Montag, 24. Februar 2014

Fluch oder Segen? Segen oder Fluch?

Als damals, so ungefähr vor zehn Jahren, wahrscheinlich sogar mehr, jedenfalls als damal die Bullyparade immer erfolgreicher wurde, als Bully gerade die Haare kurz trug und komischerweise den Konsenswitz der Bundesrepublik stellte, wie zuvor nur Loriot, Otto Waalkes und nach ihm Mario Barth, da gab es eine ganz wunderbare Rubrik mit den für die Bullyparade so typischen schlechten, flachen Witzen, die mit solch einer Inbrunst vorgetragen wurden, dass man sie doch wieder witzig finden musste (zumindest vorausgesetzt, man hat ein Herz für Nonsense). Diese Rubrik war "Yeti am Mittag", eine Mischung aus, zumindest vom Titel her, "Vera am Mittag" und öffentlich-rechtlicher Talkshow im Stil von Kerner. Nur eben ohne Kerner und mit dem Yeti, großartig gespielt von Rick Kavanian. Der Yeti hat sich dadurch ausgezeichnet, dass er erstens ziemlich scheiße aussah und zweitens sich auch so benommen hat, drittens allesauf unnachahmliche Weise "geil" fand (ob die Wochenshow mit der Rubrik "Christian Ehring findet's geil" sich davon hat inspirieren lassen, das wissen sicher nur abgebrühte Humorredakteure). Natürlich war auch Reinhold Messner mal zu Gast doer auch mal DJ Bobo mitsamt Doppelgänger.
Was aber das Beste an "Yeti am Mittag" war, das war das Gespür für die große Fragestellung. Denn jede Folge hatte grandiose Themen, die "Fluch oder Segen" hießen. Eine Sendung wie "Reinhold Messner - Fluch oder Segen", die würde ich mir sofort ansehen, so großartig ist diese Frage, die wirklich neben der kölschen Universalfrage "Wat soll dä Quatsch?" ein Garant für wirklich tiefgehende, absolut scharfe und gewinnbringende Diskussionen über die Dinge in der um um die Welt ist. Man sollte, ja man muss diese Frage öfter stellen, das zumindest ist unser Eindruck hier im Ansagenfeuilleton. Und sind wir mal ehrlich: Kaum eine Frage eignet sich doch mehr dazu, Ansagen zu provozieren, zu produzieren und zu exponieren. Die Freunde des manichäischen Weldbildes (und wer ist das nicht!) werden voll auf ihre Kosten kommen. Zumindest, wenn man sich an die Regeln dieses Spiels hält, das die Frage auszeichnet, die keine Grauzonen kennt. Wer zum Beispiel Kathrin Passigs und Sascha Lobos "Internet - Segen oder Fluch?" gelesen hat, der wird nicht um die Enntäuschung umhinkommen (Achtung: Spoiler), dass das Internet sowohl seine guten als auch seine Schlechten Seiten sowie das Potential zu (Achtung: Spoiler) noch mehr Gutem und noch mehr Schlechtem haben kann. Das ist so differenziert wie die Titelfrage Undifferenziertheit verlangt. Absolut: Fluch! Und da ist es auch egal, wierum man die Frage stellt, Fluch oder Segen, Segen oder Fluch (zumindest, wenn nicht ein Hirnforscher [Fluch!] bereits belegt hat, dass diese Frageformation schon biased ist).
Wie wichtig diese Frage ist [absolut: Segen!], das zeigt schon die Suchfragenverwandtschaft bei Google: Globalisierung, Handy, Gentechnik, Internet, Monsun, Facebook, Plastik [!] - Fluch oder Segen? Diese ganz großen Dinge, diese ganz großen Fragen sind es doch, die wir uns hier stellen müssen und stllen sollen, die viel zu selten gestellt werden. Deshalb werden wir diese Rubrik auch ab sofort in unser Programm aufnehmen. Ob als Fluch oder Segen für das Ansagenfeuilleton, das wird sich allerdings noch herausstellen.

Die wichtigsten Alben 2013 #5: Fuck Buttons - Slow Focus

Was machen eigentlich die Chemical Brothers? Achja, den Soundtrack zu "Hannah" (toller Film, super Soundtrack!). Und Norman Cook? Und die Propellerheads? Und das von der Intro für 2012 wegen Chase&Status und Konsorten ausgerufene Big Beat Revival? Und warum sollte das überhaup interessieren?
Gut, die Beats werden mit den heimischen  Reason-Produktionen auch immer bigger, die Bässe hängen so tief wie es die Anlagenendstufe nur zulässt oder der Kollege von den Tune Devils Cologne oder so. Und Skrillex ist jetzt sicher auch eine eingetragene Referenzmarke. Aber ob es sich dabei gleich um ein Big Beat Revival im Stile der Neunzuger handelt, das weiß ich nun wirklich nicht, wenngleich die hier genannten aktuellen Vertreter ähnlich eskalationsfreudig ihre Sample-Software bedienen. Der Unterschied für mich ist, dass Leute wie Skrillex oder Nero sich am Modus des Rave mit der Haltung des Metal oder altschulischen Rock bedienen, der Big Beat hingegen auch auf den Rave schielt aber die Haltung des Hip Hop einnimmt. Aber genug doziert und endlich auch mal was zu den Fuck Buttons sagen, dieser Band mit dem strunzdoofen Namen und den großartigen Musikideen.
Denn wenn "Slow Focus" eines ist, dann der würdigste Vertreter des Big Beat in den letzten 20 Jahren - wobei dieses Label natürlich wieder zu eng, zu ungerecht und, wie irgendwie fast jedes Label, zu langweilig ist, aber lassen wir das erstmal so. Wer sich einfach mal "The Red Wing" anhört - und sei es nur in der halb so langen Videoversion - der wird kaum umhinkommen, hier nicht den Wumms der Neunziger rauszuhören, die Vertracktheit des ´Hip Hop geschulten Beat Samplings und die hüftschwunglässige Attitüde des Tracks, der zu den besten gehört, was elektronische Tanzmusik letztes Jahr zu bieten hatte. Ich meine, wer da nicht Auto fahren und Geldscheine schmeißen möchte, dem ist doch auch nicht mehr zu helfen. Aber "Slow Focus" hat vor allem das Ideenarsenal, das sich in vielen Tracks des Vorgängers "Tarot Sport" besonders in Tracks wie "Olympians" oder "Surf Solar" aufgestaut hat: Dieser Überschuss an Sampleflächen, dieser unbedingte Wille, dem Track noch einen drau zu setzen, diese Nonchalance im Zersägen der eigenen Tonspuren und der Zwang zum Ekstatischen, der sich aus dieser Schichtung ergibt. Genau diese Merkmale sind es, welche die Fuck Buttons aus dem Einheitsbrei der Beatmusik herausragen lassen. Ich meine, wem nach "Brain Freeze" nicht schon der Kopf dröhnt nach diesem überbordenden Drumgesample, wer bei "Stalker" nicht innerlich oder tatsächlich abhebt oder bei "Hidden XS" nicht völlig ausflippt, der wird auch mit "Slow Focus" nicht viel angefangen, aber vielleicht die Kopfparty des Jahres verpasst haben. Und selbst die mehr oder weniger schrägen Interludes wie "Year of the Dog" oder "Prince's Price" (die hier natürlich alle die 4 Minuten Marke knacken, kurz ist halt relativ) sind so Sound- wie Ideenreich gehalten, dass sie das Album auch als soclhes zusammenhalten können wie Fugenkleber. Denn wenn bei dem Soundentwurf der Fuck Buttons eines passieren kann, dann dass alles unter der Smplinglast zusammenkracht. Aber gerade das passierte weder auf "Tarot Sport" noch auf "Slow Focus" - und das ist doch das eigentliche Wunder, dass es hier an allen Ecken und Enden zündet und knallt aber alles so stabil konstruiert ist, dass man auch morgen noch kraftvoll durchraven kann. Aber genug Wasser mitbringen, bite.

