Montag, 24. Februar 2014
Fluch oder Segen? Segen oder Fluch?
Was aber das Beste an "Yeti am Mittag" war, das war das Gespür für die große Fragestellung. Denn jede Folge hatte grandiose Themen, die "Fluch oder Segen" hießen. Eine Sendung wie "Reinhold Messner - Fluch oder Segen", die würde ich mir sofort ansehen, so großartig ist diese Frage, die wirklich neben der kölschen Universalfrage "Wat soll dä Quatsch?" ein Garant für wirklich tiefgehende, absolut scharfe und gewinnbringende Diskussionen über die Dinge in der um um die Welt ist. Man sollte, ja man muss diese Frage öfter stellen, das zumindest ist unser Eindruck hier im Ansagenfeuilleton. Und sind wir mal ehrlich: Kaum eine Frage eignet sich doch mehr dazu, Ansagen zu provozieren, zu produzieren und zu exponieren. Die Freunde des manichäischen Weldbildes (und wer ist das nicht!) werden voll auf ihre Kosten kommen. Zumindest, wenn man sich an die Regeln dieses Spiels hält, das die Frage auszeichnet, die keine Grauzonen kennt. Wer zum Beispiel Kathrin Passigs und Sascha Lobos "Internet - Segen oder Fluch?" gelesen hat, der wird nicht um die Enntäuschung umhinkommen (Achtung: Spoiler), dass das Internet sowohl seine guten als auch seine Schlechten Seiten sowie das Potential zu (Achtung: Spoiler) noch mehr Gutem und noch mehr Schlechtem haben kann. Das ist so differenziert wie die Titelfrage Undifferenziertheit verlangt. Absolut: Fluch! Und da ist es auch egal, wierum man die Frage stellt, Fluch oder Segen, Segen oder Fluch (zumindest, wenn nicht ein Hirnforscher [Fluch!] bereits belegt hat, dass diese Frageformation schon biased ist).
Wie wichtig diese Frage ist [absolut: Segen!], das zeigt schon die Suchfragenverwandtschaft bei Google: Globalisierung, Handy, Gentechnik, Internet, Monsun, Facebook, Plastik [!] - Fluch oder Segen? Diese ganz großen Dinge, diese ganz großen Fragen sind es doch, die wir uns hier stellen müssen und stllen sollen, die viel zu selten gestellt werden. Deshalb werden wir diese Rubrik auch ab sofort in unser Programm aufnehmen. Ob als Fluch oder Segen für das Ansagenfeuilleton, das wird sich allerdings noch herausstellen.
Die wichtigsten Alben 2013 #5: Fuck Buttons - Slow Focus
Gut, die Beats werden mit den heimischen Reason-Produktionen auch immer bigger, die Bässe hängen so tief wie es die Anlagenendstufe nur zulässt oder der Kollege von den Tune Devils Cologne oder so. Und Skrillex ist jetzt sicher auch eine eingetragene Referenzmarke. Aber ob es sich dabei gleich um ein Big Beat Revival im Stile der Neunzuger handelt, das weiß ich nun wirklich nicht, wenngleich die hier genannten aktuellen Vertreter ähnlich eskalationsfreudig ihre Sample-Software bedienen. Der Unterschied für mich ist, dass Leute wie Skrillex oder Nero sich am Modus des Rave mit der Haltung des Metal oder altschulischen Rock bedienen, der Big Beat hingegen auch auf den Rave schielt aber die Haltung des Hip Hop einnimmt. Aber genug doziert und endlich auch mal was zu den Fuck Buttons sagen, dieser Band mit dem strunzdoofen Namen und den großartigen Musikideen.
Denn wenn "Slow Focus" eines ist, dann der würdigste Vertreter des Big Beat in den letzten 20 Jahren - wobei dieses Label natürlich wieder zu eng, zu ungerecht und, wie irgendwie fast jedes Label, zu langweilig ist, aber lassen wir das erstmal so. Wer sich einfach mal "The Red Wing" anhört - und sei es nur in der halb so langen Videoversion - der wird kaum umhinkommen, hier nicht den Wumms der Neunziger rauszuhören, die Vertracktheit des ´Hip Hop geschulten Beat Samplings und die hüftschwunglässige Attitüde des Tracks, der zu den besten gehört, was elektronische Tanzmusik letztes Jahr zu bieten hatte. Ich meine, wer da nicht Auto fahren und Geldscheine schmeißen möchte, dem ist doch auch nicht mehr zu helfen. Aber "Slow Focus" hat vor allem das Ideenarsenal, das sich in vielen Tracks des Vorgängers "Tarot Sport" besonders in Tracks wie "Olympians" oder "Surf Solar" aufgestaut hat: Dieser Überschuss an Sampleflächen, dieser unbedingte Wille, dem Track noch einen drau zu setzen, diese Nonchalance im Zersägen der eigenen Tonspuren und der Zwang zum Ekstatischen, der sich aus dieser Schichtung ergibt. Genau diese Merkmale sind es, welche die Fuck Buttons aus dem Einheitsbrei der Beatmusik herausragen lassen. Ich meine, wem nach "Brain Freeze" nicht schon der Kopf dröhnt nach diesem überbordenden Drumgesample, wer bei "Stalker" nicht innerlich oder tatsächlich abhebt oder bei "Hidden XS" nicht völlig ausflippt, der wird auch mit "Slow Focus" nicht viel angefangen, aber vielleicht die Kopfparty des Jahres verpasst haben. Und selbst die mehr oder weniger schrägen Interludes wie "Year of the Dog" oder "Prince's Price" (die hier natürlich alle die 4 Minuten Marke knacken, kurz ist halt relativ) sind so Sound- wie Ideenreich gehalten, dass sie das Album auch als soclhes zusammenhalten können wie Fugenkleber. Denn wenn bei dem Soundentwurf der Fuck Buttons eines passieren kann, dann dass alles unter der Smplinglast zusammenkracht. Aber gerade das passierte weder auf "Tarot Sport" noch auf "Slow Focus" - und das ist doch das eigentliche Wunder, dass es hier an allen Ecken und Enden zündet und knallt aber alles so stabil konstruiert ist, dass man auch morgen noch kraftvoll durchraven kann. Aber genug Wasser mitbringen, bite.
