Dienstag, 18. Februar 2014

Die wichtigsten Alben 2013 #8: Vampire Weekend - Modern Vampires of the City

Es geht doch: Lässig aussehen beim Belesen-Sein. Lustig klatschen und Pfeiffen beim Philosophieren. Mit den Augen zwinkern beim Fußnotensetzen. Vampire Weekend haben bewiesen, wie lässig akademisierte Zeichen und Gesten sein können. Lieder über Kommasetzung? Catchy! Ein Song über das Abhängen auf dem Campus? Groß! Das Leben von Diplomatensöhnen besingen? Aber Hallo! Dazu noch die Diskussion, ob Prep Look jetzt wieder geht und "irgendwie links" sein kann (was die "Der Freitag"-Community sicher jetzt noch diskutiert), aber das muss die vier Jungs von der Ostküste so dermaßen nicht kratzen, ob auf ihren Hemden Polo gespielt wird oder die Seglerschuhe verdächtig aussehen. Achj und natürlich: Paul Simon.
Und jetzt "Modern Vampires of the City" und ich dachte: Da kommt nichts mehr, was irgendwie überrascht. Der Sound der Band ist ausgefeilt, der Kosmos erforscht und abgesteckt und jetzt gibt es nur noch audefinition des bereits Bekannten. Aber denkste! Natürlich klingt "Modern Vampires of the City" noch unverkennbar nach Vampire Weekend, natürlich sind auch hier die bekannten Einflüsse zwischen 80s-Punk und World Music mit drin, selbst der Blues und ein bisschen später Michael Jackson und früher Elvis schauten um die Ecke. Aber so selbstständig klang diese Band bisher noch nicht, wohl auch dank dieser Unbeschwertheit, die "Vampire Weekend" und "Contra" schon so großartig machten, jetzt aber komplett freigedreht hat. Vielleicht war das brennende Auto im eher Gif als Clip zu "Diane Young" schon Vorbote für das Phoenix-Asche-Ding genauso wie das kurz darauf folgende Schampusvideo zum fantastischen Chipmunk-Overkill "Ya Hey": Lass es brennen und gieß den sSchampus drauf! Und so handelt "Modern Vampires of the City" alles in allem wieder von der Ostküste, vom Campus, vom Bücherregal, vom fernen Israel und dem Melting Pot USA, von der Plattensammlung der Eltern und dem Nichtwissen und Großmaulen der Twens. Und wie keine andere Band dieser Zeit bringen Vampire Weekend diese kleinen Existenzkrisen weißer Mittelständler mit so viel Lebensfreunde zusammen, dass sie wie die lachenden tragischen Menschen schlechthin erscheinen. Die Todessehnsucht und der letztgültige Kommentar zu Religionsideologien in "Unbelievers" oder "Worship You", der kontemplative Herzschmerz von "Step" oder "Everlasting Arms", die Lebenswut in "Ya Hey" und "Hannah Hunt" sowie der IMHO Übersong der Platte "Finger Back", in dem ein Mikrokosmos implodiert und die Spielfreude der Band explodiert, dann sind das alles Momente, auf denen "Modern Vampires of the City" wie ein Klassiker klingt, der schon längst auf den Plattentellern deiner Großeltern gedreht hat, auf den nicht wir, sondern der auf uns gewartet hat, der tief as der Musikgeschichte schöpft, als wäre es das Selbstverständlichste auf der ganzen Welt, als wäre diese Platte die Selbstverständlichste überhaupt. Das hatten "Vampire Weekend" und "Contra" in ihrem vorwärts gedachten und rückwärts zusammengesetzten Ideenreichtum in der Art noch nicht geschafft. Auf "Modern Vampires of the City" kann man einer Band an einem Punkt lauschen, an dem sie sich nicht mehr rechtfertigen, an dem sie nicht mehr nachdenken muss darüber, wer sie sein will und wie, sondern an dem scheinbar alles so leicht von der Hand geht aber trotzdem vorne und hinten genial konstruiert ist. Vampire Weekend sind hier auf der Höhe ihres Schaffens ohne den Eindruck zu erwecken, dass danach nichts mehr komme - ganz im Gegenteil: Jetzt ist alles möglich.

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