Donnerstag, 20. Februar 2014

Die wichtigsten Alben 2013 # 6: James Blake - Overgrown

Entschuldigung, aber jetzt wird es langweilig. Wirklich! Ich dachte ja, je näher wir hier den absoluten Highlights von 2013 kommen, desto interessanter wird es, aber ich habe mich wohl getäuscht, nicht nur im Geschmack dieses Feuilletons, nicht nur im Musikjournalismus überhaupt, der dieses Feuilleton und seine Ansagen immer noch fest im Griff hat, sondern auch in den Highlights. Denn was soll man noch groß zu den Top Acts des letztn Jahres sagen was nicht schon gesagt wurde? Jetzt halt James Blake, was fällt einem dazu noch ein außer die Wiederholung von Klischees (für manche ist ja genau das: Musikjournalismus)? Dieser Milchbubi aus London, dieser Erneuer des elektrischen Soul, dieser unverschämt talentierte und zwischen Arroganz, Understatement und Pomp changierende Musiker, der einfach nicht aufhören möchte allen zu beweisen, wie gut sein musikalischer Kopf funktioniert und wie traurig und wuschelig man dabei in die Welt gucken kann.
Die frühen Dubstep-Avancen auf R&S Records wie "Klavierwerke" (allein dieser prätentiöse Name!), die Kollaborationen mit Mount Kimbie mal dahingestellt: Das auch noch selbstbetitelte Debüt war doch die Konsensplatte für alle Spex-Leser, die mit schlechtem Gewissen aber großem Genuss zu Starbucks schlendern und in der Großstadt davon Reden mal wieder wandern zu gehen wegen Luft und so. Grauenvoll! Aber da kann ja die Musik nichts für, eigentlich, denn "James Blake" war vor allem: Ein Manifest der Großstadtseele mit den absolut therieaffinen und zeitgemäßesten Songs jenseits von Burial. Wie oft man in "I Never Learnt To Share" rausheulen konnte, dass man sich mit seinen Geschwistern nicht mehr versteht, aber das gewiss nicht deren Schuld sei, das war schon herzzerreißend, genau wie die Eskapaden auf "Wilhelm Scream" oder "I Mind", vom Feist-Cover "Limit to your Love" mal ganz geschwiegen.
Und was sollte "Overgrown" nichts anderes sein als die Fortführung, Krönung, Unterwerfung und Explosion dieses musikalischen Großtäters, der ein Geisteralbum mit Seele, ein Stadtalbum mit Herz und ein Soulalbum mit High Voltage aufgenommen hat? Und genau so ist es gekommen! Wie langweilig! Aber da müssen wir durch, denn "Overgrown" hat nichts anderes verdient als unsere Hochachtung. Denn man kann zwar meinen, Blake musiziere vom Kopf her, wage nur Experimente in einem sehr eng abgesteckten Rahmen und überhaupt sei viel zu weinerlich, aber boo-fuckin'-hoo, dann ist das eben so. Das soll uns hier doch egal sein, wenn so große Nummern wie das Titelstück dabei raus kommen, das sozusagen die Musicalversion von Alan Wisemans "Die Welt ohne uns" ist. Oder "I Am Sold", diesem tausendtränentief komponierten Wahnsinnsstück. Oder "Life Round Here", das sich am Ende in einen Acid-Zauberwürfel verwandelt und sich selbst ein Beinchen stellt. Von der RZA-Kollaoration "Take A Fall For Me" muss doch gar nicht mehr reden, oder? Wer heute noch über Beziehungen und Heiraten mit dem Wort "Poltergeist" rappen kann, der hat ohnehin graue Gewinnerzellen. "Retrograde" schließlich macht das Apokalypse-Feeling auf "Overgrown" komplett - "and your friends won't come". Das wird nuch noch härter durch den durchgeknallten Rise of the Machines Roboter in "Digital Lion" und den absolut creepy Housetrack "Voyeur", die beide keine Gefangenen machen wenn es um Biestigkeit und Selbstzerstörung geht.
Und das ist es auch, was "Overgrown" so unglaublich toll macht und dann doch wirklich niemals langweilig: Dass Blake sich immer öfter traut, seine fein abgestimmten Kompositionen eskalieren zu lassen, dass sie nicht enden, wie sie beginnen, also nicht vor sich hin schleichen und siechen, einen einlullen, sondern einen mit der Kontingenz konfrontieren, dass hier nichts ist und bleibt wie man denkt. Dass es dabei immer wieder um Vereinsamung, Verinselung und Vernichtung geht macht auch ein "Our Love Comes Back" am Ende nicht mehr wett, das nach all der Destruktion und dem zeitweisen Wahnsinn auch nicht mehrso recht tröstet. Man kann Blake weiterhin etwas eisiges Kalkül unterstellen. Aber sei es drum, denn "Overgrown" ist eine ganz große Komposition für das Jahr, in dem die Welt eigentlich den Roland Emmerich machen sollte. Solange Platten wie "Overgrown" noch Seelen fangen und brechen ist die Apokalypse aber in guten Händen.

Mittwoch, 19. Februar 2014

Die wichtigsten Alben 2013 #7: Queens of the Stone Age - ...like Clockwork

Drogen. Schlimm. Die machen ganz schön vieles kaputt, gelten aber irgendwie als total kreatives Ding. Die Rocker, die Hip Hopper, die DJs, da kannst du alle fragen. Josh Homme singt davon sogar ein Lied. Oder ein paar mehr. Dieses Mal heißt es vor allem "The Vampyre of Time and Memory" und ist natürlich etwas cheesy und direkt aber irgendwie auch ziemlich berührend. Denn man muss sich diese fats zwei Meter großen, Lebensgestählten und immer auch irgendwie abgefuckt abgeklärt wirkenden Typen vorstellen, wie er darum ringt, einfach mal ehrlich zu sein zu sich selbst. Das kann schnell nach hinten losgehen, hier aber trifft es. "...like Clockwork" ein "persönlich Album" zu nennen führt aber nicht unbedingt weiter.
Denn da ist erstmal die Gästeliste, die man nur mit viel Phantasie hört. Dave Grohl, war klar. Aber zum Beispiel Elton John? Wer "Fairweather Friend" dann gehört hat, kommt nie wieder dazu, nicht mehr Elton John darin zu hören, auch wenn es einem von alleine nie eingefallen wäre. Nick Olivieri ist auch wieder dabei. Schade, wenn man mich fragt. Denn ehrlich gesagt konnte ich mit diesem "Desert Sessions" Kram, der immer trocken rüberkommt wie ein Zwieback in der Wüste Gobi, nie wirklich etwas anfangen: Zu formelhaft, zu hüftsteif, zu angestaubt und zu wenig inspiriert war mir das. Und als dann "Era Vulgaris" rauskam, das erste und leider auch einzige Album der QOTSA ohne Olivieri, da war ich hellauf begeistert: So kaputt, so ab- und aufgedreht, so schräg und irre frei hab ich das Songwriting von Homme noch nie erlebt. Zwar sprach der Wahnsinn aus jeder Note auf diesem Album, alles war "Sick Sick Sick", aber warum nicht? Dass Homme anscheinend wirklich kaputt war und ist tut mir dabei natürlich wirklich leid.
"...like Clockwork" nun hat alles, was eine gute QOTSA-Platte braucht, vor allem aber vereint es vor allem die guten Seiten dieser Band. "Keep Your Eyes Peeled" legt gleich am Anfang die tonnenschweren Guitarren auf den Zug, der langsam und donnernd losbrettert. "I Sat By The Ocean" klingt erstmal wie "3's & 7's", dem doch konventionellsten Song auf "Era Vulgaris",macht aber ein paar Haken mehr und wird dadurch riesengroß, besonders am Ende. "My God is the Sun" schießt aus allen Rohren, während "Kalopsia" vom Delirium in die Paranoia driftet. Die Highlights sind für mich dann aber vor allem das schön aufgeladene "Smooth Sailing", das sich als Date entpuppt, bei dem du die Crazy Eyes erst bemekst, wenn es zu spät ist und das wirklich wunderschöne, todtraurige und hochdeprimierende Titelstück, das dieses Album nicht nur abshcließt und abrundet, sondern auch abheben lässt.
"...like Clockwork" ist nicht so aufregend, sexy und wendungsreich wie "Era Vulgaris", es hat vielleicht auch nicht den Drive von "Songs For the Deaf" und ihm fehlt auch zeitweise der Zynismus von "Rated R" (von "Lullabies to Paralyze" reden wir lieber nicht), also vieles, was man an dieser Band mögen könnte. Zumindest nie im Extrem wie es diese Alben alle für sich hatten. Dafür findet "...like Clockwork" die Balance zwischen all diesen Extremen, die QOTSA als Rockband repräsentieren, die sie vielleicht so groß gemacht haben aber doch irgendwann abstürzen lassen müssten. Dieses Album hat genug Größe und Substanz um gegenüber allen bisherigen Großtaten zu bestehen, selbst wenn man ihm die Last der Bandgeschichte anmerkt. Aber letztlich wird "...like Clockwork" am Ende das Konsensalbum dieser Band sein, das niemand wirklich ernsthaft schlecht finden kann, dem irgendetwas an traditionsbewusstem, ehrlichen und doch immer interessanten Rock gelegen ist. Und abgesehen davon, jetzt mal ehrlich: Plattencover, ach was, Plattenartwork des Jahres, oder?

Dienstag, 18. Februar 2014

Die wichtigsten Alben 2013 #8: Vampire Weekend - Modern Vampires of the City

Es geht doch: Lässig aussehen beim Belesen-Sein. Lustig klatschen und Pfeiffen beim Philosophieren. Mit den Augen zwinkern beim Fußnotensetzen. Vampire Weekend haben bewiesen, wie lässig akademisierte Zeichen und Gesten sein können. Lieder über Kommasetzung? Catchy! Ein Song über das Abhängen auf dem Campus? Groß! Das Leben von Diplomatensöhnen besingen? Aber Hallo! Dazu noch die Diskussion, ob Prep Look jetzt wieder geht und "irgendwie links" sein kann (was die "Der Freitag"-Community sicher jetzt noch diskutiert), aber das muss die vier Jungs von der Ostküste so dermaßen nicht kratzen, ob auf ihren Hemden Polo gespielt wird oder die Seglerschuhe verdächtig aussehen. Achj und natürlich: Paul Simon.
Und jetzt "Modern Vampires of the City" und ich dachte: Da kommt nichts mehr, was irgendwie überrascht. Der Sound der Band ist ausgefeilt, der Kosmos erforscht und abgesteckt und jetzt gibt es nur noch audefinition des bereits Bekannten. Aber denkste! Natürlich klingt "Modern Vampires of the City" noch unverkennbar nach Vampire Weekend, natürlich sind auch hier die bekannten Einflüsse zwischen 80s-Punk und World Music mit drin, selbst der Blues und ein bisschen später Michael Jackson und früher Elvis schauten um die Ecke. Aber so selbstständig klang diese Band bisher noch nicht, wohl auch dank dieser Unbeschwertheit, die "Vampire Weekend" und "Contra" schon so großartig machten, jetzt aber komplett freigedreht hat. Vielleicht war das brennende Auto im eher Gif als Clip zu "Diane Young" schon Vorbote für das Phoenix-Asche-Ding genauso wie das kurz darauf folgende Schampusvideo zum fantastischen Chipmunk-Overkill "Ya Hey": Lass es brennen und gieß den sSchampus drauf! Und so handelt "Modern Vampires of the City" alles in allem wieder von der Ostküste, vom Campus, vom Bücherregal, vom fernen Israel und dem Melting Pot USA, von der Plattensammlung der Eltern und dem Nichtwissen und Großmaulen der Twens. Und wie keine andere Band dieser Zeit bringen Vampire Weekend diese kleinen Existenzkrisen weißer Mittelständler mit so viel Lebensfreunde zusammen, dass sie wie die lachenden tragischen Menschen schlechthin erscheinen. Die Todessehnsucht und der letztgültige Kommentar zu Religionsideologien in "Unbelievers" oder "Worship You", der kontemplative Herzschmerz von "Step" oder "Everlasting Arms", die Lebenswut in "Ya Hey" und "Hannah Hunt" sowie der IMHO Übersong der Platte "Finger Back", in dem ein Mikrokosmos implodiert und die Spielfreude der Band explodiert, dann sind das alles Momente, auf denen "Modern Vampires of the City" wie ein Klassiker klingt, der schon längst auf den Plattentellern deiner Großeltern gedreht hat, auf den nicht wir, sondern der auf uns gewartet hat, der tief as der Musikgeschichte schöpft, als wäre es das Selbstverständlichste auf der ganzen Welt, als wäre diese Platte die Selbstverständlichste überhaupt. Das hatten "Vampire Weekend" und "Contra" in ihrem vorwärts gedachten und rückwärts zusammengesetzten Ideenreichtum in der Art noch nicht geschafft. Auf "Modern Vampires of the City" kann man einer Band an einem Punkt lauschen, an dem sie sich nicht mehr rechtfertigen, an dem sie nicht mehr nachdenken muss darüber, wer sie sein will und wie, sondern an dem scheinbar alles so leicht von der Hand geht aber trotzdem vorne und hinten genial konstruiert ist. Vampire Weekend sind hier auf der Höhe ihres Schaffens ohne den Eindruck zu erwecken, dass danach nichts mehr komme - ganz im Gegenteil: Jetzt ist alles möglich.

Sonntag, 16. Februar 2014

Die wichtigsten Alben 2013 #9: Gold Panda - Half of where you live

Als wir dieses Jahr auf dem "Haldern Pop" waren, das auch noch sein jubiläum feierte, da haben wir das Line Up nach echten Highlights abgesucht, die sich aber partout nicht einstellen wollten. Selbst bei Efterklan war am Ende nur eine gefühlte Handvoll Menschen, die sich dieser Konsensband zwischen Kunsthalle und Stadionpop hingeben wollten. Owen Pallett war da, das war großartig. Aber der Donnerstag, der Tag, bevor es eigentlich losgeht, der Tag, an dem die Haupbühne "Biergartenbühne" oder so ähnlich heißt, in jedem Fall aber so klingt, so schnell auf- wie abgebaut, so provisorisch, etwas hingerotzt, mit furchtbarem Sound, der hatte die Highlights, ach was sage ich: DAS Highlight des nicht mehr so geheimen Geheimtippfestivals schlechthin. Und zwar waren dies nicht die fantastischen We Were Promised Jetpacks, die tolle Julia Holter (mit der wir doch gerne noch ein Bier getrunken hätten nach diesem traumhaften Auftritt), auch nicht John Grant, der besser sprachen Lernt als konzise Musik zu schreiben, die mehr kann, als nach der closing time die letzten Säufer rauszuschmeißen. Nein, das Highlight hieß Gold Panda. Denn auch ein klassisches Singer/Songwriter-Festival wie das Haldern hat sich in den letzten Jahren immer mehr der elektronischen Musik geöffnet. das mag dem Karsten zwar nicht gefallen, ist aber nur konsequent und gut gedacht, so viel großartige Acts, wie es da gab und auch in den letzten Jahren am Niederrhein war: James Blake, Apparat, Delphic, meinetwegen auch die mir nie passenden Brandt Brauer Frick (gähn, oder?). Aber Gold Panda war ein wirkliches Schnäppchen, ein Diamant im Kohlenkeller des Bookings. Und das ganz einfach: Weil der Junge nur tolle Tracks hat, nur, von vorne bis hinten! Und: Weil er einen Sound hat, den du sofort erkennst. Und: Weil dieser Sound auch live zusammengebsatelt herrlichst funktioniert.
Manche fanden "Half of where you live" nicht gut. Ich weiß nicht, warum. Der vergleich mit dem Wahnsinns-Vorgänger "Lucky Shiner" führt für uns hier nicht dazu, die neue LP abzuwerten (und wie schwer es LPs in diesem Genre haben, ist ja hinlänglich bekannt), ganz im Gegenteil: Gerade wer Gold Panda dieses Jahr live erleben durfte hat gemerkt, wie homogen das Neue mit dem Alten zusammengeht. "Lucky Shiner" hatte den Übertrack "You", der wirklich ein Übertrack ist und bleibt. Und auch sonst zeichnet sich Gold Pandas Musik nicht nur durch das Trigger Happy Sampling aus, sondern auch durch die schönen, schnöden und, sorry, groovigen Beats aus, die rumpeln und klackern wie eine Seifenkiste, die Weltmusikeinflüsse, die die Musik zum Melting Pot machen, die Spielfreude in der Zusammensetzung und den positiven Vibe (beachtlich gerade für einen Typen, der in Interviews immer etwas griesgrämig rüberkommt wie Oskar aus der Mülltonne und Nepomuk aus Hallo Spencer zusammen). All das hat auch "Half of where you live", wenngleich die Kurve zum 4/4-Beat, zum House und Elektro nochmal etwas schärfer geschnitten wurde als auf "Lucky Shiner". Aber auch hier heißt es: Wichtig ist auf'm Platz und der ist überall zuhause. Allein "We Work Nights" oder "Brazil" sind so spaßig zusammengebaut, so gelenk danebengetaktet, so gutgelaunt verstrahlt und handverlesen, dass es eine reine Freude ist. Oder nimm "An English House", diese Teezeremonie auf Acid, das im Traum redende "Community" oder das sich fleißig und zielgerade in die Partynacht steigernde "Junk City II", hier sitzt alles so perfekt und glichzeitig so schön fremd, dass man nicht weiß, wo man mit dem Staunen anfangen und aufhören soll. Klar, der Reise-Topos für elektronische Musik, genau wie der Trip, der Traum und die Ekstase, das sind Klischees, die hier zwar zum Tragen kommen, aber am Ende nicht reichen. Dazu bleibt "Half of where you live" trotz aller Einflüsse, Abdriftereien, Schwelgereien und Experimente zu sehr am (Tanz)Boden, was eben auch die interessenante Mischung ist, die Gold Panda von anderen Acts, deren Kopf oft genug in den Wolken steckt, abhebt. Und so ist auch "Half of where you live" ein Ausnahmewerk in zeitgenössoscher House- und Eelktromusik, das nur oberflächlich mehr Ambient-Elemente zulässt. Dadrunter aber wartet eine ganze Welt voller Wunder - und zwar eine ganz reale.

Mittwoch, 12. Februar 2014

Die wichtigsten Alben 2013 #10: DJ Koze - Amygdala

Top Ten, endlich. Und dann gleich so kontrovers. Denn kaum eine House-Platte hat 2013 so sehr gespaltet wie "Amygdala" von DJ Koze. Ronny Kraak vom Kraftfuttermischwerk Blog hat sich zum Beispiel darüber ausgelassen, wie sehr "Amygdala" anscheinend Feuilletonkonsens ist. Das ist nun wirklich ein Todesurteil für jede Art von Musik, gleichzusetzen fast mit "Kitikerliebling", also Musik für Leute, die Musik eigentlich hassen oder zumindest gerne was an ihr auszusetzen haben. Geht ja gar nicht. Andererseits wurde Koze wirklich durch alle möglichen Medienformen durchgereicht und abgefeiert, gerade sein Label "Pampa" wurde mehr oder weniger als die Rettung der Housemusik dargestellt mit Kollegen wie Asa, Robag Wruhme oder Die Vögel. Mag ja auch sein, der Pampa-Sound jedenfalls lässt sich schon meilenweit entfernt klar bestimmen, was für ein Label nun wirklich ein Ritterschlag ist.
"Amygdala" nun sollte soetwas wie das definitive Pampa-Manifest werden. Und was soll man sagen? Genau das ist es auch geworden. Der warme Bass, die dumpfen Beats, die merkwürdigen Snares, die Liebe zum Detail im Sound und der entspannte Humor, der Hang zum Experiment und das Changieren zwischen Club und Sofa beherrscht "Amygdala" nahezu perfekt. Die Gästeliste ist großartig, von Sascha Ring über Dirk von Lotzow bis Matthew Dear sind alles Hochkaräter dabei, die neben klassichen Clubtracks wie "La Duquesa" auch eine etwas verschroben poppige Note reinbringen. Und selbst die Coverversion von "Homesick" der Kings of Convenience ist nicht so cheesy, wie man denken würde, erst recht nicht das Update der Marlene Dietrich mit "Ich schreib dir ein Buch 2013", was ja ein unglaublich doofer Titel ist, eine unglaublich heikle Idee, aber ohne Zweifel einer der besten Tanztracks des vergangenen Jahres. "Nices Wölkchen" gehört genauso dazu wie "My Plans" oder "Magical Boy", lediglich "Don't Lose My Mind" bremst den Trip, der "Amygdala" ja ist (worauf nicht nur das verkiffte Intro verweist) etwas aus. Aber der traumhafte Nonsense namens "NooOoo" am Ende der Reise wiegt so wunderbar in den sanften Schlaf, dass man nicht anders kann, als zufrieden zu grinsen, sobald "Amygala" mit dir seine Runde gedreht hat. 2013 ist gerettet, alles wird gut, House wird gut, Elektro wird gut, Feuilleton und Blog und Club und Sofa und Love, alles wird gut.
Nur das Cover, das ist so hässlich, das geht wirklich überhaupt nicht.

Dienstag, 11. Februar 2014

Die wichtigsten Alben 2013 #11: The National - Trouble Will Finde Me

"Ich wollt, die Welt wär Schnaps", heißt es gar männlich bei Büchner im Woyzeck. Matt Berninger würde dem vielleicht widersprechen, in dem Punkt zumindest, dass die Welt, wenn schon überhaupt, aus Rotwein bestehen sollte. Denn kaum eine Band macht das Weintrinken und das ganze daran hängende Image so sehr zu ihrem Thema wie The National. Am deutlichsten wohl auf dem "Alligator" Album mit dem Song "All the Wine", der auch der erste Song überhaupt war, den ich von dieser Band gehört habe. Damals noch im vermeintlich Joy Division Revival mit Interpol, Editors und Konsorten (die Band O,Children wollte ja keiner mehr hören), aber das wurde The National einfach nicht gerecht, denn erstens war "Alligator" schon ihr drittes Album, zweitens war ihr Sound doch eher klassisch, vom Blues, von Springsteen, ein bisschen vom Punk und sonst eher von der barocken Spielart des Indie beseelt als vom kühl agierenden Post Punk. Auch war der Weltschmerz bei The National nie so düster, sondern eher eben trunken und sehr modern. Das sollte sich auch auf "Boxer" oder dem Durchbruchalbum "High Violet" nicht ändern, wo die größten Probleme doch durch den Rosé gesagt irgendwie klarer und das Leben erträglicher werden.
"Trouble Will Find Me" macht da auch keine Ausnahme. "Jenny I am in trouble, can't get these feelings out of me / Jenny I'm seeing double, I know this changes everything" ist so eine Zeile aus "This is the last Time", die das ganze The National Programm, die ganze Haltung, das ganze Sein und Sollen dieser Band auf den Punkt bringt. Und so ist "Trouble Will Find Me" auch nicht weniger als die Fortführung eines Erfolgskonzeptes, das diese Band über die Jahre perfektioniert hat. Wintrinker of the Weltschmerz, unite and take over, sozusagen. Und auch, wenn die Kalauer im Angesicht dieses doch sich wiederholenden Motivs hier gerade überschlagen, so ist "Trouble Will Find Me" doch keine Ermüdungsmusik, die diese Band schon besser, schon tiefsinniger und berührender gemacht hat. Man kann zwar anmerken, wie wenig Hoffnung Berninger noch in seinen Lyrics versprüht, wenn ihn die "Demons" einfach mitreißen, wie einsam "I Need My Girl", der Ausnahmesong dieser Platte, doch klingt, und wie traurig geht es denn noch, fragt man sich angesichts eines Songs wie "Pink Rabbits", der das Versagen auf ganzer Linie zelebriert und daher das kleine Glück nicht fassen, nicht an sich lassen kann.
Dass The National als Band aus Brooklyn schon immer kunstsinnig waren, überrascht nicht. Dass sie im MoMA eine stundenlange Performance von "Sorrow" aufführten, dass sie in ihrem Artwork Künstler unterbrachten, die in der von ihnen eigens betriebenen Galerie ausstellen - geschenkt. Das alles ist nur abrundendes Beiwerk einer Musik, die mehr und mehr zum Trademark dieser Band wird, sie mehr und mehr selbst zu einer Referenz im Rock macht als sie sich Referenzen selbst bedienen müssen, um beschrieben zu werden. Und dass sie mit dem grandiosen Video zu "Sea of Love" noch eines der lustigsten Punkclips überhaupt zitieren, zeugt immerhin von Humor, den die Band, die es so schwer hat und das jeden fühlen lassen will, so auch unbedingt braucht. Diese Band ist im Laufe der Jahre so groß geworden, dass selbst meine Mutter sie hört, genau wie meine Schwestern, meine Freundin, meine Freunde, ihr da im Internet, die Headliner auf Festivals spielt, die großen Hallen bucht und gut füllt, die weltweit den Ruhm einfährt - und das alles so leise, still und heimlich, dass auch nicht überrascht, wie unspektakulär spektakulär auch "Trouble Will Find Me" ist. Sicherlich nicht das beste Album dieser Band, aber wen schert denn das, solange es auch 2013 den Ruhm zementiert, den The National verdient hat. Und solange Songs wie "Don't Swallow the Cap" oder "Graceless" dabei rumkommen, bin ich zumindest sehr, sehr glücklich. Auch ein guter Grund zu trinken, irgendwie - aber nicht Matt Berninger sagen.