Donnerstag, 20. Februar 2014
Die wichtigsten Alben 2013 # 6: James Blake - Overgrown
Die frühen Dubstep-Avancen auf R&S Records wie "Klavierwerke" (allein dieser prätentiöse Name!), die Kollaborationen mit Mount Kimbie mal dahingestellt: Das auch noch selbstbetitelte Debüt war doch die Konsensplatte für alle Spex-Leser, die mit schlechtem Gewissen aber großem Genuss zu Starbucks schlendern und in der Großstadt davon Reden mal wieder wandern zu gehen wegen Luft und so. Grauenvoll! Aber da kann ja die Musik nichts für, eigentlich, denn "James Blake" war vor allem: Ein Manifest der Großstadtseele mit den absolut therieaffinen und zeitgemäßesten Songs jenseits von Burial. Wie oft man in "I Never Learnt To Share" rausheulen konnte, dass man sich mit seinen Geschwistern nicht mehr versteht, aber das gewiss nicht deren Schuld sei, das war schon herzzerreißend, genau wie die Eskapaden auf "Wilhelm Scream" oder "I Mind", vom Feist-Cover "Limit to your Love" mal ganz geschwiegen.
Und was sollte "Overgrown" nichts anderes sein als die Fortführung, Krönung, Unterwerfung und Explosion dieses musikalischen Großtäters, der ein Geisteralbum mit Seele, ein Stadtalbum mit Herz und ein Soulalbum mit High Voltage aufgenommen hat? Und genau so ist es gekommen! Wie langweilig! Aber da müssen wir durch, denn "Overgrown" hat nichts anderes verdient als unsere Hochachtung. Denn man kann zwar meinen, Blake musiziere vom Kopf her, wage nur Experimente in einem sehr eng abgesteckten Rahmen und überhaupt sei viel zu weinerlich, aber boo-fuckin'-hoo, dann ist das eben so. Das soll uns hier doch egal sein, wenn so große Nummern wie das Titelstück dabei raus kommen, das sozusagen die Musicalversion von Alan Wisemans "Die Welt ohne uns" ist. Oder "I Am Sold", diesem tausendtränentief komponierten Wahnsinnsstück. Oder "Life Round Here", das sich am Ende in einen Acid-Zauberwürfel verwandelt und sich selbst ein Beinchen stellt. Von der RZA-Kollaoration "Take A Fall For Me" muss doch gar nicht mehr reden, oder? Wer heute noch über Beziehungen und Heiraten mit dem Wort "Poltergeist" rappen kann, der hat ohnehin graue Gewinnerzellen. "Retrograde" schließlich macht das Apokalypse-Feeling auf "Overgrown" komplett - "and your friends won't come". Das wird nuch noch härter durch den durchgeknallten Rise of the Machines Roboter in "Digital Lion" und den absolut creepy Housetrack "Voyeur", die beide keine Gefangenen machen wenn es um Biestigkeit und Selbstzerstörung geht.
Und das ist es auch, was "Overgrown" so unglaublich toll macht und dann doch wirklich niemals langweilig: Dass Blake sich immer öfter traut, seine fein abgestimmten Kompositionen eskalieren zu lassen, dass sie nicht enden, wie sie beginnen, also nicht vor sich hin schleichen und siechen, einen einlullen, sondern einen mit der Kontingenz konfrontieren, dass hier nichts ist und bleibt wie man denkt. Dass es dabei immer wieder um Vereinsamung, Verinselung und Vernichtung geht macht auch ein "Our Love Comes Back" am Ende nicht mehr wett, das nach all der Destruktion und dem zeitweisen Wahnsinn auch nicht mehrso recht tröstet. Man kann Blake weiterhin etwas eisiges Kalkül unterstellen. Aber sei es drum, denn "Overgrown" ist eine ganz große Komposition für das Jahr, in dem die Welt eigentlich den Roland Emmerich machen sollte. Solange Platten wie "Overgrown" noch Seelen fangen und brechen ist die Apokalypse aber in guten Händen.
Mittwoch, 19. Februar 2014
Die wichtigsten Alben 2013 #7: Queens of the Stone Age - ...like Clockwork
Denn da ist erstmal die Gästeliste, die man nur mit viel Phantasie hört. Dave Grohl, war klar. Aber zum Beispiel Elton John? Wer "Fairweather Friend" dann gehört hat, kommt nie wieder dazu, nicht mehr Elton John darin zu hören, auch wenn es einem von alleine nie eingefallen wäre. Nick Olivieri ist auch wieder dabei. Schade, wenn man mich fragt. Denn ehrlich gesagt konnte ich mit diesem "Desert Sessions" Kram, der immer trocken rüberkommt wie ein Zwieback in der Wüste Gobi, nie wirklich etwas anfangen: Zu formelhaft, zu hüftsteif, zu angestaubt und zu wenig inspiriert war mir das. Und als dann "Era Vulgaris" rauskam, das erste und leider auch einzige Album der QOTSA ohne Olivieri, da war ich hellauf begeistert: So kaputt, so ab- und aufgedreht, so schräg und irre frei hab ich das Songwriting von Homme noch nie erlebt. Zwar sprach der Wahnsinn aus jeder Note auf diesem Album, alles war "Sick Sick Sick", aber warum nicht? Dass Homme anscheinend wirklich kaputt war und ist tut mir dabei natürlich wirklich leid.
"...like Clockwork" nun hat alles, was eine gute QOTSA-Platte braucht, vor allem aber vereint es vor allem die guten Seiten dieser Band. "Keep Your Eyes Peeled" legt gleich am Anfang die tonnenschweren Guitarren auf den Zug, der langsam und donnernd losbrettert. "I Sat By The Ocean" klingt erstmal wie "3's & 7's", dem doch konventionellsten Song auf "Era Vulgaris",macht aber ein paar Haken mehr und wird dadurch riesengroß, besonders am Ende. "My God is the Sun" schießt aus allen Rohren, während "Kalopsia" vom Delirium in die Paranoia driftet. Die Highlights sind für mich dann aber vor allem das schön aufgeladene "Smooth Sailing", das sich als Date entpuppt, bei dem du die Crazy Eyes erst bemekst, wenn es zu spät ist und das wirklich wunderschöne, todtraurige und hochdeprimierende Titelstück, das dieses Album nicht nur abshcließt und abrundet, sondern auch abheben lässt.
"...like Clockwork" ist nicht so aufregend, sexy und wendungsreich wie "Era Vulgaris", es hat vielleicht auch nicht den Drive von "Songs For the Deaf" und ihm fehlt auch zeitweise der Zynismus von "Rated R" (von "Lullabies to Paralyze" reden wir lieber nicht), also vieles, was man an dieser Band mögen könnte. Zumindest nie im Extrem wie es diese Alben alle für sich hatten. Dafür findet "...like Clockwork" die Balance zwischen all diesen Extremen, die QOTSA als Rockband repräsentieren, die sie vielleicht so groß gemacht haben aber doch irgendwann abstürzen lassen müssten. Dieses Album hat genug Größe und Substanz um gegenüber allen bisherigen Großtaten zu bestehen, selbst wenn man ihm die Last der Bandgeschichte anmerkt. Aber letztlich wird "...like Clockwork" am Ende das Konsensalbum dieser Band sein, das niemand wirklich ernsthaft schlecht finden kann, dem irgendetwas an traditionsbewusstem, ehrlichen und doch immer interessanten Rock gelegen ist. Und abgesehen davon, jetzt mal ehrlich: Plattencover, ach was, Plattenartwork des Jahres, oder?
Dienstag, 18. Februar 2014
Die wichtigsten Alben 2013 #8: Vampire Weekend - Modern Vampires of the City
Es geht doch: Lässig aussehen beim Belesen-Sein. Lustig klatschen und Pfeiffen beim Philosophieren. Mit den Augen zwinkern beim Fußnotensetzen. Vampire Weekend haben bewiesen, wie lässig akademisierte Zeichen und Gesten sein können. Lieder über Kommasetzung? Catchy! Ein Song über das Abhängen auf dem Campus? Groß! Das Leben von Diplomatensöhnen besingen? Aber Hallo! Dazu noch die Diskussion, ob Prep Look jetzt wieder geht und "irgendwie links" sein kann (was die "Der Freitag"-Community sicher jetzt noch diskutiert), aber das muss die vier Jungs von der Ostküste so dermaßen nicht kratzen, ob auf ihren Hemden Polo gespielt wird oder die Seglerschuhe verdächtig aussehen. Achj und natürlich: Paul Simon.
Und jetzt "Modern Vampires of the City" und ich dachte: Da kommt nichts mehr, was irgendwie überrascht. Der Sound der Band ist ausgefeilt, der Kosmos erforscht und abgesteckt und jetzt gibt es nur noch audefinition des bereits Bekannten. Aber denkste! Natürlich klingt "Modern Vampires of the City" noch unverkennbar nach Vampire Weekend, natürlich sind auch hier die bekannten Einflüsse zwischen 80s-Punk und World Music mit drin, selbst der Blues und ein bisschen später Michael Jackson und früher Elvis schauten um die Ecke. Aber so selbstständig klang diese Band bisher noch nicht, wohl auch dank dieser Unbeschwertheit, die "Vampire Weekend" und "Contra" schon so großartig machten, jetzt aber komplett freigedreht hat. Vielleicht war das brennende Auto im eher Gif als Clip zu "Diane Young" schon Vorbote für das Phoenix-Asche-Ding genauso wie das kurz darauf folgende Schampusvideo zum fantastischen Chipmunk-Overkill "Ya Hey": Lass es brennen und gieß den sSchampus drauf! Und so handelt "Modern Vampires of the City" alles in allem wieder von der Ostküste, vom Campus, vom Bücherregal, vom fernen Israel und dem Melting Pot USA, von der Plattensammlung der Eltern und dem Nichtwissen und Großmaulen der Twens. Und wie keine andere Band dieser Zeit bringen Vampire Weekend diese kleinen Existenzkrisen weißer Mittelständler mit so viel Lebensfreunde zusammen, dass sie wie die lachenden tragischen Menschen schlechthin erscheinen. Die Todessehnsucht und der letztgültige Kommentar zu Religionsideologien in "Unbelievers" oder "Worship You", der kontemplative Herzschmerz von "Step" oder "Everlasting Arms", die Lebenswut in "Ya Hey" und "Hannah Hunt" sowie der IMHO Übersong der Platte "Finger Back", in dem ein Mikrokosmos implodiert und die Spielfreude der Band explodiert, dann sind das alles Momente, auf denen "Modern Vampires of the City" wie ein Klassiker klingt, der schon längst auf den Plattentellern deiner Großeltern gedreht hat, auf den nicht wir, sondern der auf uns gewartet hat, der tief as der Musikgeschichte schöpft, als wäre es das Selbstverständlichste auf der ganzen Welt, als wäre diese Platte die Selbstverständlichste überhaupt. Das hatten "Vampire Weekend" und "Contra" in ihrem vorwärts gedachten und rückwärts zusammengesetzten Ideenreichtum in der Art noch nicht geschafft. Auf "Modern Vampires of the City" kann man einer Band an einem Punkt lauschen, an dem sie sich nicht mehr rechtfertigen, an dem sie nicht mehr nachdenken muss darüber, wer sie sein will und wie, sondern an dem scheinbar alles so leicht von der Hand geht aber trotzdem vorne und hinten genial konstruiert ist. Vampire Weekend sind hier auf der Höhe ihres Schaffens ohne den Eindruck zu erwecken, dass danach nichts mehr komme - ganz im Gegenteil: Jetzt ist alles möglich.
