Montag, 10. Februar 2014

Die wichtigsten Alben 2013 #13: Jon Hopkins - Immunity

Haben eigentlich auch alle wieder die absolute Jahresendlistenkrise bekommen, als Burial seine "Rival Dealer EP" im Dezember rausgehauen hat, als gäbe es kein Morgen mehr? Ich dachte ja zuerst, das wäre ein Fake, weil der Sound irgendwie zugänglicher, fast schon cheesy war, aber darunter immer noch Burial hauste mit seinen typischen Field Recordings, Plattenknistereffekten und den toll ausgesuchten Sprach- und Singsamples voller Weltschmerz und einem kleinen bisschen Hoffnung. Und am Ende ist ein Stück wie "Come Down To Us" doch ein Geschenk an die Menschheit, trotz aller Eightieshaftigkeit im Design. Dass Burial mal so offen Herzen ergreifen kann und nicht so leise und verzagt wie sonst, das war die eigentliche Überraschung an "Rival Dealer", dessen Titeltrack doch so grob die Säge auspackt, wie zuvor noch kein Burial-Track.
Und was hat das denn jetzt mit der Jon Hopkins Platte namens "Immunity" zu tun? Fast alles! Und zwar kommt das so: Wer sich 2013 nach Elektro umgesehen hat, der kam an viele verschiedene Soundentwürfe, die aber vor allem Entspannung gesucht haben und ein bisschen schief grinsten. Das gilt selbst für die VÖs von Moderat oder Laurel Halo, Dean Blunt (ist das noch Elektro oder schon Blues) oder Darkstar. Aber kaum jemand hat konsequent so traurige Raves abgeliefert wie Jon Hopkins mit "Immunity". Den Übertrack "Open Eye Signal" hab ich das erste Mal geteilt von Four Tet auf Facebook gehört und war sofort hin und weg. Diese komplexe Soundräume, dieser sägende Bass, dieser pumpende Rhythmus und der fast traditionell ausufernde Rave-Aufbau, bis dass am Ende fast alles in drei Minuten kratzigstem House versenkt wird, das war schon überwätligend. Umso schöner, dass der ganze Breitwandrave auch auf "Immunity" funktionierte, das sicherlich so manchen Sci-Fi-Streifen im Kopf ausmalen kann, aber auch mal die dunklen Seiten des Mondes in Klaviertasten verwandelt, wie zum Beispiel auf "Abandon Window". Four Tet und Burial haben in ihren Kollaborationen ja eine ähnliche Dichte an Emotionen und Sounds gesucht und gefunden. Dass Hopkins unter anderem auch mit Brian Eno an Coldplays Stadionpop mitgefeilt hat, merkt man "Immunity" ebenso an wie die Hinwendung zu Burial/Four Tets bewusstseinserweiternden, einem UNESCO-Weltkulturerbe gleichkommenden Experimenten. "Immunity" schafft es zudem, die Waage zu halten zwischen Eskalation und Depression, funktioniert sowohl vor, im und nach dem Club - und sogar am Katermorgen danach, wenn der Glowstick noch sein letztes Licht ausgibt. "Collider", "Sun Harmonics" oder der Titeltrack geben Formatvorlagen zu allen möglichen Sounddesigns, die man auf der Gefühlsskala bedienen kann, was das Album nicht etwas auseinander reißt, sondern auch als Album funktionieren lässt, was ja nun wirklich nicht jedem Künstler aus dem reinen Elektrobereich gelingt. Glücklicherweise verzichtet Hopkins meist auf Gastsänger oder bettet sie heimlich in seine überbordenden Sound-Kathedralen ein, ohne sie, wie zum Beispiel bei Bonobo, der Farbkombination im Gesamtbild des Albums zu grelle oder ausfallende Flecken zuzufügen. Dabei bedient sich Hopkins nicht nur der gleichen Mittel, wie Burial, Four Tet oder Eno und Coldplay, sondern markiert auch gleich sein eigenes Revier im Raum zwischen all diesen letztlich doch grundverschiedenen Künstlern. Feuerzeug raus im Club, sozusagen: das muss man erst mal schaffen.

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