Die wichtigsten Alben 2013 #12: Baths - Obsidian

2013 war es schon zehn Jahre her, dassthe Postal Service ihr bahnbrechendes Album "Give Up" herausgebracht haben. Seitdem kursierten immer wieder Gerüchte über ein zweitwerk, das aber auch in diesen zehn Jahren nicht mehr als eben Gerücht bleiben sollte. Auch diffuse Ankündigungstweets oder Nullmeldungen, die nur auf eine Jubiläumsedition oder verstreute Live-Auftritte (oder Gerüchte über diese) verwiesen, schürten das Fanfeuer kräftig an, ohne auch nur irgendwie payoff bieten zu können.
Hätte es aber tatsächlich ein zweites Postal Service Album gegeben, es hätte vielleicht so ähnlich geklungen, wie "Obsidian" von Baths. Denn nicht nur können sich Ben Gibbard und Jimmy Tamborello auf die Fahnen schreiben, sämtliche emofizierte Indietronics zwischen Crystal Castles und Washed Out angetrieben, sondern auch ein immer noch klassisches Referenzwerk für jede Platte dieser Art im CV zu haben. Und so, wie Baths zumindest mit "Cerulian" die Avantgarde des sogenannten Chill Wave bildeten, haben sie mit "Obsidian" den großen Pop-Entwurf mit Mitteln des Motherboards gewagt, wie zuvor nur "Give Up".
Ich meine, man muss sich nur mal "Miasma Sky" oder "Phaedra" anhören. Wer da nicht sofort an "We will become Silhouettes" oder "Nothing Better" denkt, der hat "Give Up" sicher noch nie aufmerksam gehört. Aber "Obsidian" ist mehr als eine Quasi-Hommage an eines der besten Alben des bisherigen 21. Jahrhunderts. Dafür steht es zu sehr auf eigenen Füßen, dafür sind die Themen auch zu anders und die Stimmung doch auch leicht bedrohlicher und sinnlich aufgeladener als das doch eher kontemplative und von diffuser life angst besetzte "Give Up". So klingt "Ironworks" auch eher nach Antony and the Johnsons oder How to Dress Well, "Incompatible" parkt nah am R'n'B von Ginuwine, "No Eyes" wiederum mischt mit seinen Chiptune-Sounds explizite Sexphantasien, "No Past Lives" und "Earth Death" baden in Wut und Verzweiflung, während sie vom Umtergang sehnlich träumen, während "Inter" das Album ausklingen lässt, als würden die Fleet Foxes sich beim Jammen giggelnd im Kreis drehen.
"Obsidian" ist eine verdammt gute Platte, eine verdammt geradlinige und trotzdem vertrackte Angelegenheit, hörbar ohne Ende und emotional wie nix Gutes, dabei sträflich vernachlässigt, was Aufmerksamkeit, Ruhm und Reichtum angeht. Hätte jeder, der auf "Give Up 2" gewartet hat, mal lieber die Lauscher nach diesem schwarz funkelnden Album augestreckt, vielleicht wären sie ja zufriedener Gewesen mit diesem Musikjahr 2013. In jedem Fall aber glücklich darüber, dass es dieses phantastische Album gibt - ob nun in 10 Jahren noch darüber geredet wird oder nicht. Verdient wäre es.

Montag, 10. Februar 2014

Die wichtigsten Alben 2013 #13: Jon Hopkins - Immunity

Haben eigentlich auch alle wieder die absolute Jahresendlistenkrise bekommen, als Burial seine "Rival Dealer EP" im Dezember rausgehauen hat, als gäbe es kein Morgen mehr? Ich dachte ja zuerst, das wäre ein Fake, weil der Sound irgendwie zugänglicher, fast schon cheesy war, aber darunter immer noch Burial hauste mit seinen typischen Field Recordings, Plattenknistereffekten und den toll ausgesuchten Sprach- und Singsamples voller Weltschmerz und einem kleinen bisschen Hoffnung. Und am Ende ist ein Stück wie "Come Down To Us" doch ein Geschenk an die Menschheit, trotz aller Eightieshaftigkeit im Design. Dass Burial mal so offen Herzen ergreifen kann und nicht so leise und verzagt wie sonst, das war die eigentliche Überraschung an "Rival Dealer", dessen Titeltrack doch so grob die Säge auspackt, wie zuvor noch kein Burial-Track.
Und was hat das denn jetzt mit der Jon Hopkins Platte namens "Immunity" zu tun? Fast alles! Und zwar kommt das so: Wer sich 2013 nach Elektro umgesehen hat, der kam an viele verschiedene Soundentwürfe, die aber vor allem Entspannung gesucht haben und ein bisschen schief grinsten. Das gilt selbst für die VÖs von Moderat oder Laurel Halo, Dean Blunt (ist das noch Elektro oder schon Blues) oder Darkstar. Aber kaum jemand hat konsequent so traurige Raves abgeliefert wie Jon Hopkins mit "Immunity". Den Übertrack "Open Eye Signal" hab ich das erste Mal geteilt von Four Tet auf Facebook gehört und war sofort hin und weg. Diese komplexe Soundräume, dieser sägende Bass, dieser pumpende Rhythmus und der fast traditionell ausufernde Rave-Aufbau, bis dass am Ende fast alles in drei Minuten kratzigstem House versenkt wird, das war schon überwätligend. Umso schöner, dass der ganze Breitwandrave auch auf "Immunity" funktionierte, das sicherlich so manchen Sci-Fi-Streifen im Kopf ausmalen kann, aber auch mal die dunklen Seiten des Mondes in Klaviertasten verwandelt, wie zum Beispiel auf "Abandon Window". Four Tet und Burial haben in ihren Kollaborationen ja eine ähnliche Dichte an Emotionen und Sounds gesucht und gefunden. Dass Hopkins unter anderem auch mit Brian Eno an Coldplays Stadionpop mitgefeilt hat, merkt man "Immunity" ebenso an wie die Hinwendung zu Burial/Four Tets bewusstseinserweiternden, einem UNESCO-Weltkulturerbe gleichkommenden Experimenten. "Immunity" schafft es zudem, die Waage zu halten zwischen Eskalation und Depression, funktioniert sowohl vor, im und nach dem Club - und sogar am Katermorgen danach, wenn der Glowstick noch sein letztes Licht ausgibt. "Collider", "Sun Harmonics" oder der Titeltrack geben Formatvorlagen zu allen möglichen Sounddesigns, die man auf der Gefühlsskala bedienen kann, was das Album nicht etwas auseinander reißt, sondern auch als Album funktionieren lässt, was ja nun wirklich nicht jedem Künstler aus dem reinen Elektrobereich gelingt. Glücklicherweise verzichtet Hopkins meist auf Gastsänger oder bettet sie heimlich in seine überbordenden Sound-Kathedralen ein, ohne sie, wie zum Beispiel bei Bonobo, der Farbkombination im Gesamtbild des Albums zu grelle oder ausfallende Flecken zuzufügen. Dabei bedient sich Hopkins nicht nur der gleichen Mittel, wie Burial, Four Tet oder Eno und Coldplay, sondern markiert auch gleich sein eigenes Revier im Raum zwischen all diesen letztlich doch grundverschiedenen Künstlern. Feuerzeug raus im Club, sozusagen: das muss man erst mal schaffen.