Sonntag, 16. Februar 2014
Die wichtigsten Alben 2013 #9: Gold Panda - Half of where you live
Manche fanden "Half of where you live" nicht gut. Ich weiß nicht, warum. Der vergleich mit dem Wahnsinns-Vorgänger "Lucky Shiner" führt für uns hier nicht dazu, die neue LP abzuwerten (und wie schwer es LPs in diesem Genre haben, ist ja hinlänglich bekannt), ganz im Gegenteil: Gerade wer Gold Panda dieses Jahr live erleben durfte hat gemerkt, wie homogen das Neue mit dem Alten zusammengeht. "Lucky Shiner" hatte den Übertrack "You", der wirklich ein Übertrack ist und bleibt. Und auch sonst zeichnet sich Gold Pandas Musik nicht nur durch das Trigger Happy Sampling aus, sondern auch durch die schönen, schnöden und, sorry, groovigen Beats aus, die rumpeln und klackern wie eine Seifenkiste, die Weltmusikeinflüsse, die die Musik zum Melting Pot machen, die Spielfreude in der Zusammensetzung und den positiven Vibe (beachtlich gerade für einen Typen, der in Interviews immer etwas griesgrämig rüberkommt wie Oskar aus der Mülltonne und Nepomuk aus Hallo Spencer zusammen). All das hat auch "Half of where you live", wenngleich die Kurve zum 4/4-Beat, zum House und Elektro nochmal etwas schärfer geschnitten wurde als auf "Lucky Shiner". Aber auch hier heißt es: Wichtig ist auf'm Platz und der ist überall zuhause. Allein "We Work Nights" oder "Brazil" sind so spaßig zusammengebaut, so gelenk danebengetaktet, so gutgelaunt verstrahlt und handverlesen, dass es eine reine Freude ist. Oder nimm "An English House", diese Teezeremonie auf Acid, das im Traum redende "Community" oder das sich fleißig und zielgerade in die Partynacht steigernde "Junk City II", hier sitzt alles so perfekt und glichzeitig so schön fremd, dass man nicht weiß, wo man mit dem Staunen anfangen und aufhören soll. Klar, der Reise-Topos für elektronische Musik, genau wie der Trip, der Traum und die Ekstase, das sind Klischees, die hier zwar zum Tragen kommen, aber am Ende nicht reichen. Dazu bleibt "Half of where you live" trotz aller Einflüsse, Abdriftereien, Schwelgereien und Experimente zu sehr am (Tanz)Boden, was eben auch die interessenante Mischung ist, die Gold Panda von anderen Acts, deren Kopf oft genug in den Wolken steckt, abhebt. Und so ist auch "Half of where you live" ein Ausnahmewerk in zeitgenössoscher House- und Eelktromusik, das nur oberflächlich mehr Ambient-Elemente zulässt. Dadrunter aber wartet eine ganze Welt voller Wunder - und zwar eine ganz reale.
Mittwoch, 12. Februar 2014
Die wichtigsten Alben 2013 #10: DJ Koze - Amygdala
"Amygdala" nun sollte soetwas wie das definitive Pampa-Manifest werden. Und was soll man sagen? Genau das ist es auch geworden. Der warme Bass, die dumpfen Beats, die merkwürdigen Snares, die Liebe zum Detail im Sound und der entspannte Humor, der Hang zum Experiment und das Changieren zwischen Club und Sofa beherrscht "Amygdala" nahezu perfekt. Die Gästeliste ist großartig, von Sascha Ring über Dirk von Lotzow bis Matthew Dear sind alles Hochkaräter dabei, die neben klassichen Clubtracks wie "La Duquesa" auch eine etwas verschroben poppige Note reinbringen. Und selbst die Coverversion von "Homesick" der Kings of Convenience ist nicht so cheesy, wie man denken würde, erst recht nicht das Update der Marlene Dietrich mit "Ich schreib dir ein Buch 2013", was ja ein unglaublich doofer Titel ist, eine unglaublich heikle Idee, aber ohne Zweifel einer der besten Tanztracks des vergangenen Jahres. "Nices Wölkchen" gehört genauso dazu wie "My Plans" oder "Magical Boy", lediglich "Don't Lose My Mind" bremst den Trip, der "Amygdala" ja ist (worauf nicht nur das verkiffte Intro verweist) etwas aus. Aber der traumhafte Nonsense namens "NooOoo" am Ende der Reise wiegt so wunderbar in den sanften Schlaf, dass man nicht anders kann, als zufrieden zu grinsen, sobald "Amygala" mit dir seine Runde gedreht hat. 2013 ist gerettet, alles wird gut, House wird gut, Elektro wird gut, Feuilleton und Blog und Club und Sofa und Love, alles wird gut.
Nur das Cover, das ist so hässlich, das geht wirklich überhaupt nicht.
Dienstag, 11. Februar 2014
Die wichtigsten Alben 2013 #11: The National - Trouble Will Finde Me
"Trouble Will Find Me" macht da auch keine Ausnahme. "Jenny I am in trouble, can't get these feelings out of me / Jenny I'm seeing double, I know this changes everything" ist so eine Zeile aus "This is the last Time", die das ganze The National Programm, die ganze Haltung, das ganze Sein und Sollen dieser Band auf den Punkt bringt. Und so ist "Trouble Will Find Me" auch nicht weniger als die Fortführung eines Erfolgskonzeptes, das diese Band über die Jahre perfektioniert hat. Wintrinker of the Weltschmerz, unite and take over, sozusagen. Und auch, wenn die Kalauer im Angesicht dieses doch sich wiederholenden Motivs hier gerade überschlagen, so ist "Trouble Will Find Me" doch keine Ermüdungsmusik, die diese Band schon besser, schon tiefsinniger und berührender gemacht hat. Man kann zwar anmerken, wie wenig Hoffnung Berninger noch in seinen Lyrics versprüht, wenn ihn die "Demons" einfach mitreißen, wie einsam "I Need My Girl", der Ausnahmesong dieser Platte, doch klingt, und wie traurig geht es denn noch, fragt man sich angesichts eines Songs wie "Pink Rabbits", der das Versagen auf ganzer Linie zelebriert und daher das kleine Glück nicht fassen, nicht an sich lassen kann.
Dass The National als Band aus Brooklyn schon immer kunstsinnig waren, überrascht nicht. Dass sie im MoMA eine stundenlange Performance von "Sorrow" aufführten, dass sie in ihrem Artwork Künstler unterbrachten, die in der von ihnen eigens betriebenen Galerie ausstellen - geschenkt. Das alles ist nur abrundendes Beiwerk einer Musik, die mehr und mehr zum Trademark dieser Band wird, sie mehr und mehr selbst zu einer Referenz im Rock macht als sie sich Referenzen selbst bedienen müssen, um beschrieben zu werden. Und dass sie mit dem grandiosen Video zu "Sea of Love" noch eines der lustigsten Punkclips überhaupt zitieren, zeugt immerhin von Humor, den die Band, die es so schwer hat und das jeden fühlen lassen will, so auch unbedingt braucht. Diese Band ist im Laufe der Jahre so groß geworden, dass selbst meine Mutter sie hört, genau wie meine Schwestern, meine Freundin, meine Freunde, ihr da im Internet, die Headliner auf Festivals spielt, die großen Hallen bucht und gut füllt, die weltweit den Ruhm einfährt - und das alles so leise, still und heimlich, dass auch nicht überrascht, wie unspektakulär spektakulär auch "Trouble Will Find Me" ist. Sicherlich nicht das beste Album dieser Band, aber wen schert denn das, solange es auch 2013 den Ruhm zementiert, den The National verdient hat. Und solange Songs wie "Don't Swallow the Cap" oder "Graceless" dabei rumkommen, bin ich zumindest sehr, sehr glücklich. Auch ein guter Grund zu trinken, irgendwie - aber nicht Matt Berninger sagen.
Die wichtigsten Alben 2013 #12: Baths - Obsidian
Hätte es aber tatsächlich ein zweites Postal Service Album gegeben, es hätte vielleicht so ähnlich geklungen, wie "Obsidian" von Baths. Denn nicht nur können sich Ben Gibbard und Jimmy Tamborello auf die Fahnen schreiben, sämtliche emofizierte Indietronics zwischen Crystal Castles und Washed Out angetrieben, sondern auch ein immer noch klassisches Referenzwerk für jede Platte dieser Art im CV zu haben. Und so, wie Baths zumindest mit "Cerulian" die Avantgarde des sogenannten Chill Wave bildeten, haben sie mit "Obsidian" den großen Pop-Entwurf mit Mitteln des Motherboards gewagt, wie zuvor nur "Give Up".
Ich meine, man muss sich nur mal "Miasma Sky" oder "Phaedra" anhören. Wer da nicht sofort an "We will become Silhouettes" oder "Nothing Better" denkt, der hat "Give Up" sicher noch nie aufmerksam gehört. Aber "Obsidian" ist mehr als eine Quasi-Hommage an eines der besten Alben des bisherigen 21. Jahrhunderts. Dafür steht es zu sehr auf eigenen Füßen, dafür sind die Themen auch zu anders und die Stimmung doch auch leicht bedrohlicher und sinnlich aufgeladener als das doch eher kontemplative und von diffuser life angst besetzte "Give Up". So klingt "Ironworks" auch eher nach Antony and the Johnsons oder How to Dress Well, "Incompatible" parkt nah am R'n'B von Ginuwine, "No Eyes" wiederum mischt mit seinen Chiptune-Sounds explizite Sexphantasien, "No Past Lives" und "Earth Death" baden in Wut und Verzweiflung, während sie vom Umtergang sehnlich träumen, während "Inter" das Album ausklingen lässt, als würden die Fleet Foxes sich beim Jammen giggelnd im Kreis drehen.
"Obsidian" ist eine verdammt gute Platte, eine verdammt geradlinige und trotzdem vertrackte Angelegenheit, hörbar ohne Ende und emotional wie nix Gutes, dabei sträflich vernachlässigt, was Aufmerksamkeit, Ruhm und Reichtum angeht. Hätte jeder, der auf "Give Up 2" gewartet hat, mal lieber die Lauscher nach diesem schwarz funkelnden Album augestreckt, vielleicht wären sie ja zufriedener Gewesen mit diesem Musikjahr 2013. In jedem Fall aber glücklich darüber, dass es dieses phantastische Album gibt - ob nun in 10 Jahren noch darüber geredet wird oder nicht. Verdient wäre es.
Montag, 10. Februar 2014
Die wichtigsten Alben 2013 #13: Jon Hopkins - Immunity
Und was hat das denn jetzt mit der Jon Hopkins Platte namens "Immunity" zu tun? Fast alles! Und zwar kommt das so: Wer sich 2013 nach Elektro umgesehen hat, der kam an viele verschiedene Soundentwürfe, die aber vor allem Entspannung gesucht haben und ein bisschen schief grinsten. Das gilt selbst für die VÖs von Moderat oder Laurel Halo, Dean Blunt (ist das noch Elektro oder schon Blues) oder Darkstar. Aber kaum jemand hat konsequent so traurige Raves abgeliefert wie Jon Hopkins mit "Immunity". Den Übertrack "Open Eye Signal" hab ich das erste Mal geteilt von Four Tet auf Facebook gehört und war sofort hin und weg. Diese komplexe Soundräume, dieser sägende Bass, dieser pumpende Rhythmus und der fast traditionell ausufernde Rave-Aufbau, bis dass am Ende fast alles in drei Minuten kratzigstem House versenkt wird, das war schon überwätligend. Umso schöner, dass der ganze Breitwandrave auch auf "Immunity" funktionierte, das sicherlich so manchen Sci-Fi-Streifen im Kopf ausmalen kann, aber auch mal die dunklen Seiten des Mondes in Klaviertasten verwandelt, wie zum Beispiel auf "Abandon Window". Four Tet und Burial haben in ihren Kollaborationen ja eine ähnliche Dichte an Emotionen und Sounds gesucht und gefunden. Dass Hopkins unter anderem auch mit Brian Eno an Coldplays Stadionpop mitgefeilt hat, merkt man "Immunity" ebenso an wie die Hinwendung zu Burial/Four Tets bewusstseinserweiternden, einem UNESCO-Weltkulturerbe gleichkommenden Experimenten. "Immunity" schafft es zudem, die Waage zu halten zwischen Eskalation und Depression, funktioniert sowohl vor, im und nach dem Club - und sogar am Katermorgen danach, wenn der Glowstick noch sein letztes Licht ausgibt. "Collider", "Sun Harmonics" oder der Titeltrack geben Formatvorlagen zu allen möglichen Sounddesigns, die man auf der Gefühlsskala bedienen kann, was das Album nicht etwas auseinander reißt, sondern auch als Album funktionieren lässt, was ja nun wirklich nicht jedem Künstler aus dem reinen Elektrobereich gelingt. Glücklicherweise verzichtet Hopkins meist auf Gastsänger oder bettet sie heimlich in seine überbordenden Sound-Kathedralen ein, ohne sie, wie zum Beispiel bei Bonobo, der Farbkombination im Gesamtbild des Albums zu grelle oder ausfallende Flecken zuzufügen. Dabei bedient sich Hopkins nicht nur der gleichen Mittel, wie Burial, Four Tet oder Eno und Coldplay, sondern markiert auch gleich sein eigenes Revier im Raum zwischen all diesen letztlich doch grundverschiedenen Künstlern. Feuerzeug raus im Club, sozusagen: das muss man erst mal schaffen.
Die wichtigsten Alben 2013 #14: Lorde - Pure Heroine
Samstag, 8. Februar 2014
Die wichtigsten Alben 2013 #15: Veronica Falls - Waiting for Something to Happen
Daür hat der Nachfolger die exzessive Perfektion einer Formel zu bieten, die man Musik nennn könnte, bei der man wieder mal händchenhaltend über Blumenwiesen hüpfen oder Montagen aus Rom Coms unterlegen kann, wenn sie denn endlich, endlich zusammengekommen sind. Ja, "Waiting for Something to Happen" ist nicht morbide, sondern sonnigsten gemüts (abgesehen von schönen Songs wie "Bury me alive" oder ähnlich). Hier heißen die Songs "Teenage", "Shooting Star" oder "My Heart Beats" und hätte die Frühlingsplatte des Jahres sein müssen, liebe 2013er, aber es kam anders und gar nicht dazu und jeder sollte sich etwas schämen. Wer "Tell Me", besagtes "Teenage", "Falling Out" oder "Last Conversation" gehört hat, der wird jedenfalls nicht unglücklich leben und sterben können, sondern endlich wieder Polkadots oder Lederjacke tragen wollen und zu Mixtapes auf günen Hügeln tanzen. Und klar ist das etwas cheesy, klar ist das sehr, sehr jugendlich, natürlich ist bittersweet der exakteste Ausdruck, der "Waiting for Something to Happen" beschreibt, aber herrgottnochmal, das ist doch kein Problem, das ist, in einem Wort, Pop, alles großbuchstabiert und ausstaffiert, das sind Träume und die Angst vor ihrem Verbrechen, das sind angehaltene Momente un die Trauer darüber, dass sie nicht so ewig sind, wie man dachte, das ist jugendliche Romantik galore und deshalb so wahnsinnig gut, dass es mehr verdient hat, als eine Fußnote zu einem Musikjahr zu sein, in dem vor alem Altherenträume wahr wurden, von Disco bis Bowie bis "Blurred Lines" und, achja, Miley Cyrus. Veronica Falls sind vielleicht zu "nett" für die große Euphorie, aber heimlich, ganz heimlich, düfen wir sie alle ins unser Herz lassen und auch mal wieder ein Gänseblümchen pflücken, just because.
Dienstag, 4. Februar 2014
Ansage #4: Continuity
Aber man muss kein Kulturpessimist sein, um in der Serie das Lebensparadigma von "uns" schlechthin zu erkennen. Und natürlich betrifft das nicht nur "uns" vor den blauen Bildschirmen, die immer flacher werden, die Figuren durch das Serienformat aber immer (hoffentlich, zumindest) immer tiefer. Es betrifft genauso auch die Figuren selbst, die sich immer wieder durch ihr Leben kämpfen müssen, in das sie jede Folge gezwungen werden. Und so geht es für uns alle, ob fiktiv oder nicht, immer weiter. So sehr, dass die Continuity, das Anknüpfen an frühere Episoden, Leben oder Existenzen, schier unendlich wird.
