Entschuldigung, aber jetzt wird es langweilig. Wirklich! Ich dachte ja, je näher wir hier den absoluten Highlights von 2013 kommen, desto interessanter wird es, aber ich habe mich wohl getäuscht, nicht nur im Geschmack dieses Feuilletons, nicht nur im Musikjournalismus überhaupt, der dieses Feuilleton und seine Ansagen immer noch fest im Griff hat, sondern auch in den Highlights. Denn was soll man noch groß zu den Top Acts des letztn Jahres sagen was nicht schon gesagt wurde? Jetzt halt James Blake, was fällt einem dazu noch ein außer die Wiederholung von Klischees (für manche ist ja genau das: Musikjournalismus)? Dieser Milchbubi aus London, dieser Erneuer des elektrischen Soul, dieser unverschämt talentierte und zwischen Arroganz, Understatement und Pomp changierende Musiker, der einfach nicht aufhören möchte allen zu beweisen, wie gut sein musikalischer Kopf funktioniert und wie traurig und wuschelig man dabei in die Welt gucken kann.
Die frühen Dubstep-Avancen auf R&S Records wie "Klavierwerke" (allein dieser prätentiöse Name!), die Kollaborationen mit Mount Kimbie mal dahingestellt: Das auch noch selbstbetitelte Debüt war doch die Konsensplatte für alle Spex-Leser, die mit schlechtem Gewissen aber großem Genuss zu Starbucks schlendern und in der Großstadt davon Reden mal wieder wandern zu gehen wegen Luft und so. Grauenvoll! Aber da kann ja die Musik nichts für, eigentlich, denn "James Blake" war vor allem: Ein Manifest der Großstadtseele mit den absolut therieaffinen und zeitgemäßesten Songs jenseits von Burial. Wie oft man in "I Never Learnt To Share" rausheulen konnte, dass man sich mit seinen Geschwistern nicht mehr versteht, aber das gewiss nicht deren Schuld sei, das war schon herzzerreißend, genau wie die Eskapaden auf "Wilhelm Scream" oder "I Mind", vom Feist-Cover "Limit to your Love" mal ganz geschwiegen.
Und was sollte "Overgrown" nichts anderes sein als die Fortführung, Krönung, Unterwerfung und Explosion dieses musikalischen Großtäters, der ein Geisteralbum mit Seele, ein Stadtalbum mit Herz und ein Soulalbum mit High Voltage aufgenommen hat? Und genau so ist es gekommen! Wie langweilig! Aber da müssen wir durch, denn "Overgrown" hat nichts anderes verdient als unsere Hochachtung. Denn man kann zwar meinen, Blake musiziere vom Kopf her, wage nur Experimente in einem sehr eng abgesteckten Rahmen und überhaupt sei viel zu weinerlich, aber boo-fuckin'-hoo, dann ist das eben so. Das soll uns hier doch egal sein, wenn so große Nummern wie das Titelstück dabei raus kommen, das sozusagen die Musicalversion von Alan Wisemans "Die Welt ohne uns" ist. Oder "I Am Sold", diesem tausendtränentief komponierten Wahnsinnsstück. Oder "Life Round Here", das sich am Ende in einen Acid-Zauberwürfel verwandelt und sich selbst ein Beinchen stellt. Von der RZA-Kollaoration "Take A Fall For Me" muss doch gar nicht mehr reden, oder? Wer heute noch über Beziehungen und Heiraten mit dem Wort "Poltergeist" rappen kann, der hat ohnehin graue Gewinnerzellen. "Retrograde" schließlich macht das Apokalypse-Feeling auf "Overgrown" komplett - "and your friends won't come". Das wird nuch noch härter durch den durchgeknallten Rise of the Machines Roboter in "Digital Lion" und den absolut creepy Housetrack "Voyeur", die beide keine Gefangenen machen wenn es um Biestigkeit und Selbstzerstörung geht.
Und das ist es auch, was "Overgrown" so unglaublich toll macht und dann doch wirklich niemals langweilig: Dass Blake sich immer öfter traut, seine fein abgestimmten Kompositionen eskalieren zu lassen, dass sie nicht enden, wie sie beginnen, also nicht vor sich hin schleichen und siechen, einen einlullen, sondern einen mit der Kontingenz konfrontieren, dass hier nichts ist und bleibt wie man denkt. Dass es dabei immer wieder um Vereinsamung, Verinselung und Vernichtung geht macht auch ein "Our Love Comes Back" am Ende nicht mehr wett, das nach all der Destruktion und dem zeitweisen Wahnsinn auch nicht mehrso recht tröstet. Man kann Blake weiterhin etwas eisiges Kalkül unterstellen. Aber sei es drum, denn "Overgrown" ist eine ganz große Komposition für das Jahr, in dem die Welt eigentlich den Roland Emmerich machen sollte. Solange Platten wie "Overgrown" noch Seelen fangen und brechen ist die Apokalypse aber in guten Händen.
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