Die wichtigsten Alben 2013 #14: Lorde - Pure Heroine

"But everybody's like crystal, maybach, diamonds on your timepiece, jet planes, islands, tigers on a gold leash - We don't care": Dieser minimalistische Beat, diese wahnsinns Backgroundchöre, diese Dreitastenmelodie, der Bass ganz unten und ein Abgesang auf das ganze MTV-Programm von dieser Teenagerin mit den krassen Haaren aus NZ. "Royals" hatte wirklich alles, was der Konsenssong 2013 brauchte, auf die sich wirklich die komplette werberelevante Zielgruppe einigen konnte. Dass hier das Zeug aber nicht zum One Hit Wonder, sondern gleich zum Überflieger drin war, das musste "Pure Heroine" eben beweisen, denn, achtung, der Lana Del Rey Vergleich schwebte aus einem mir immer noch nicht ganz klaren Grund durch den Raum (mancher meinte, die Stimme wäre ähnlich). Dabei ist der Soundentwurf von Lorde doch eher eine mehr auf Destinys Child getrimmte Version introvertierten Indierocks frei nach The xx. Der größte Wahnsinn ist ja überhaupt, wie viel Talent Lorde als Songwriterin schon hat, wenngleich ihr Produzent Joel Little den Soundentwurf stark beeinflusst haben wird. Sei es drum, dass eine Teenagerin solche Texte, solche Musik, solche Stimme und solche Präsenz hat, das gab es sicherlich lange nicht mehr. Und mit welcher Souveränität sie die Stimmung ihrer Generation auf den Punkt bringt, wie sehr sie das zur Kunst macht und wie gefällig das alles dann auch noch klingt, sorgt für eines der größten Pop-Alben seit dem Millenium. Und das mit einem so understatenden wie ergreifenden Minimalismus, der aus Zeilen wie "It feels so scary getting old", "We live in ruins you never see on screen", "I know we're not everlasting", "We're never done with killing time, can I kill it with you" sprießt. Das ist so unfassbar gut, on the spot und traurig schön, das traut man diesen Minderjährigen ja gar nicht zu, solche tiefen Gedanken, solche tollen Produktionen, da stimmt doch was nicht, denkt man da, aber es stimmt eben alles auf "Pure Heroine", von ganz gradlinigen Beatpaketen wie "Team" oder "Royals" bis zu den stillen Verunsicherungen in "Ribs", "Tennis Court" oder "A World Alone" und den großen Gesten in "Glory and Gore" oder "400 Lux", vom tollen Artwork, das nun wirklich viel mit The xx gemeinsam hat, mal ganz abgesehen. Lorde eine große Karriere zu prophezeien, wäre nun wirklich das Leichteste überhaupt, denn hier kann jeder Auftritt noch so verunsichert, verhuscht, exaltiert oder wie auch immer aufmerksamkeitsheischend kritikwürdig daher kommen, es wäre immer noch authentisch, so elegant tänzelt "Pure Heroine" zwischen Ironie, Angst und Fame mit, im Gegensatz zum Beispiel zu besagter Lana del Rey, absolut zeitgemäßem, fast aber schwebend zeitlosem Sound. Kaum ein neuer Künstler ist so spannend derzeit wie Lorde, kaum einer verspricht mehr Potential für relevanten Pop in den nächsten 20 Jahren als eine Teenagerin aus Mittelerde - und das sollte eigentlich jeden einzelnen von uns völlig perplex zurücklassen angesichts des hohen Niveaus, das das Debüt schon erreicht hat. Was soll da noch kommen, mag man fragen? Einiges, meine Freunde, einiges!

Samstag, 8. Februar 2014

Die wichtigsten Alben 2013 #15: Veronica Falls - Waiting for Something to Happen

Uns ist ja jetzt mal wirklich alles egal, im Februar noch über das letzte Jahr zu reden, die haben sie doch nicht mehr alle, die da oben vom Ansagenfeuilleton! Aber das mag uns jetzt nun wirklich nicht mehr stören, denn wir müssen noch vieles loswerden, vieles, was vergessen wurde, zum Beispiel die Band Veronica Falls. Über die wurde 2013 absolut nicht genug geredet. 2011 war das kurz der Fall, als das s/t Debüt rauskam und au einmal alle irgendwelche Tape-Labels aus dem UK der Achtziger zu kennen meinte, denn das war die Referenz für den schrammeligen Rock dieser britischen Band, die der musikgewordene Instagramfilter war, als hätten sie "Pretty in Pink" mit dem Chic der Mad Men Nostalgie gekreuzt und einen Pixies-Soundtrack drunter gelegt. "Veronica Falls" hatte zum Beispiel mit "Bad Feeling" so einen richtig toll geschriebenen Überhit, den keiner hören wollte (und was wir jetzt alle mehrmals nachholen müssen. Alle.). Und was das Album auszeichnete, war auch ein morbider Charme an den Themen Liebe und Tod, der einigen auf "Waiting for Something to Happen" doch gefehlt hat.
Daür hat der Nachfolger die exzessive Perfektion einer Formel zu bieten, die man Musik nennn könnte, bei der man wieder mal händchenhaltend über Blumenwiesen hüpfen oder Montagen aus Rom Coms unterlegen kann, wenn sie denn endlich, endlich zusammengekommen sind. Ja, "Waiting for Something to Happen" ist nicht morbide, sondern sonnigsten gemüts (abgesehen von schönen Songs wie "Bury me alive" oder ähnlich). Hier heißen die Songs "Teenage", "Shooting Star" oder "My Heart Beats" und hätte die Frühlingsplatte des Jahres sein müssen, liebe 2013er, aber es kam anders und gar nicht dazu und jeder sollte sich etwas schämen. Wer "Tell Me", besagtes "Teenage", "Falling Out" oder "Last Conversation" gehört hat, der wird jedenfalls nicht unglücklich leben und sterben können, sondern endlich wieder Polkadots oder Lederjacke tragen wollen und zu Mixtapes auf günen Hügeln tanzen. Und klar ist das etwas cheesy, klar ist das sehr, sehr jugendlich, natürlich ist bittersweet der exakteste Ausdruck, der "Waiting for Something to Happen" beschreibt, aber herrgottnochmal, das ist doch kein Problem, das ist, in einem Wort, Pop, alles großbuchstabiert und ausstaffiert, das sind Träume und die Angst vor ihrem Verbrechen, das sind angehaltene Momente un die Trauer darüber, dass sie nicht so ewig sind, wie man dachte, das ist jugendliche Romantik galore und deshalb so wahnsinnig gut, dass es mehr verdient hat, als eine Fußnote zu einem Musikjahr zu sein, in dem vor alem Altherenträume wahr wurden, von Disco bis Bowie bis "Blurred Lines" und, achja, Miley Cyrus. Veronica Falls sind vielleicht zu "nett" für die große Euphorie, aber heimlich, ganz heimlich, düfen wir sie alle ins unser Herz lassen und auch mal wieder ein Gänseblümchen pflücken, just because.