Das geht mit der Kontinuität sogar so weit, dass sie für Fiktionen selbst fiktionalisiert wird. Sasha Weiss zum Beispiel sieht Claire Danes. Aber sie sieht noch mehr. Sie sieht auch Carrie Mathison aus "Homeland" und Angela Chase aus "My So-Called Life". Beide teilen sich das Gesicht von Danes, aber nicht nur irgendeines: Sie teilen sich ganz besonders das sogenannte "Cryface", das Danes so besonders gut kann. Weiss fängt an zu imaginieren, dass Carrie eine erwachsene Version von Angela ist, dass diese Figuren mit dem gleichen Gesicht nicht nur gleich verkörpert, sondern auch gleich beseelt seien. "Carrie Mathison is Angela Chase all grownup and a little twisted, but the inner material is the same".
Eine ähnliche Kontinuitätsfiktion hat Walter White aus Breaking Bad erlebt, aber umgekehrt. Walter hat das Gesicht von Bryan Cranston - wenngleich hinter Bart, Brille, Glatze und Bad Boy Attitüde versteckt. Genauso hat es Hal aus Malcolm in the Middle. Im Netz kursieren genug Fiktionen, wie "Breaking Bad" soetwas wie eine Vor- oder Parallelgeschichte zu "Malcolm in the Midle" ist, Cranston selbst hat in einem solchen Sketch mitgespielt. Und natürlich gibt es auch dazu ein mittelmäßiges Tumblr namens "Meth in the Middle". Manch ein Spoof war, dass "Malcolm in the Middle" im Grunde Walter White im Zeugenschutzprogramm sei oder ähnliche Kontinuitäten, die sich eben ein Schauspielergesicht zeigen. Nach dem Ende von "Breaking Bad" ist dies zumindest etwas vom Tisch.
Es sind natürlich noch mehr Kontunuitäten denkbar. Ist "Six Feet Under" das Prequel von "Dexter"? Setzt "X-Files" etwas "Californication" fort? Wie viele Leben hat Sean Bean, stirbt er etwas ewig in anderen Settings? Ist Harold Finch aus "Person of Interest" eine geläuterte Version von Benjamin Linus aus "Lost"? Und was machen zum Beispiel die ganze Ex-Tenieseriendarsteller jetzt als Eltern in Serien wie "Gossip Girl" oder "Pretty Little Liars"? Träumen sich die ganzen Whedonverse-Figuren in die Sitcom "How I Met Your Mother"?
Dass fiktive Figuren nicht in frieden sterben können, das wusst bereits die griechische Tragödie des Aischylos, wenn beispielsweise Prometheus oder Sisyphos mit ewigen Wiederholungen bestraft werden, oder auch Sherlock Holmes, der nicht sterben durfte, sondern immer wieder weiterleben musste, bis heute mit den Gesichtern von Benedict Cumberbatch, Robert Downey jr. und Johnny Lee Miller. Ob dies die Rache des Leben an der Fiktion ist oder sich die Fiktion so am Leben rächt, indem es dessen Prinzip aufsaugt und vereinnahmt, lässt sich schwer beantworten gerade in Zeiten, wo Serie und Leben selbst kaum noch voneinander zu unterscheiden sind. To be continued, also.
Die wichtigsten Alben 2013 #16: Kanye West - Yeezus
Kanye West ist Richard Wagner - auf seine ganz eigene Art und Weise. Er ist ein musikalisches Genie und sagt das jedem. Er suhlt sich in Bombast und merkwürdigen Erlöserphantasien. Und er zückt schnell die politisch unkorrekte Phrase. West ist so streitbar wie unantastbar, und wie bei so vielen Parodien adelt auch Pharoahs Performance das Original als eben Original, das Wiedererkennenswerte und auch manchmal Einzigartige. "Yeezus" jedenfalls hat alles davon. Und wann sich Kanye sein eigenes Wahnfried baut, ist nur noch eine Frage der Zeit.
Bis dahin haben wir subtile Botschaften wie "I Am A God", die uns daran erinnern, was wir von Kanye zu halten haben. Dieser scheiende Wahnsinn in Songs wie diesem ist auch, was "Yeezus" 2013 größer, witziger, besser und wichtiger macht als alles, was zum Beispiel Eminem oder Jay-Z häten machen können. "Yeezus" ist kein Konsensalbum wie "Magna Carta, Holy Grail" (das den Größenwahn leider nur im Titel trägt) oder Anknüpfen an alte Erfolgsmodelle wie "The Marshall Mathers LP 2". "Yeezus" ist ein riesieger und dreckiger Mittelfinger an alles und jeden. Ich fand "My Beautiful Dark Twisted Fantasy" ja so herausragend und dachte: Das ist der Gipfel, da ist alles drin, was der kann, alles, was der will, was soll da noch kommen? Und dann diese dreckige Daft Punk-Collabo auf "In Sight", hingerotzt wie ein Axt im Computerwald. Diese treibenden Beats in "Black Skinhead" und die ganzen crazy Geräusche, wie Chance the Rapper tatsächlich auf Acid, diese Breackdowns und Ausraster, herrlich. "I Am A God" ist da genauso herausragend wie "New Slaves" wieder die typischen Aggressionen auslebt auf diesem Brett von Synthieverzerrer. Man mag sich gar nicht ausmalen, was in dem Produzentenhirn von Kanye los ist, wie der an ein Album wie "Yeezus" überhaupt herangegangen ist, ob da vielleicht doch mehr Kalkül drin ist, als die ganze Platte erahnen lässt, ober ob das so affektgeladen ist, wie es rüberkommt. Wahrscheinlich beides und mehr. Und selbst halbwegs normale Tracks wie "Bound 2" müssen ein verdammt unnormales Video bekommen, das cheesy und fantastisch zugleich ist. Und sowas kann eben nur einer, und genau das ist es, was "Yeezus" aus jeder Pore schwitzt und dir spuckend ins Gesicht schreit. Und wenn das nicht großartig ist, dann weiß ich es auch nicht. Rap-Album 2013, no doubt.
