In der letzten "Frankfurter Allgemein Sonntagszeitung" ist Albert Schäfer auf eine großartige Idee gekommen: Politiker nicht mehr als Menschen zu porträtieren, sondern als Serien. Grandios! Erstes Beispiel: Die "CSU-Serie [sic!!!]" namens "Alexander Dobrindt". Gewagter Einstieg in dieses neue Portraitgenre (es heißt jetzt zwar Porträt, ist aber unschön), gleich diese, wie soll man sagen, doch eher wenig augenfällige Serie zu nehmen. Aber was Schäfer da rausholt, macht sofort so zwingenden Sinn, dass keine Fragen offen bleiben. So ist "Alecander Dobrindt" auch schon weit über die ersten Staffeln hinaus, Schäfer kann sich so einer doch beeindruckenden Continuity und Figurenentwicklung mit ziemlich raffinierten Twists und einigen erinnerungswürdigen Cliffhangern widmen. Wie Dobrindt vom Schützenfestbesucher zum "Stadtneurotiker" wurde, von füllig zu schlank, vom Landes- zum Bundespolitikplayer, das ist wirklich eine tolle Dramaturgie, die auch Schäfer nicht entgeht. Und über allem der quasi-tragödienhafte Deus ex Machina "Seehofer", der sicherlich ein eigenes Prequel-Spin-Off verdient hätte, so geschickt erkennt Schäfer die Dynamik zwischen dem Protagonisten aus "Alexander Dobrindt" und seinem antagonistischen Fatum mit dem Vornamen Horst - die sogar so weit geht, dass laut Schäfer dieser Horst Seehofer die eigentliche Hauptrolle sogar in "Alexander Dobrindt" spiele. Dabei wird schnell klar, dass "Alexander Dobrindt" eine mehr oder weniger postmodern anmutende Meta-Serie ist, eine mit rollenspielenden Rollen-Spielern. Überhaupt ist die Prämisse der Serie so einfach wie genial: Dass der titelgebende Protagonist fast wie Zelig aus dem gleichnamigen Woody-Allen-Film seine Rollen wechseln kann, je nachdem, wie das Fatum es verlangt, dass er selbst akzeptiert, eine Rolle zu sein, da kann sich das Fatum Seehofer (der eine Art Showrunner-Figur ist, auch da erkennt man sofort die Metaebene der Serie) Skripte ausdenken, wie er möchte. Das führt dann an den Höhepunkt, dass Schäfer feststellt, wie Dobrindt schonmal als "Widergänger von Franz-Josef Strauß" in Erscheinung trat, damals, am Beginn seines Aufstiegs, wie doppelbödog die Autoren da dran sind, an dieser Figur und wie gut das der Berichterstattung über Politiker doch tut, wenn man sie nicht als Figuren, nicht als Schauspieler oder ähnliches begreift, sondern als ganze Serien, als Schauspielerschauspielerschauspieler, so ausgefuchst ist das doch, so hintergründig und so twistreich wie eine Mischung aus "Homeland", "House of Cards" und "Game of Thrones" - mit einer Prise "Friends" und manchmal auch etwas "ALF".
Und da wünscht man sich doch, dass ab jetzt nur noch über Dinge als Serie, diesem mächtigsten aller Paradigmen im neuen Jahrtausend, berichtet wird, damit diese nölige Autoritätsfixierung personalisierter Portraits irgendwann mal aufhört, damit man endlich auch wieder etwas mehr zu sagen hat als "Macht, Macht, Macht" und so, denn davon handelt die Serie "Alexander Dobrindt" doch, dass Macht nichts ist, was man hat, sondern was man macht - bis zu dem Punkt, dass man glaubt, Macht und Machen seien etymologisch enger verbunden als bisher geahnt. Und wer möchte nicht "Peer Steinbrück", "Volker Bouffier", "Cem Özdemir" oder "Petra Pau" oder die "Mad Men"-Varianten wie "Willy Brandt", "Walter Scheel" oder, natürlich, "Franz-Josef Strauß" gucken, diese Genresprengenden Retter nicht nur der TV-Ideenwelt, sondern auch des Politjournalismus? Und das jetzt, wo das goldene Zeitalter der US-Serien langsam versiegt braucht es doch neuen Stoff zum Bingevieweing - oder auch mal des Bingereading.
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