Dienstag, 4. Februar 2014

Ansage #4: Continuity

Wir leben in den Zeiten der Serie. Oder haben Sie etwa nicht dieses Gefühl, dass alles immer weiter geht? Vielleicht ist dies ja dieser Kapitalismus, von dem alle reden. Und vielleicht kommt daher ja auch dieses Ding mit dem "Burn Out", wenn jeder Tag an einem vorbeiläuft, als wäre er nach dem Prinzip des Ford T-Modells gezimmert, alles gleich, aber trotzdem in Bewegung. Und natürlich: Adorno und Horkheimer, die Kulturindustrie. Was die nun wohl zum Siegeszug der Serie als Format gesagt hätten? Vielleicht wären sie komplett verzweifelt darüber, wie sehr das Serielle des produzierenden Alltags wieder als produziert Serielles diesen Alltag in seiner Freizeit bestimmt, wenn das ganze Wochenende, die ganzen Nächte dem Binge-Viewing amerikanischer oder anderer TV-Produkte gewidmet werden. Konsum am Fließband am Arbeitsplatz und im Wohnsitz, Produzieren und Reinschaufeln.
Aber man muss kein Kulturpessimist sein, um in der Serie das Lebensparadigma von "uns" schlechthin zu erkennen. Und natürlich betrifft das nicht nur "uns" vor den blauen Bildschirmen, die immer flacher werden, die Figuren durch das Serienformat aber immer (hoffentlich, zumindest) immer tiefer. Es betrifft genauso auch die Figuren selbst, die sich immer wieder durch ihr Leben kämpfen müssen, in das sie jede Folge gezwungen werden. Und so geht es für uns alle, ob fiktiv oder nicht, immer weiter. So sehr, dass die Continuity, das Anknüpfen an frühere Episoden, Leben oder Existenzen, schier unendlich wird.
Das geht mit der Kontinuität sogar so weit, dass sie für Fiktionen selbst fiktionalisiert wird. Sasha Weiss zum Beispiel sieht Claire Danes. Aber sie sieht noch mehr. Sie sieht auch Carrie Mathison aus "Homeland" und Angela Chase aus "My So-Called Life". Beide teilen sich das Gesicht von Danes, aber nicht nur irgendeines: Sie teilen sich ganz besonders das sogenannte "Cryface", das Danes so besonders gut kann. Weiss fängt an zu imaginieren, dass Carrie eine erwachsene Version von Angela ist, dass diese Figuren mit dem gleichen Gesicht nicht nur gleich verkörpert, sondern auch gleich beseelt seien. "Carrie Mathison is Angela Chase all grownup and a little twisted, but the inner material is the same".
Eine ähnliche Kontinuitätsfiktion hat Walter White aus Breaking Bad erlebt, aber umgekehrt. Walter hat das Gesicht von Bryan Cranston - wenngleich hinter Bart, Brille, Glatze und Bad Boy Attitüde versteckt. Genauso hat es Hal aus Malcolm in the Middle. Im Netz kursieren genug Fiktionen, wie "Breaking Bad" soetwas wie eine Vor- oder Parallelgeschichte zu "Malcolm in the Midle" ist, Cranston selbst hat in einem solchen Sketch mitgespielt. Und natürlich gibt es auch dazu ein mittelmäßiges Tumblr namens "Meth in the Middle". Manch ein Spoof war, dass "Malcolm in the Middle" im Grunde Walter White im Zeugenschutzprogramm sei oder ähnliche Kontinuitäten, die sich eben ein Schauspielergesicht zeigen. Nach dem Ende von "Breaking Bad" ist dies zumindest etwas vom Tisch.
Es sind natürlich noch mehr Kontunuitäten denkbar. Ist "Six Feet Under" das Prequel von "Dexter"? Setzt "X-Files" etwas "Californication" fort? Wie viele Leben hat Sean Bean, stirbt er etwas ewig in anderen Settings? Ist Harold Finch aus "Person of Interest" eine geläuterte Version von Benjamin Linus aus "Lost"? Und was machen zum Beispiel die ganze Ex-Tenieseriendarsteller jetzt als Eltern in Serien wie "Gossip Girl" oder "Pretty Little Liars"? Träumen sich die ganzen Whedonverse-Figuren in die Sitcom "How I Met Your Mother"?
Dass fiktive Figuren nicht in frieden sterben können, das wusst bereits die griechische Tragödie des Aischylos, wenn beispielsweise Prometheus oder Sisyphos mit ewigen Wiederholungen bestraft werden, oder auch Sherlock Holmes, der nicht sterben durfte, sondern immer wieder weiterleben musste, bis heute mit den Gesichtern von Benedict Cumberbatch, Robert Downey jr. und Johnny Lee Miller. Ob dies die Rache des Leben an der Fiktion ist oder sich die Fiktion so am Leben rächt, indem es dessen Prinzip aufsaugt und vereinnahmt, lässt sich schwer beantworten gerade in Zeiten, wo Serie und Leben selbst kaum noch voneinander zu unterscheiden sind. To be continued, also.

Die wichtigsten Alben 2013 #16: Kanye West - Yeezus

Eine meiner liebsten Sketche bei "Saturday Night Live" ist ja "Waking up with Kimye", die Show, in der Kanye West und Kim Kardashian uns einen guten Morgen wünschen. Natürlich ist es leicht, sich über Kim Kardashian lustig zu machen, Nasim Pedrad tut dazu jedenfalls ihr Bestes. Allerdings ist es vor allem die Kanye West Parodie von Jay Pharoah, die das Ganze auf ein anderes Level hebt. Aber eigentlich stimmt auch das nicht so sehr, denn letztlich ist doch Kanye West (der die Sketche standesgemäß "lame" findet), der dieses Level setzt.
Kanye West ist Richard Wagner - auf seine ganz eigene Art und Weise. Er ist ein musikalisches Genie und sagt das jedem. Er suhlt sich in Bombast und merkwürdigen Erlöserphantasien. Und er zückt schnell die politisch unkorrekte Phrase. West ist so streitbar wie unantastbar, und wie bei so vielen Parodien adelt auch Pharoahs Performance das Original als eben Original, das Wiedererkennenswerte und auch manchmal Einzigartige. "Yeezus" jedenfalls hat alles davon. Und wann sich Kanye sein eigenes Wahnfried baut, ist nur noch eine Frage der Zeit.
Bis dahin haben wir subtile Botschaften wie "I Am A God", die uns daran erinnern, was wir von Kanye zu halten haben. Dieser scheiende Wahnsinn in Songs wie diesem ist auch, was "Yeezus" 2013 größer, witziger, besser und wichtiger macht als alles, was zum Beispiel Eminem oder Jay-Z häten machen können. "Yeezus" ist kein Konsensalbum wie "Magna Carta, Holy Grail" (das den Größenwahn leider nur im Titel trägt) oder Anknüpfen an alte Erfolgsmodelle wie "The Marshall Mathers LP 2". "Yeezus" ist ein riesieger und dreckiger Mittelfinger an alles und jeden. Ich fand "My Beautiful Dark Twisted Fantasy" ja so herausragend und dachte: Das ist der Gipfel, da ist alles drin, was der kann, alles, was der will, was soll da noch kommen? Und dann diese dreckige Daft Punk-Collabo auf "In Sight", hingerotzt wie ein Axt im Computerwald. Diese treibenden Beats in "Black Skinhead" und die ganzen crazy Geräusche, wie Chance the Rapper tatsächlich auf Acid, diese Breackdowns und Ausraster, herrlich. "I Am A God" ist da genauso herausragend wie "New Slaves" wieder die typischen Aggressionen auslebt auf diesem Brett von Synthieverzerrer. Man mag sich gar nicht ausmalen, was in dem Produzentenhirn von Kanye los ist, wie der an ein Album wie "Yeezus" überhaupt herangegangen ist, ob da vielleicht doch mehr Kalkül drin ist, als die ganze Platte erahnen lässt, ober ob das so affektgeladen ist, wie es rüberkommt. Wahrscheinlich beides und mehr. Und selbst halbwegs normale Tracks wie "Bound 2" müssen ein verdammt unnormales Video bekommen, das cheesy und fantastisch zugleich ist. Und sowas kann eben nur einer, und genau das ist es, was "Yeezus" aus jeder Pore schwitzt und dir spuckend ins Gesicht schreit. Und wenn das nicht großartig ist, dann weiß ich es auch nicht. Rap-Album 2013, no doubt.