Die wichtigsten Alben 2013 #17: Chvrches - The Bones Of What You Believe
Insofern ist es schwer, sich überhaupt kritisch zu dieser Band zu äußern, die ihren Teflon-Sound ausspielt und hinter aller Noedlich- und Zugänglichkeit kratzt und beißt. Wie lange sich das hält, wie viel von dieser Band noch zu erwarten ist, ob sie, so meine befürchtung, nicht ihren Sound schon bis zum Exzess ausgereizt hat, das wird sich zeigen, aber für das Jetzt gibt es sicherlich kein definitiveres Werk zeitgemäßen Synthiepops als dieses (na gut, neben M83s "Saturday=Youth" vielleicht).
Montag, 3. Februar 2014
Die wichtigsten Alben 2013 #18 - Daft Punk - Random Access Memories
Aber wie das so mit Hypes ist, zumindest, wenn sie zurecht so genannt werden: Sie spalten. Die einen fahren riesig darauf ab, wenn der Coachella-Spot durch das Netz flackerte. Sie sauegn jeden Infoschnipsel auf bis hin zur stilbildenden Albumreklame mit dem grandiosen Unboxing-Clip, den sogar Sony für die vierte Playstation kopiert hat. Die anderen waren niedergeschlagen, enttäuscht und sogar stinksauer auf Daft Punk, dass sie ihre Integrität an die Rollschuhdisco abgetreten haben und anscheinend keine Ahnung aufbringen, wie die Musik der Zukunft klingt, die sie uns doch sonst immer so stilsicher präsentiert haben.
Denn man muss im Angesicht des Gesamtwerkes ehrlich sagen: Der ganz große Wurf war "Random Access Memories" nicht. Klar, gerade auf "Homework" und "Discovery" waren die Glam-Referenzen ganz vorne mit dabei, aber halt nur Referenz und nicht Programm. "Indo Silver Club" oder "Digital Love" funktionierten mehr und anders als die Bee Gees oder Chic. Und das war, entschuldigung, ja auch gut so, sonst hätten Daft Punk niemals die Relevanz erlangt, die sie heute haben. Und sie waren dem ganzen Musikbusiness immer um 2-3 Jahre voraus. Selbst das heute total großartige "Human After All" nahm vorweg, was Labels wie Ed Banger oder record Maker später propagieren und Schlawiner wie Skrillex perfektionieren sollten: Robot Rock. Und dass dabei auch immer unverschämte Hits bei rauskamen, die die Disco immer in die Zukunftsversion der Gegenwart übersetzte, war doch das geniale am Werk. Und wer "Alive 2007" gehört hat, der kann doch gar nicht fassen, wie homogen, wie stringent und wie wahnsinnig die Musik dieser Roboter doch ist, als hätten sie einen Masterplan.
"Random Access Memories" ist, wenn man so will, die Kehrseite von "Human After All". Beide Platten zusammengemixt ergeben "Homework" und "Discovery", so zumindest meine gleichung. Betonte "Human After All" noch eben das Mechanische, Automasierte im Schaffen Daft Punks, markiert der etwas langweilige Vermerk, nur "echte" Instrumente auf "Random Access Memories" zu verwenden, das vermeintlich "Organische" daran. Beides kam nicht sehr gut an, wobei "Random Acess Memories" doch irgendwie besser aus der Affaire gezogen wurde, denn: Hits. "Get Lucky" oder "Lose Yourself to Dance" dominierten nun wirklich alles. Oder vielmehr Pharrell Williams, der ja auch dem unsäglich sexistischen und unsäglich funky "Blurred Lines" von Robin Thicke seinen Goldadel verlieh. Wie viel Genius dabei Daft Punk zukommt, wird sich so nicht klären lassen, auch dass alle von Nile Rodgers sprechen. Dat Punk haben sich auf "Random Access Memories" mehr zurückgenommen, um eine Art Heldenmuseum ihrer Genealogie aufzustellen. Das funkelt zwar ordentlich, wirkt aber auch angestaubt und in seinem Blick zurück doch irgendwie etwas steif.
Deshalb sind Glanzstücke wie "Giorgio By Moroder" oder "Doing it Right" auch die Glanzlichter dieser auf Albumlänge doch etwas inkosistenten Platte: Sie schaffen es, Hommage und Übersetzung zugleich zu sein. Was Daft Punk hier permanent - und anscheinend bewusst - auf das Spiel gesetzt haben, ist ihr eigener Charakter. Leute wie Romanthony habend zuvor so homogen in den Roboterkosmos gepasst, auch Panda Bear oder Moroder tun es auf ihre Art, meinetwegen eben auch Nile Rodgers. Aber so Belanglosigkeiten wie "Instant Crush" mit Julian Casablancas sind kaum zu verzeihen, auch das Jethro Tull Ding auf "Motherboard" ist einigermaßen fragwürdig. Aber eines muss man "Random Access Memories" bei alldem lassen: Die Vision ist, wie immer bei Daft Punk, konsequent, die Hits sind da, die Songs auch, die Ideen und es passt, wie in guten Museen immer, alles zusammen, dass das Vergangene neu und toll für das Jetzt erzählt und erfahrbar gemacht wird. Dass dieses geradezu retromanische Album aber so dermaßen durch die Decke geht, sagt eigentlich weniger über Daft Punk als über den Zustand der Musikindustrie aus. Denn Stil haben die Roboter auf jeden Fall und hatten ihn auch schon immer. Das beweist auch der Auftritt bei den Grammys, der aber auch symptomatisch ist: Denn letztlich driftet "Get Lucky", mit Stevie Wonder aufgeführt, in dessen alten Hit "Another Star" ab. Gets old.