Dienstag, 4. Februar 2014

Ansage #4: Continuity

Wir leben in den Zeiten der Serie. Oder haben Sie etwa nicht dieses Gefühl, dass alles immer weiter geht? Vielleicht ist dies ja dieser Kapitalismus, von dem alle reden. Und vielleicht kommt daher ja auch dieses Ding mit dem "Burn Out", wenn jeder Tag an einem vorbeiläuft, als wäre er nach dem Prinzip des Ford T-Modells gezimmert, alles gleich, aber trotzdem in Bewegung. Und natürlich: Adorno und Horkheimer, die Kulturindustrie. Was die nun wohl zum Siegeszug der Serie als Format gesagt hätten? Vielleicht wären sie komplett verzweifelt darüber, wie sehr das Serielle des produzierenden Alltags wieder als produziert Serielles diesen Alltag in seiner Freizeit bestimmt, wenn das ganze Wochenende, die ganzen Nächte dem Binge-Viewing amerikanischer oder anderer TV-Produkte gewidmet werden. Konsum am Fließband am Arbeitsplatz und im Wohnsitz, Produzieren und Reinschaufeln.
Aber man muss kein Kulturpessimist sein, um in der Serie das Lebensparadigma von "uns" schlechthin zu erkennen. Und natürlich betrifft das nicht nur "uns" vor den blauen Bildschirmen, die immer flacher werden, die Figuren durch das Serienformat aber immer (hoffentlich, zumindest) immer tiefer. Es betrifft genauso auch die Figuren selbst, die sich immer wieder durch ihr Leben kämpfen müssen, in das sie jede Folge gezwungen werden. Und so geht es für uns alle, ob fiktiv oder nicht, immer weiter. So sehr, dass die Continuity, das Anknüpfen an frühere Episoden, Leben oder Existenzen, schier unendlich wird.
Das geht mit der Kontinuität sogar so weit, dass sie für Fiktionen selbst fiktionalisiert wird. Sasha Weiss zum Beispiel sieht Claire Danes. Aber sie sieht noch mehr. Sie sieht auch Carrie Mathison aus "Homeland" und Angela Chase aus "My So-Called Life". Beide teilen sich das Gesicht von Danes, aber nicht nur irgendeines: Sie teilen sich ganz besonders das sogenannte "Cryface", das Danes so besonders gut kann. Weiss fängt an zu imaginieren, dass Carrie eine erwachsene Version von Angela ist, dass diese Figuren mit dem gleichen Gesicht nicht nur gleich verkörpert, sondern auch gleich beseelt seien. "Carrie Mathison is Angela Chase all grownup and a little twisted, but the inner material is the same".
Eine ähnliche Kontinuitätsfiktion hat Walter White aus Breaking Bad erlebt, aber umgekehrt. Walter hat das Gesicht von Bryan Cranston - wenngleich hinter Bart, Brille, Glatze und Bad Boy Attitüde versteckt. Genauso hat es Hal aus Malcolm in the Middle. Im Netz kursieren genug Fiktionen, wie "Breaking Bad" soetwas wie eine Vor- oder Parallelgeschichte zu "Malcolm in the Midle" ist, Cranston selbst hat in einem solchen Sketch mitgespielt. Und natürlich gibt es auch dazu ein mittelmäßiges Tumblr namens "Meth in the Middle". Manch ein Spoof war, dass "Malcolm in the Middle" im Grunde Walter White im Zeugenschutzprogramm sei oder ähnliche Kontinuitäten, die sich eben ein Schauspielergesicht zeigen. Nach dem Ende von "Breaking Bad" ist dies zumindest etwas vom Tisch.
Es sind natürlich noch mehr Kontunuitäten denkbar. Ist "Six Feet Under" das Prequel von "Dexter"? Setzt "X-Files" etwas "Californication" fort? Wie viele Leben hat Sean Bean, stirbt er etwas ewig in anderen Settings? Ist Harold Finch aus "Person of Interest" eine geläuterte Version von Benjamin Linus aus "Lost"? Und was machen zum Beispiel die ganze Ex-Tenieseriendarsteller jetzt als Eltern in Serien wie "Gossip Girl" oder "Pretty Little Liars"? Träumen sich die ganzen Whedonverse-Figuren in die Sitcom "How I Met Your Mother"?
Dass fiktive Figuren nicht in frieden sterben können, das wusst bereits die griechische Tragödie des Aischylos, wenn beispielsweise Prometheus oder Sisyphos mit ewigen Wiederholungen bestraft werden, oder auch Sherlock Holmes, der nicht sterben durfte, sondern immer wieder weiterleben musste, bis heute mit den Gesichtern von Benedict Cumberbatch, Robert Downey jr. und Johnny Lee Miller. Ob dies die Rache des Leben an der Fiktion ist oder sich die Fiktion so am Leben rächt, indem es dessen Prinzip aufsaugt und vereinnahmt, lässt sich schwer beantworten gerade in Zeiten, wo Serie und Leben selbst kaum noch voneinander zu unterscheiden sind. To be continued, also.

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