Sonntag, 16. Februar 2014

Die wichtigsten Alben 2013 #9: Gold Panda - Half of where you live

Als wir dieses Jahr auf dem "Haldern Pop" waren, das auch noch sein jubiläum feierte, da haben wir das Line Up nach echten Highlights abgesucht, die sich aber partout nicht einstellen wollten. Selbst bei Efterklan war am Ende nur eine gefühlte Handvoll Menschen, die sich dieser Konsensband zwischen Kunsthalle und Stadionpop hingeben wollten. Owen Pallett war da, das war großartig. Aber der Donnerstag, der Tag, bevor es eigentlich losgeht, der Tag, an dem die Haupbühne "Biergartenbühne" oder so ähnlich heißt, in jedem Fall aber so klingt, so schnell auf- wie abgebaut, so provisorisch, etwas hingerotzt, mit furchtbarem Sound, der hatte die Highlights, ach was sage ich: DAS Highlight des nicht mehr so geheimen Geheimtippfestivals schlechthin. Und zwar waren dies nicht die fantastischen We Were Promised Jetpacks, die tolle Julia Holter (mit der wir doch gerne noch ein Bier getrunken hätten nach diesem traumhaften Auftritt), auch nicht John Grant, der besser sprachen Lernt als konzise Musik zu schreiben, die mehr kann, als nach der closing time die letzten Säufer rauszuschmeißen. Nein, das Highlight hieß Gold Panda. Denn auch ein klassisches Singer/Songwriter-Festival wie das Haldern hat sich in den letzten Jahren immer mehr der elektronischen Musik geöffnet. das mag dem Karsten zwar nicht gefallen, ist aber nur konsequent und gut gedacht, so viel großartige Acts, wie es da gab und auch in den letzten Jahren am Niederrhein war: James Blake, Apparat, Delphic, meinetwegen auch die mir nie passenden Brandt Brauer Frick (gähn, oder?). Aber Gold Panda war ein wirkliches Schnäppchen, ein Diamant im Kohlenkeller des Bookings. Und das ganz einfach: Weil der Junge nur tolle Tracks hat, nur, von vorne bis hinten! Und: Weil er einen Sound hat, den du sofort erkennst. Und: Weil dieser Sound auch live zusammengebsatelt herrlichst funktioniert.
Manche fanden "Half of where you live" nicht gut. Ich weiß nicht, warum. Der vergleich mit dem Wahnsinns-Vorgänger "Lucky Shiner" führt für uns hier nicht dazu, die neue LP abzuwerten (und wie schwer es LPs in diesem Genre haben, ist ja hinlänglich bekannt), ganz im Gegenteil: Gerade wer Gold Panda dieses Jahr live erleben durfte hat gemerkt, wie homogen das Neue mit dem Alten zusammengeht. "Lucky Shiner" hatte den Übertrack "You", der wirklich ein Übertrack ist und bleibt. Und auch sonst zeichnet sich Gold Pandas Musik nicht nur durch das Trigger Happy Sampling aus, sondern auch durch die schönen, schnöden und, sorry, groovigen Beats aus, die rumpeln und klackern wie eine Seifenkiste, die Weltmusikeinflüsse, die die Musik zum Melting Pot machen, die Spielfreude in der Zusammensetzung und den positiven Vibe (beachtlich gerade für einen Typen, der in Interviews immer etwas griesgrämig rüberkommt wie Oskar aus der Mülltonne und Nepomuk aus Hallo Spencer zusammen). All das hat auch "Half of where you live", wenngleich die Kurve zum 4/4-Beat, zum House und Elektro nochmal etwas schärfer geschnitten wurde als auf "Lucky Shiner". Aber auch hier heißt es: Wichtig ist auf'm Platz und der ist überall zuhause. Allein "We Work Nights" oder "Brazil" sind so spaßig zusammengebaut, so gelenk danebengetaktet, so gutgelaunt verstrahlt und handverlesen, dass es eine reine Freude ist. Oder nimm "An English House", diese Teezeremonie auf Acid, das im Traum redende "Community" oder das sich fleißig und zielgerade in die Partynacht steigernde "Junk City II", hier sitzt alles so perfekt und glichzeitig so schön fremd, dass man nicht weiß, wo man mit dem Staunen anfangen und aufhören soll. Klar, der Reise-Topos für elektronische Musik, genau wie der Trip, der Traum und die Ekstase, das sind Klischees, die hier zwar zum Tragen kommen, aber am Ende nicht reichen. Dazu bleibt "Half of where you live" trotz aller Einflüsse, Abdriftereien, Schwelgereien und Experimente zu sehr am (Tanz)Boden, was eben auch die interessenante Mischung ist, die Gold Panda von anderen Acts, deren Kopf oft genug in den Wolken steckt, abhebt. Und so ist auch "Half of where you live" ein Ausnahmewerk in zeitgenössoscher House- und Eelktromusik, das nur oberflächlich mehr Ambient-Elemente zulässt. Dadrunter aber wartet eine ganze Welt voller Wunder - und zwar eine ganz reale.

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