Die wichtigsten Alben 2013 #17: Chvrches - The Bones Of What You Believe

Ich weiß ja nicht, wie es allen anderen geht, aber wir hier beim Ansagenfeuilleton hatten das Gefühl, die Nummer mit dem Synthiepop sei jetzt langsam einmal durch und konzentriert sich eher auf Soundtracks und solche Sachen, wie M83 für das Cruise-Vehikel "Oblivion". Sozusagen das Schicksal, das dem sogenannten Post-Rock widerfuhr, siehe dazu 2013 die Soundtrack-Alben von Explosions in the Sky und Mogwai als herausragende Beispiele (Fußnote). Und dann sind sie plötzlich wieder überallm die Synthesizer, sowohl auf dem neuen Mogwai- als auch dem neuen Maximo Park Album und dann heißt es, die bekommen mehr Raum und definieren den Sound neu und waren bei H&M nicht schon vor 4 Jahren die 80er wiede da? Und dann auch noch Chvrches. Als ich damals "Recover" das erste mal gehört habe, da war ich hin und weg: Diese tolle Produktion, dieser perfekt designte Songaufbau, okay, die Stimme war etwas gewöhnungsbedürftig, aber das hat sich mittlerweile ja auch gelegt, da Lauren Mayberry nun wirklich nicht zu den Menschen gehört, mit denen man sich anlegen sollte, was sowohl aus ihren Songtexten als auch ihren Äußerungen zu Misogynie im Pop-Business herausspringt. Mich fasziniert ja immer dieser Zwiespalt leichter Pop und bittere Texte, und wer zu pluckernden Arpeggios und Schlagerschlagzeug "I will be a gun, and it's you I'll come for" singt, der hat mich sofort am Wickel. Und da sind wir genau an dem Punkt, wo Chvrches unglaublich großartig sind: In ihrem Pop-Verständnis. Klar, die Musik ist jetzt nichts Neues und auch nicht gerade revolutionär, aber wer 2013 perfekten Synthiepop suchte, fand ihn bei Chvrches. Und das definitiv, denn wenn man uns hier fragen würde, ist doch wirklich jede Spielart dieser Pop-Variante auf "The Bones of What You Believe" zu finden, sei es elegische M83-Hymnen, hüpfende Festzeltdisco oder auch einfach nur der Dreiminüter in Digital. Das stellt sowohl die Zuschauer von Uwe Hübner als auch den Indieclubgänger im ersten Semester Lehramt zufrieden, ein Fest für die ganze Familie und jeden für sich.
Insofern ist es schwer, sich überhaupt kritisch zu dieser Band zu äußern, die ihren Teflon-Sound ausspielt und hinter aller Noedlich- und Zugänglichkeit kratzt und beißt. Wie lange sich das hält, wie viel von dieser Band noch zu erwarten ist, ob sie, so meine befürchtung, nicht ihren Sound schon bis zum Exzess ausgereizt hat, das wird sich zeigen, aber für das Jetzt gibt es sicherlich kein definitiveres Werk zeitgemäßen Synthiepops als dieses (na gut, neben M83s "Saturday=Youth" vielleicht).

Montag, 3. Februar 2014

Die wichtigsten Alben 2013 #18 - Daft Punk - Random Access Memories

Hätten wir hier unsere Liste noch rechtzeitig abgeschlossen, das heißt: Würden wir nicht gerade dem zeitgeist hinterheulen, wir würden gar nicht gesehen haben, wie sie da alle standen: Yoko Ono, Beyoncé und wer auch immer, wir häten nichtmal gewusst, wie gerne Claudius Seidl in den Saal gestürmt wäre, als Daft Punk bei den Grammys auftraten und "Get Lucky" spielten. Wir hätten weder gewusst, wie schwer dieses Album dort absahnen wird, noch hätten wir eine Ahnung, wie sehr es die Leser- und Redaktionspolls zum Jahresende dominiert hätte. Wir hätten nur eines gewusst: "Random Access Memories" war einer der größten Hypes 2013. Und demnach hätten wir vielleicht schon etwas geahnt.
Aber wie das so mit Hypes ist, zumindest, wenn sie zurecht so genannt werden: Sie spalten. Die einen fahren riesig darauf ab, wenn der Coachella-Spot durch das Netz flackerte. Sie sauegn jeden Infoschnipsel auf bis hin zur stilbildenden Albumreklame mit dem grandiosen Unboxing-Clip, den sogar Sony für die vierte Playstation kopiert hat. Die anderen waren niedergeschlagen, enttäuscht und sogar stinksauer auf Daft Punk, dass sie ihre Integrität an die Rollschuhdisco abgetreten haben und anscheinend keine Ahnung aufbringen, wie die Musik der Zukunft klingt, die sie uns doch sonst immer so stilsicher präsentiert haben.
Denn man muss im Angesicht des Gesamtwerkes ehrlich sagen: Der ganz große Wurf war "Random Access Memories" nicht. Klar, gerade auf "Homework" und "Discovery" waren die Glam-Referenzen ganz vorne mit dabei, aber halt nur Referenz und nicht Programm. "Indo Silver Club" oder "Digital Love" funktionierten mehr und anders als die Bee Gees oder Chic. Und das war, entschuldigung, ja auch gut so, sonst hätten Daft Punk niemals die Relevanz erlangt, die sie heute haben. Und sie waren dem ganzen Musikbusiness immer um 2-3 Jahre voraus. Selbst das heute total großartige "Human After All" nahm vorweg, was Labels wie Ed Banger oder record Maker später propagieren und Schlawiner wie Skrillex perfektionieren sollten: Robot Rock. Und dass dabei auch immer unverschämte Hits bei rauskamen, die die Disco immer in die Zukunftsversion der Gegenwart übersetzte, war doch das geniale am Werk. Und wer "Alive 2007" gehört hat, der kann doch gar nicht fassen, wie homogen, wie stringent und wie wahnsinnig die Musik dieser Roboter doch ist, als hätten sie einen Masterplan.
"Random Access Memories" ist, wenn man so will, die Kehrseite von "Human After All". Beide Platten zusammengemixt ergeben "Homework" und "Discovery", so zumindest meine gleichung. Betonte "Human After All" noch eben das Mechanische, Automasierte im Schaffen Daft Punks, markiert der etwas langweilige Vermerk, nur "echte" Instrumente auf "Random Access Memories" zu verwenden, das vermeintlich "Organische" daran. Beides kam nicht sehr gut an, wobei "Random Acess Memories" doch irgendwie besser aus der Affaire gezogen wurde, denn: Hits. "Get Lucky" oder "Lose Yourself to Dance" dominierten nun wirklich alles. Oder vielmehr Pharrell Williams, der ja auch dem unsäglich sexistischen und unsäglich funky "Blurred Lines" von Robin Thicke seinen Goldadel verlieh. Wie viel Genius dabei Daft Punk zukommt, wird sich so nicht klären lassen, auch dass alle von Nile Rodgers sprechen. Dat Punk haben sich auf "Random Access Memories" mehr zurückgenommen, um eine Art Heldenmuseum ihrer Genealogie aufzustellen. Das funkelt zwar ordentlich, wirkt aber auch angestaubt und in seinem Blick zurück doch irgendwie etwas steif.
Deshalb sind Glanzstücke wie "Giorgio By Moroder" oder "Doing it Right" auch die Glanzlichter dieser auf Albumlänge doch etwas inkosistenten Platte: Sie schaffen es, Hommage und Übersetzung zugleich zu sein. Was Daft Punk hier permanent - und anscheinend bewusst - auf das Spiel gesetzt haben, ist ihr eigener Charakter. Leute wie Romanthony habend zuvor so homogen in den Roboterkosmos gepasst, auch Panda Bear oder Moroder tun es auf ihre Art, meinetwegen eben auch Nile Rodgers. Aber so Belanglosigkeiten wie "Instant Crush" mit Julian Casablancas sind kaum zu verzeihen, auch das Jethro Tull Ding auf "Motherboard" ist einigermaßen fragwürdig. Aber eines muss man "Random Access Memories" bei alldem lassen: Die Vision ist, wie immer bei Daft Punk, konsequent, die Hits sind da, die Songs auch, die Ideen und es passt, wie in guten Museen immer, alles zusammen, dass das Vergangene neu und toll für das Jetzt erzählt und erfahrbar gemacht wird. Dass dieses geradezu retromanische Album aber so dermaßen durch die Decke geht, sagt eigentlich weniger über Daft Punk als über den Zustand der Musikindustrie aus. Denn Stil haben die Roboter auf jeden Fall und hatten ihn auch schon immer. Das beweist auch der Auftritt bei den Grammys, der aber auch symptomatisch ist: Denn letztlich driftet "Get Lucky", mit Stevie Wonder aufgeführt, in dessen alten Hit "Another Star" ab. Gets old.