Sonntag, 6. Juli 2014

Ansage #7: Monster

Als wir uns hier vor langer langer Zeit einmal wieder einig ob eines Themas, aber uneinig über dessen Qualität waren, in diesem Fall aktuelle "Monsterfilme", stand die Frage im Raum, ob "Monsterfilme" und wenn ja, welche und vor allem: Wie aktuell ist denn soetwas? Da hilft meist nur ein Blick auf das Oevre des vielleicht besten Autoren für diese Fragen aller Zeiten, den leider viel zu früh verstorbenen Michael Crichton. Denn sowohl in "Jurassic Park" (genial als "Dino Park" übersetzt) als auch in "Prey" hat Crichton, um nur wenige Beispiele zu nennen, die Dimensionen des Monströsen ausgelotet. Monströs insofern, als natürlich, wie in "Jurassic Park", die kleinen Monster der geklonten Gene die großen Monster der ausgestorbenen Vergangenheit gebären als auch, wie in "Prey", die großen Monster der Konzerne und Labore die kleinen Monster der Nanobots (die sich zu jeder Art Monströsität umformen können, je nach Bedarf) hervorbringen. Welche Monster sind also zeitgemäß? Die stampfenden Dinos, die ja nur ein Haufen Klonzellen waren, die im Zweifel ganze Ziegen verspeisen? Oder die Informationsmonster mikroskopischster Maschinen? Crichton sagt: Beides, denn das Eine ist ohne das Andere ja gar nicht drin.
Und er hat Recht. Wenn wir nun also darüber sprachen, ob der meiner Meinung nach doch eher underwhelming "Godzilla" von Gareth Edwards oder das Cartoonrevival in Guillermo del Toros "Pacific Rim" zeitgemäß war oder ob dies archaische Archetypen vergangener Zeiten waren, denn neuer Horror sehe aus wie in Wally Pfisters "Transcendence" (der vom Plot her mehr so 80s, also Retro war und überhaupt wenn dann eher ein Daniel Suarez Rip-off, aber das nur so nebenbei angesagt), der Informationshorror, dann verfehlt das den Punkt meilenweit.
Wir haben einige Monster in letzter Zeit erlebt, die mehr oder minder schlaue Kulturanalytiker für Embleme unserer Zeit gehalten haben: Vampire, Zombies, Werwölfe, jetzt meinetwegen sogar wieder Frankenstein und Mad Scientists, sogar die gute alte Alien Invasion war wieder mit dabei und in jedem Transformers-Film in ihrer Redundanz hervorragend zyklisiert (allein, dass Michael Bay sich selbst und sein stock footage permanent recyclet ist doch ein herrlicher filmischer Kommentar zur absurden Forderung nach permanenter Originalität, aber auch das nur so nebenher angesagt). Nun also die großen Monster, jetzt auch mit dem Fachterminus Kaiju versehen. Die Frage stellt sich gar nicht, ob diese Monster in unsere Zeit überhaupt passen, sie sind ja da, dort auf der Leinwand, in den Box Sets und den Sonntagnachmittagen auf Kabel 1, in den Comicheften und den Animes. Zu fragen, ob wir nicht nur noch verkabelte und untote Monster akzeptieren wollen, ist schlicht ignorant, denn wer die Filme gesehen hat, der müsste auch bemerkt haben, was das Monströse an diesen Monstern ist - und das sie sich mit den Untoten teilen: Dass sie eben nicht aus dieser Zeit stammen, hier aber alles kaputt machen wollen, was zu ihr gehört. Sie sind nunmal Heimsuchungen aus der Vergangengheit. Meist sogar aus einer Vergangenheit, die wir alle gar nicht kannten, die irgendwo im Archiv der Erdschichten vergraben war und nun umso mächtiger zurückzuschlagen droht. It's Evolution, Baby!
Was wir also erleben, ist das absolute Archivmonster, der Horror der Archäologie, den niemand so griffig gezeichnet hat wie H. P. Lovecraft, nämlich die Vorstellung, dass die geheime, uralte Geschichte, die wir gar nicht kannten, uns in Zukunft vernichten wird, dass sie aus dem Innersten unseres Planeten, den dunkelsten Ecken unseres Himmels uns heimsuchen wird und dass unsere Zeit damit zuende ist, wenn wir erkennen, dass es gar nicht unsere Zeit gewesen ist.
Dass "Pacific Rim", "Godzilla" und andere Widergänger dieses Horrors den Crichton-Twist krümmen, indem sie zeigen, wie der Mensch durch seine Monsterlabore, seine Monstermaschinen, seine Monsterkomplexe seinen monströsen Triumphzug fortsetzt, ist die bittere Pointe, an deren Ende vielleicht gar nichts anderes übrig bleibt, als die Selbstauslöschung des Humanen in Form der Technik zum absoluten Horror avant la lettre zu erheben, ist Stoff für eine andere Ansage. Dass aber die Monster in Form der Kaijus in unsere Zeit gehören wie die Monster der Labore und Maschinen, ist doch nur eine allzumenschliche, allzu zeitgemäße Betrachtung. Der Übermensch kommt mal wieder zu spät.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen