von diesem Globalisierungsdingsbums so pointiert und frisch auf den Punkt bringen kann wie M.I.A. und deshalb ist auch "Matangi" eins: wichtig, wichtig, wichtig. Und wenn sie recht behält, wird man eh erst in zwei Jahren checken, was dieses Album uns eigentlich in seiner Gänze zu sagen hat. Ich freu mich drauf.

Montag, 6. Januar 2014

Die wichtigsten Alben 2013 #33: Deptford Goth - Life After Defo

Da geht der traurigste Mensch ever mit seinen bunten Luftballons am Handgelenk baden, die Stimmung am herzschmerzigen Tiefpunkt, Land unter, was für ein Song. "Union" und der dazugedrehte Clip vom Album "Life After Defo" war das anrührigste, was du 2013 vorgesetzt bekommen konntest. Die Spex hat versucht, den guten Mann zusammen mit Vondelpark in die James-Blake-Gedächtnisecke für Hantologen zu stecken, aber das macht nur oberflächlich Sinn, denn Deptford Goth ist weniger frei nach Otto Waalkes vom Kopf zum Herz zu den Nieren sprechend, sondern ein ganzkörperlicher Schauer. Der Titeltrack und "Union" sind die besten Beispiele dafür. Zwar huscht hier und da der Hall durch die Instrumentierung und verquirlt sich zu einem minimalen Soundgewand gespenstischer Art, aber eher in der Art, wie verlorene Seelen durch die Gegend spuken und nicht diskursive Gespenstermedien und Archive. Rederenzfeuerwerk sieht anders aus. "Life After Defo" ist eher die beste Platte für schlechte Tage, denn in jedem Regenwetter halten dich die Songs oben. Wie bunte Luftballons am Handgelenk.