Da schlägt man nichtsahnden das Feuilleton der FAS auf, heute, am 18. August 2013, schön nach dem Ausschlafen (war ja auch nötig, diese Mückenplage nimmt einen ganz schön mit), und obwohl die Frühstückspartner erstmal natürlich Tee und, zwecks Übermüdung, die "Quadratortour" machen wollen (gekontert meinerseits durch eine ausgiebige Lesung der "Herzblattgeschichten", haha, Witzrubriken unter sich), schielt das andere Auge schonmal ins Feuilleton. Und da steht in den "Nackten Wahrheiten" doch tatsächlich drin, wie Volker Weidermann sich gerne mit Ijoma Mangold über etwas streiten möchte, am besten über Bücher, aber dass das irgendwie schwer ist, weil Mangold gerne einen Kanon "von Homer bis Borges" lesen möchte, im Ruhestand dann, so in 20 Jahren oder so (wann genau man Kritiker im Ruhestand wird, das weiß ja niemand so recht, meinen doch viele, das sei eine innere Disposition und man kommt nie zur Ruhe, man liest ja immer und befindet immer über das, was man liest und Internet und so, da kann man ja auch mal reinschreiben, wie man befindet, selbst wenn der Feuilletonchef irgendeines Printorganes zum Textverfassungsangebot unverschämterweise "Nö" sagen sollte). Da könnte man jetzt erstmal rätseln, warum der Kanon von Homer bis Borges geht, alphabetisch müsste es ja umgekehrt sein, chronologisch müsste man annehmen, dass nach Borges nichts kanonisches mehr käme, und auch das macht schon wieder traurig. Keiner streitet und nach Borges nur noch Grützenliteratur, nichts Ruhestandtaugliches.
Und als wäre das alles noch nicht trist genug erzählt Weidermann von einem Streit, den Mangold und er mal hatten: Über Botho Strauß und die Windräder, gegen die er kämpfe. Nun wird auch nicht näher erörtert, welche Windräder dies der Meinung der Kritiker nach seien und wer diese "schön" fand und wer nicht und warum überhaupt, aber unter uns, das ist ja auch gar nicht interessant. Und dann schreibt Weidermann wo das war: "[A]uf einer Tanzfläche und nicht im Feuilleton."
Die Traurigkeit, die einem bei diesem Bild überkommt, ist kaum mit Worten zu erfassen. Man muss sich die Szene mal vorstellen: Da stehen Mangold un Weidermann auf einer Tanzfläche und unterhalten sich über ästhetisches Befinden bei der Lektüre von Botho Strauß. Was für ein Club mag das gewesen sein, welche Party? Was lief denn da für Musik, während dieses Streitgespräches? Haben Weidermann und Mangold etwa dazu den Twist getanzt, während sie stritten? Gab es auch da Schnaps in rauen Mengen? Man hofft es natürlich inständigst.
Am passendsten wäre natürlich, hätten beide ein ordentliches Hardcore-Konzert besucht. Nicht nur, dass dort eine vermeintlich aggressive Grundstimmung zum guten Ton gehört, nein, auch elaborierte Tanzbewegungen wie das "Windrad" (bei dem man ausgiebig, die Hände zu Fäusten geballt, die ausgestreckten Arme kreisen lässt) sind dort mehr oder minder gern gesehene Dancemoves. Zumindest bei den sogenannten "Tough Guys". Und, ganz ehrlich, dieses Bild ist das einzige, das diese traurige Szene ein bisschen weniger traurig macht. Wie Mangold und Weidermann da pogend, toughguymäßig nochmal die Youth Crew raushängen lassen, wie sich langsam die blauen Flecken anbahnen und auch mal ein Bier über Köpfe verschüttet wird, während man so ganz nebenbei, etwas mehr schwitzend als sonst, darauf kommt, dass Botho Strauß ja auch etwas schönes an sich hat, mit seinen Windrädern, und dass man doch echt mal wieder sich ordentlich fetzen könnte, in der Wall of Death der Literaturkritik, die auch schonmal härter war und mehr weh tat als der ganze neue Kram. Und deshalb, um den Sonntag vor dieser betroffenen Schwere zu retten (vielleicht liegt es auch am starken Kaffee), ein schöner Clip von Hatebreed: Destory Everything. Für das Morgen der Literaturkritik.
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